Blattmacher-WettbewerbVon publizistischer Freiheit für Schülerzeitungen und dem Genderverbot

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So sahen einige der 327 bayerischen Schülerzeitungen aus, die sich am allerersten Blattmacher-Wettbewerb vor 20 Jahren beteiligten.
So sahen einige der 327 bayerischen Schülerzeitungen aus, die sich am allerersten Blattmacher-Wettbewerb vor 20 Jahren beteiligten. (Foto: Robert Haas)

Seit 20 Jahren veranstalten „Süddeutsche Zeitung“ und bayerisches Kultusministerium gemeinsam den landesweiten Schülerzeitungswettbewerb. Der Blick zurück zeigt, einige Magazine sind immer noch dabei, einige Personen auch. Die dramatischsten Veränderungen für die Schülerredakteure fanden ganz am Anfang und erst kürzlich statt.

Von Anna Günther

Frische Presse? Das klingt nach Orangensaft oder hippem Gemüse-Smoothie, aber nicht unbedingt nach Schülerzeitungen. Dabei hieß der bayerische Schülerzeitungswettbewerb ursprünglich einmal so, zwar nur für wenige Wochen und danach bekam der Blattmacher-Wettbewerb den Namen, der auch heute noch gilt. Das zeigte nun ein Blick ins Archiv der Süddeutschen Zeitung. Vor 20 Jahren initiierten die SZ und das bayerische Kultusministerium mit der Hypo-Vereinsbank den gemeinsamen Landeswettbewerb der bayerischen Schülerzeitungen.

Der bundesweite Schülerzeitungswettbewerb „Kein Blatt vorm Mund“ sei 2004, also ein Jahr zuvor, von der Kultusministerkonferenz ins Leben gerufen worden, erinnert sich die Gymnasiallehrerin Claudia Gaull, die als Landesbeauftragte für den bayerischen Wettbewerb von Anfang an mit dabei war. Mit dem Bundeswettbewerb sollten regionale und landesweite Wettbewerbe der 16 Bundesländer gebündelt werden. Die bayerischen Schülerzeitungen landen seither auch regelmäßig auf den ersten Plätzen im bundesweiten Wettbewerb.

Die SZ-Berichte über die Anfänge des Blattmacher-Wettbewerbs lesen sich wie Zeugnisse aus einer anderen Zeit: Die eigenen Kollegen sind auf den Fotos von damals deutlich weniger ergraut, mittlerweile gestorbene Mitglieder der Staatsregierung stehen noch voll im Leben. Die CSU ist immer noch da und die Band „Tokio Hotel“ auch. Nur anders.

Vor 20 Jahren gingen bei einigen Schülerinnen und Schülern die Meinungen über diese Sänger laut dem Bericht des Kollegen Hans Kratzer weit auseinander. Jedenfalls fand er in sehr vielen Magazinen aus der allerersten Blattmacher-Runde Texte über Bill und Tom Kaulitz – oft als Pro und Contra. Ob die Mädchen und Buben damals es für möglich gehalten hätten, dass diese Band 20 Jahre später besonders als Heidi Klums Sidekick durch die Gazetten geistert? Model Klum ist seit 2019 mit Tom Kaulitz verheiratet, die Brüder bespielen heute vor allem ihren Podcast und eine Netflix-Show. Klums Sendung „Germanys Next Top Model“ wird dieses Jahr 20 Jahre alt, aber das soll hier nicht weiter vertieft werden.

Ein Teil der allerersten Jury:  Berthold Freytag vom Kultusministerium, Claudia Gaull vom Adam-Kraft-Gymnasium Schwabach und Hartmut Pfeifer, Pressesprecher der Hypo-Vereinsbank (vorne); Dahinter stehen der damalige SZ-Bayernchef Sebastian Beck, Herbert Knur, Direktor der Akademie der Bayerischen Presse und Michael Hallermeier, Landesvorstand Junge Presse Bayern.
Ein Teil der allerersten Jury:  Berthold Freytag vom Kultusministerium, Claudia Gaull vom Adam-Kraft-Gymnasium Schwabach und Hartmut Pfeifer, Pressesprecher der Hypo-Vereinsbank (vorne); Dahinter stehen der damalige SZ-Bayernchef Sebastian Beck, Herbert Knur, Direktor der Akademie der Bayerischen Presse und Michael Hallermeier, Landesvorstand Junge Presse Bayern. (Foto: Robert Haas)

Andere Themen mutierten zum Klassiker, an der Pisa-Studie zum Beispiel arbeiteten sich auch in der allerersten Blattmacher-Runde schon die Nachwuchsjournalisten ab. Und sehr viele Schülerzeitungen befassten sich damals intensiv mit den Problemen des noch neuen achtjährigen Gymnasiums in Bayern. Das G 8 wurde 2004 eingeführt – und 2017 wieder beerdigt. In wenigen Tagen beginnen die wirklich allerletzten G-8-Schüler mit ihren Abiturprüfungen. Kommendes Jahr legen dann die ersten G-9-Schüler ihre Abschlussprüfung ab.

