Süddeutsche Zeitung

Bischof Walter Mixa:Tiefe Kluft in Schrobenhausen

Hier die Verteidiger, da die Gegner - und mittendrin Stadtpfarrer Beyrer: Die ehemalige Gemeinde von Walter Mixa weiß nicht, was sie vom zurückgetretenen Bischof halten soll.

Roman Deininger

Am Ende der Frühmesse in St. Jakob hat Pfarrer Josef Beyrer noch ein paar Hinweise für die kommende Woche. Da ist die Mai-Andacht des Katholischen Frauenbundes und tags darauf der Vortrag "Ich bleib dann mal da", es geht um Pilgerwege in der Umgebung.

Und dann wolle er noch etwas verlesen, sagt Beyrer, eine Erklärung in aktueller Sache. Ein älterer Herr, der schon auf dem Weg nach draußen war, bleibt in der Kirchentür stehen.

Es ist der Sonntag nach dem Freitag, an dem in Schrobenhausen alles auf den Tisch kam. Der unabhängige Sonderermittler Sebastian Knott hat seinen Abschlussbericht vorgelegt: "Glaubhaft" hätten ihm ehemalige Bewohner des Schrobenhausener Kinderheims beschrieben, wie sie in den siebziger Jahren vom damaligen Stadtpfarrer Walter Mixa und von zwei Schwestern brutal geschlagen worden sind.

Mixa, der Bischof von Augsburg, ist schon längst zurückgetreten, gerade wurde er vom Verdacht des sexuellen Missbrauchs befreit. Aus der Schweiz ließ er am Sonntag verlauten, es tue ihm weh, "dass viele treue Christen wegen der haltlosen Missbrauchsvorwürfe an mir gezweifelt haben".

Auch die Schwestern sind abberufen aus dem Heim. Aber jetzt wollen die Gläubigen in Schrobenhausen hören, was das alles heißt für ihre Gemeinde, in der sich ein Graben aufgetan hat in den vergangenen Wochen. Einige haben sich sogar angegiftet über den Graben hinweg.

Auf der einen Seite dieser Kluft befinden sich jene Mitglieder, die Mixa, den volksnahen Seelsorger, immer noch verteidigen. Auf der anderen Seite stehen jene, die sich schonungslose Aufklärung wünschen und zumindest eine moralische Verurteilung der Misshandlungen, die juristisch ja schon verjährt sind.

Und dann ist da noch eine dritte Gruppe, es sind die Gläubigen von St. Jakob, die einen Fuß auf beiden Seiten des Grabens haben, die hin- und hergerissen sind zwischen Sympathie für ihren alten Pfarrer und Abscheu für den Kinderschläger. So wie jene Dame um die sechzig, die nach der Messe erzählt, wie Mixa ihr während einer Krebserkrankung beistand. "Er hat sich immer erkundigt", sagt sie, und plötzlich rutscht ihr das Lächeln aus dem Gesicht: "Aber er kann doch nicht einfach Kinder verprügeln."

Neues Personal fürs Kinderheim

Josef Beyrer, der schlanke, leicht angegraute Mann, der Mixa 1996 als Stadtpfarrer nachfolgte, will seiner Gemeinde jetzt helfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Er sagt, dass man der Wirklichkeit weder durch "Verteufelung" noch durch "Heiligsprechung" gerecht werde. Er sagt, dass man die Wahrheit suchen und "Fehlverhalten erforschen" müsse. Später, im Pfarrhaus, sagt er noch mehr.

Beyrer hat Knotts Abschlussbericht in der Hand, 44 Seiten und ein Ordner Anhänge. Für seine Gemeinde sei das mit dem Abschließen nicht so leicht, sagt der Pfarrer. "Es gibt jetzt klare Aussagen, aber viele brauchen eine Weile, um zu einer neuen Einschätzung finden."

Bei ihm ging das schneller. Als er nach Schrobenhausen kam, hat er die teueren Altarteppiche, die Mixa mit Geld der Waisenhausstiftung erwarb, dem Heim mit Mitteln der Kirche abgekauft. Sonst, sagt er, "hätte ich mich nicht ehrlichen Herzens darauf stellen können". Und als Mixa Mitte April sein Ohrfeigen-Geständnis nachreichte, ließ Beyrer wissen, dieser Schritt wäre "14 Tage früher hilfreich" gewesen.

Nun, sagt der Stadtpfarrer, werde er sich erst mal der drängendsten Frage widmen: Das Kinderheim benötigt neues Personal.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2010/bavo
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