Flutschäden:Lokalpolitik schiebt am Eiskanal kräftig an

Lesezeit: 3 min

2021 haben Starkregen, Schutt und Geröll den oberen Teil der Bobbahn am Königssee zerstört. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Politiker im Berchtesgadener Land beschließen die neuesten Pläne für den Wiederaufbau der 2021 zerstörten Bobbahn am Königssee. Doch Naturschutzverbände warnen weiterhin vor Folgen und Risiken des Projekts.

Von Matthias Köpf, Schönau am Königssee

In seiner Karriere als Rennrodler hat Alexander Resch mit Patric Leitner vier Weltmeistertitel und einen Olympiasieg im Doppelsitzer herausgefahren. Damals kam es nicht nur auf jede Hundertstelsekunde an, sondern auf jedes Tausendstel. Jetzt, zwei Jahrzehnte später und als Funktionär im Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD), ist dem Berchtesgadener "natürlich die Zeitschiene viel zu lang". Aber es hilft nichts: Seine Hausbahn, die berühmte Bobbahn am Königssee, gehört dem Landkreis Berchtesgadener Land, und der braucht Zeit für ein Vorhaben dieser Dimension. Am Freitag hat der Kreistag mit großer Mehrheit die Vorentwürfe für den Wiederaufbau des Eiskanals beschlossen, der in der Nacht auf den 18. Juli 2021 im oberen Abschnitt von riesigen Mengen Wasser, Geröll, Holz und Schlamm mitgerissen und zugeschüttet worden war. Rennen werden dort frühestens Ende 2025 wieder stattfinden können.

Dass die prestigereiche Bahn unbedingt wieder aufgebaut werden müsse, das war den allermeisten Menschen und den Lokalpolitikern im Berchtesgadener Talkessel von Anfang an klar, denn sie ist dort längst Teil der eigenen Identität als Spitzensportregion geworden. Auch die große Politik ließ an der Rekonstruktion nie Zweifel. Gleich am Tag nach der Zerstörung fuhren Ministerpräsident Markus Söder und der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz an den Königssee und sagten Hilfe zu. Drei Monate später gab der Kreistag Pläne in Auftrag, wie die Bahn wieder aufgebaut und gegen ähnliche Ereignisse geschützt werden könnte. 53,5 Millionen Euro stellt der Bund dafür zur Verfügung, das Geld stammt aus dem Hilfstopf nach der Flutkatastrophe von 2021, die im Ahrtal noch ungleich größere Schäden hinterlassen hatte als in und um Berchtesgaden.

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Doch vollkommen unumstritten ist das Projekt auch unterm Watzmann nicht. Vor allem die Naturschutzverbände Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) üben Kritik, im Kreistag die ÖDP und Teile der Grünen. "53 Millionen langen hinten und vorne nicht", sagt zum Beispiel die BN-Kreisvorsitzende Rita Poser. Der Landkreis will zwar nicht mehr ausgeben, als er vom Bund bekommt. Doch dass sich die Kostenschätzung, die der Kreistag am Freitag mit den Plänen gebilligt hat, genau in diesem Rahmen hält, liegt auch daran, dass große Teile der neuen Verbauung des Klingerbachs, die künftig Treibholz und Geröll zurückhalten soll, aus anderen Töpfen gefördert werden.

Der Bach hatte 2021 die Holz-, Stein- und Schlammmassen angespült, die sich dann genau an jener Brücke verkeilten und aufstauten, wo die Bobbahn den Bach überquerte. Dies könnte zwar einige weiter unten am Bach gelegene Wohnhäuser vor dem Schlimmsten bewahrt haben, doch dafür ergossen sich die Muren in die Bahn und rissen Teile mit sich. Die Aussicht, dass so etwas jederzeit wieder passieren könnte, ist der Hauptkritikpunkt der Naturschützer. Die geplanten Zäune und Sperren sowie der Umstand, dass die Bahn den Bach künftig nicht mehr queren, sondern auch der Start für die Rennrodler auf der südlichen Seite bleiben soll, beruhigen die Kritiker keineswegs.

Wo der Startabschnitt für die Rodler früher den Klingerbach querte, soll in Zukunft eine Geschiebesperre das mitgeschwemmte Material zurückhalten. Der Start für die Rodler wird dann über dem Starthaus für die Bob- und Skeletonwettbewerbe liegen und nach einer engen ersten Kurve in den nächsten Abschnitt der Eisröhre münden. (Foto: Landratsamt Berchtesgadener Land/Bearbeitung: SZ)

"Die Georisiken treiben uns um", sagt LBV-Kreisvorsitzender Toni Wegscheider. Die ganze Bahn war von Anfang an auf einem angeschwemmten Schuttkegel gebaut worden, Ende der Fünfzigerjahre als Natureisbahn, zehn Jahre später als erste Kunsteisbahn der Welt. An den Flanken des Grünsteins über der Bahn gibt es auch laut amtlichen Risikokarten noch jede Menge Material, das irgendwann zu Tal rutschen kann - und dann womöglich wieder die Bahn mitreißen. Unter diesen Umständen so viele Steuermillionen für einen "Nischensport" auszugeben, halten Poser und Wegscheider jedenfalls für fragwürdig. Poser behält sich für den BN ausdrücklich eine Klage vor, sobald im Oktober der endgültige Kreistagsbeschluss über die ausgearbeiteten Pläne gefasst ist und die Verbände offiziell angehört und im Detail informiert werden müssen.

Denn auch die energieintensive Kühlung ist für die Naturschützer in Zeiten des Klimawandels kaum mehr zu rechtfertigen - zumal von den 53 Millionen Euro wenig bis nichts dafür übrig bleiben wird, den Betrieb in Zukunft klimaneutral zu machen. Der Bob- und Schlittenverband hält trotzdem am erklärten Ziel fest, übers Jahr selbst so viel Energie zu produzieren, wie die Bahn verbraucht. Die Gebäude der Bahn eignen sich wegen ihrer schattigen Lage weniger für Photovoltaik, doch Alexander Resch verhandelt nach eigenen Worten mit möglichen Partnern und Sponsoren über Anlagen, die auf öffentlichen Flächen anderswo im Tal Sonnenstrom produzieren könnten.

Zugleich setzt sich der Verband international dafür ein, die Saison in Zukunft erst im November beginnen zu lassen, um Kühlenergie zu sparen. Die Bahn am Königssee zählt zu den weltweit etwas mehr als ein Dutzend internationalen Wettkampfstätten in dem Bereich. Dadurch, dass in den vergangenen Jahren einige Bahnen aufgelassen wurden, sehen sich die Kritiker ebenso bestätigt wie die Verfechter des Wiederaufbaus. Denn für sie gewinnt der Eiskanal am Königssee so nur noch mehr an Bedeutung.

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