Bischof Gerhard Ludwig Müller von Regensburg gilt als der streitbarste der bayerischen Bischöfe. Kritikern, auch der Süddeutschen Zeitung, wirft er gern Kirchenkampfmethoden wie zur Zeit des Nationalsozialismus vor. Er hält den Rücktritt des wegen Prügelvorwürfen belasteten Augsburger Bischofs Walter Mixa für unnötig.
Bischof Gerhard Ludwig Müller: "Der Hauptvorwurf gegen Bischof Mixa, dass er Kinder missbraucht haben soll, ist schnell in sich zusammengefallen. Das relativiert andere Vorwürfe."
(Foto: ddp)SZ: Ist Ihrer Kirche in den vergangenen Monaten Unrecht getan worden?
Gerhard Ludwig Müller: Sexueller Missbrauch von Kindern ist schreiendes Unrecht. Andererseits aber haben die Proportionen in der Berichterstattung nicht gestimmt. Kirchliche Mitarbeiter sind für 0,1 Prozent dieser Untaten verantwortlich. Aber es gab 70.000 Berichte zu Kirche und Missbrauch in den letzten vier Monaten. Tausende von Priestern und Laien, die gut arbeiten, verdienen keine Kollektivbeschuldigung.
SZ: Hätten die Medien weniger berichten sollen, obwohl die Opfer sich an sie gewandt haben?
Müller: Es ist klar, dass hier ein gewisser Dammbruch stattgefunden hat, auch deshalb, weil jetzt erst Anzeigen eingingen zu bisher unbekannten Fällen aus den letzten 60 Jahren. Man hat sich früher zu wenig um die Opfer gekümmert. Wir bemühen uns heute, dass den Opfern von damals Gerechtigkeit widerfährt.
SZ: Was tun Sie konkret?
Müller: Wir haben Missbrauchsbeauftragte, an die sich jeder Geschädigte wenden kann. Eventuell werden wir aber auch Kosten für Therapien übernehmen.
SZ: Eventuell?
Müller: Zunächst ist der Täter verantwortlich. Wenn er nicht mehr lebt, werden die Diözesen oder Ordensgemeinschaften helfen. Wir werden das Angemessene tun.
SZ: Haben Sie sich mit Opfern getroffen?
Müller: An mich wurde bisher kein Gesprächswunsch herangetragen. Die erste Ansprechpartnerin ist unsere hervorragende Beauftragte. Sie veranlasst alles Weitere. Vor allem geht es um die Würde des Geschädigten.
SZ: Hat Ihr Bistum aus Fehlern gelernt?
Müller: Die Opfer stehen im Mittelpunkt. Früher meinte man, es sei genug getan, wenn der Täter bestraft wurde.
SZ: Es gibt auch Opfer, die nicht missbraucht wurden, denen aber Gewalt angetan wurde; zum Beispiel durch den früheren Augsburger Bischof Walter Mixa. War es richtig, dass Ihre Amtsbrüder Reinhard Marx und Robert Zollitsch Mixa zum Rücktritt gedrängt haben?
Müller: Das haben sie nicht getan. Der Hauptvorwurf gegen Bischof Mixa, dass er Kinder missbraucht haben soll, ist schnell in sich zusammengefallen. Das relativiert andere Vorwürfe.
SZ: Wieso? Mixa hat sich aus der Waisenhauskasse bedient, er hat Kinder geschlagen. Das steht fest. Reicht das nicht für einen Rücktritt?
Müller: Es wäre notwendig gewesen, erst einmal die Vorwürfe von unabhängiger Seite fachkundig zu prüfen. Im Bericht des sogenannten Sonderermittlers bleiben Ungereimtheiten.
SZ: Sie hätten Mixa nicht zum Rücktritt geraten?
Müller: Nur wenn die schweren Vorwürfe bewiesen wären.
SZ: Der Papst hat bei den deutschen Bischöfen mehr brüderliche Hilfe für Mixa angemahnt. Was haben sie versäumt?
Müller: Ich spreche nicht für andere. Wir müssen aber kritischer werden gegenüber öffentlich inszenierter Kritik, die nur jemanden weghaben will. Mit Urteilen über andere sollte man ohne genaue Kenntnisse der Faktenlage sehr zurückhaltend sein. Zumal wenn sich nun herausstellt, dass die Vorwürfe gar nicht so gravierend sind, wie es mit dem vorgetäuschten Missbrauch nahegelegt wurde.