Welche Wucht Wasser, Schlamm, Holz, Felsen und Geröll am Grünstein entwickeln können, das hat sich vor drei Jahren gezeigt. Nach einem Starkregen über dem Berchtesgadener Talkessel hatten Murenabgänge mehrere Wohnhäuser in der Gemeinde Schönau erreicht und den oberen Teil der berühmten Bobbahn am Königssee zerstört. Dort wurden seither tonnenweise Schutt weggeschaufelt und Beton abgebrochen. Für diesen Dienstag hat das Landratsamt des Berchtesgadener Landes, dem die Bahn gehört, zum förmlichen Beginn des millionenschweren Wiederaufbaus geladen. Einen Tag zuvor hat der Bund Naturschutz in Bayern seine Kritik bekräftigt, wonach auch die erneuerte Bahn extremen Wetterereignissen nicht standhalten werde können. Der BN sieht durch den Neubau zudem das Landschaftsbild und schlimmstenfalls die Wasserqualität am Königssee bedroht und kündigt eine Klage an.
Mit solchen Klagen hat der BN speziell im Berchtesgadener Land schon etliche Male Erfolg gehabt und Projekte entweder ganz verhindert oder aus seiner Sicht entscheidend verbessert. Die sofort angekündigte Erneuerung der Bobbahn hat er von Anfang an äußerst kritisch begleitet. Aus den regelmäßigen Besprechungen mit dem Landratsamt habe man sich aber zurückgezogen, seitdem ein neuer, 23 Meter hoher Turm für den Herrenstart der Rodler geplant ist, sagt die BN-Kreisvorsitzende Rita Poser. Einer solchen Störung des Landschaftsbildes könne man nicht zustimmen, zumal die Bahn nur wenige hundert Meter vom Nationalpark Berchtesgaden entfernt liege. Man werde nicht ins Blaue hinein klagen und die Aussichten genau abwägen, sagt Poser, aber „die Wahrscheinlichkeit ist hoch“.
Den Start-Turm erachten das Landratsamt und der im nahen Berchtesgaden ansässige Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) als nötig, um auf der ältesten Kunsteisbahn der Welt auch in Zukunft Herren-Rennen im Rodel-Weltcup ausrichten zu können. Für die Damenwettbewerbe sowie für alle Bob- und Skeletonrennen würde ein tieferer Startpunkt reichen. Bis 2021 starteten die Rodler auf der anderen Seite des Klingerbachs. Die neue Bahn soll den Bach aber nicht mehr queren, denn genau an der Stelle hatten sich 2021 Schlamm und Geröll gestaut und dann Bauteile weggerissen und die Bahn verschüttet.
Dass die nun ebenfalls geplanten neuen Sicherungsmaßnahmen an den Hängen oberhalb der Bahn ausreichen werden, bezweifelt der Bund Naturschutz ohnehin. Dort oben befänden sich noch große Mengen lockeres Gestein und schwere Felsblöcke, die im Zweifel kaum zu halten wären. Ein Murenabgang wie 2021 könne dort jederzeit wieder passieren. So hätten verheerende Regenfälle wie im September dieses Jahres über Teilen Österreichs und Tschechiens genauso gut auch über dem Königssee niedergehen können. In den geologischen Gutachten, die das Landratsamt in Auftrag gegeben hatte, würde diese Risiken aber „klein- und schöngerechnet“. Eine Gefahr für das Wasser des Königssees sieht der BN in den vielen Tonnen Ammoniak, das auch in der erneuerten Bobahn als Kühlmitteln dienen soll.
Doch die Politik im Berchtesgadener Land, in Bayern und im Bund ist fest entschlossen, die vom Leistungssport und auch vom Nachwuchs schmerzlich vermisste Bahn wieder aufzubauen. Schon am Tag nach der Zerstörung waren Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) an den Königssee geeilt und hatten Hilfe zugesagt. Der Bund stellt für den Wiederaufbau mehr als 53 Millionen Euro aus dem Hilfsfonds für die Flutkatastrophe von 2021 bereit.