Viele Schülerzeitungen sind heute immer noch dabei, das Echo zum Beispiel, die Schülerzeitung des Gymnasiums Wertingen gewann den ersten Platz im ersten Blattmacher-Wettbewerb – und ist nach wie vor regelmäßig dabei. Auch von der Corona-Krise ließ sich der Wettbewerb nicht beeindrucken. Schülerzeitungen entstanden trotzdem, die Organisatoren planten um und verliehen die Preise virtuell mit einem eigens produzierten Film.

Der Blattmacher hat sich in 20 Jahren auch verändert: Die Hypo-Vereinsbank stieg zum Beispiel als Sponsor aus. Seit einigen Jahren unterstützt die Nemetschek-Stiftung den Wettbewerb maßgeblich, stiftet die Preisgelder und organisiert für die Erstplatzierten ein besonderes Workshop-Programm. Die Zweit- und Drittplatzierten Schülermagazine bekommen Angebote der SZ-Redaktion.

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Die wohl größten rechtlichen Veränderungen für Schülerzeitungen gab es gleich zu Beginn und dann im vergangenen Jahr: Basierend auf einer Schüler-Petition gegen Zensur durch die Schulleitung ermöglichte die Staatsregierung 2006, dass Schülerredaktionen sich auch von ihrer Schulleitung freimachen können und sich als unabhängiges Organ der Presse dem Presserecht unterwerfen dürfen. Damit müssen sie allerdings dieselben Rechte und Pflichten erfüllen wie etwa diese Tageszeitung. Ihrer Erfahrung nach gehen aber die wenigsten Schülerzeitungen diesen Schritt, sagt die Landesbeauftragte Gaull.

Diese Redaktionen bleiben dann auch von der jüngsten Änderung verschont, ebenso wie jene, die an städtischen oder privaten Schulen erscheinen: Sie alle müssen sich nicht ans umstrittene Genderverbot der CSU halten. Im Gegensatz zu Schülerzeitungen, die offiziell von der Schule beziehungsweise der Schulleitung herausgegeben werden. Diese müssen sich an die neue Regel halten, wonach ihnen seit 1. April 2024 Sonderbinnenzeichen wie Sternchen, Doppelpunkte oder Mediopunkt verboten sind. Ob die Redaktionen tatsächlich darauf verzichten, wird die Jury dieser Blattmacher-Jubiläumsrunde erst Anfang Juni sehen. Bisher sind einige Fälle von zivilem Ungehorsam in Redaktionen bekannt, aber keine drakonischen Strafen wegen offener Genderrebellion.

Was die Zukunft für den Blattmacher-Wettbewerb bringt, wird sich zeigen. Sicher ist, dass es weitergehen wird: „Schülerzeitungen sind das beste Beispiel für gelebte Demokratie, kritisches Denken und kreative Entfaltung. Wettbewerbe wie der Blattmacher würdigen nicht nur das große Engagement junger Menschen für seriösen Journalismus, sondern zeigen auch, wie wichtig es ist, dass unsere Schülerinnen und Schüler eine eigene Stimme haben und somit auch gehört werden“, sagt Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (FW). „Ich wünsche mir, dass der Blattmacher-Wettbewerb auch in den kommenden 20 Jahren so kraftvoll, mutig und inspirierend bleibt. Schließlich kann er das Sprungbrett für eine bedeutende journalistische Karriere sein!“

Kultusministerin Anna Stolz war auch schon Glücksfee und Laudatorin bei der Blattmacher-Siegerehrung, hier im Sommer 2022 im Hochhaus der  Süddeutschen Zeitung . Damals vertrat sie als Staatssekretärin den erkrankten Minister Michael Piazolo.
Kultusministerin Anna Stolz war auch schon Glücksfee und Laudatorin bei der Blattmacher-Siegerehrung, hier im Sommer 2022 im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung. Damals vertrat sie als Staatssekretärin den erkrankten Minister Michael Piazolo. (Foto: Robert Haas)

Um das Jubiläumsjahr zu feiern, wird es nach der Siegerehrung im kommenden Juli auch ein Nachmittagsprogramm mit Workshops für alle 21 Finalisten geben. Das hatten sich die Redaktionen immer wieder gewünscht, um sich auch untereinander über Schularten hinweg austauschen zu können.

Vorher aber läuft der gewohnte Auswahlprozess: SZ, Kultusministerium und Nemetschek-Stiftung suchen wieder die Besten Bayerns. Mitmachen können alle Schülerzeitungen von Grund-, Mittel-, Förder- und Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen. Es werden auch Preise für die besten Online-Schülerzeitungen vergeben.

Hier geht es zur Anmeldung

Die drei besten Redaktionen jeder Kategorie erhalten ein Preisgeld. Einzureichen sind sieben gedruckte Exemplare einer Ausgabe, die zwischen 8. Juni 2024 und 31. Mai 2025 erschienen ist. Bei reinen Online-Schülerzeitungen genügt das Absenden des Anmeldeformulars. Einsendeschluss ist der 31. Mai 2025. Die Preisverleihung findet am 14. Juli 2025 in München statt. Mehr Informationen zur Teilnahme gibt es unter sz.de/blattmacher-wettbewerb.

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