Biografisches Lexikon:Passauer Prominenz

Die niederbayerische Stadt gilt zu Recht als kulturelle Relaisstation im Herzen Europas. Ein üppiges Kompendium stellt in Kurzporträts nun 1000 Persönlichkeiten vor

Von Hans Kratzer, Passau

Schon seit seiner Geburt in der Antike gilt der Ort Passau als eine herausragende Stätte der Kultur. Zweifellos hat die Lage an drei Flüssen, an wechselnden Grenzen sowie die historische und architektonische Bedeutung die Stadt und ihre Menschen geprägt und einen immensen Reichtum an Kunst und Kultur möglich gemacht. All die Menschen aufzuzählen, die dort segensreich gewirkt haben, ist schon wegen ihrer Fülle schier unmöglich. Die Passauer Kulturjournalistin Edith Rabenstein hat dies freilich nicht davon abgehalten, eine üppige Datensammlung zur Passauer Stadtgeschichte anzulegen. Aus dieser Fülle hat sie eine Auswahl von 1000 Köpfen in einem soeben erschienenen Lexikon zusammengefasst (1000 Künstler/innen & Kulturschaffende. Biografisches Lexikon zur Passauer Stadtgeschichte, Verlag Friedrich Pustet). Bedeutend ist die Veröffentlichung schon deshalb, da es keine vergleichbare Publikation über jene Menschen gibt, die Passau geformt haben.

Schon 1995 hatte der Heimatpfleger Franz Mader das Buch "Tausend Passauer" veröffentlicht, das aber ganz anders konzipiert war als das Werk von Rabenstein. Künstler sind bei ihm eher ein Randthema. Rabenstein hingegen bezieht auch jene Größen mit ein, die Passau zum Leuchten brachten, ohne dort gelebt zu haben. Dazu gehört zum Beispiel Wolfgang Amadeus Mozart, über den man im Lexikon erfährt, dass er schon als Sechsjähriger in Passau weilte. Im September 1762 stieg er mit seiner Familie in der Wirtschaft Zur Goldenen Sonne ab (heute Café Kowalski). Der Mozartbub erfreute den Fürstbischof Graf von Thun-Hohenstein mit einigen Stückerln und bekam dafür einen Golddukaten. 1790 kam Mozart nochmals durch Passau, als er auf dem Weg zur Krönung Kaiser Leopolds II. in Frankfurt am Main war.

Die Funktion Passaus als kulturelle Relaisstation im Herzen Europas wird evident in den seit 1952 ausgetragenen, natürlich auch von Querelen untermalten "Festspielen Europäische Wochen". Schon 1970 bekam Passau vom Europarat für seine Bemühungen um die Integration Europas die Europafahne. Ein Passauer und großer Europäer war auch der im Lexikon gewürdigte Journalist Reinhard Raffalt (1923-1976), der von 1954 an als Direktor der deutschen Bibliothek in Rom wirkte und überdies ein glänzender Journalist war.

Beim Blättern werden viele Erinnerungen an Institutionen und Originale wach, etwa an den Clown Arthur Hoffmann (1923-1995), der 1971 mit dem großen Charlie Rivel in Passau auftrat. Es wimmelt nur so von glanzvollen Namen. Karl Lagerfeld war 2009 als Fotograf in Passau, außerdem wurde er in der von der Verlagsgruppe Passau ins Leben gerufenen Reihe "Menschen in Europa" ebenso ausgezeichnet wie die Gesangsdiva Anna Netrebko und Star-Architekt Norman Foster.

Der bis in die 1970er-Jahre hinein doch eher bigotte Ruf von Passau hat eine starke Riege von Kabarettisten hervorgebracht, als deren Brutstätte das von Walter Landshuter mit Edgar Liegl gegründete Scharfrichterhaus zu betrachten ist, eine Topadresse des deutschen Kabaretts. Natürlich erwähnt das Lexikon sämtliche Abkömmlinge, beginnend bei Bruno Jonas, Sigi Zimmerschied, Rudolf Klaffenböck und Ottfried Fischer bis hin zu Künstlern, die nach dem Gewinn des seit 1983 vergebenen Scharrichterbeils Karriere machten. Das sind überwiegend Männer, etwa Andreas Giebel (1985), Rolf Miller (1994) und Torsten Sträter (2012). Nur wenige Frauen setzten sich durch, etwa Luise Kinseher (1999) und Bärbel Schmid (1995). Überhaupt wäre die Geschlechtsverteilung im Lexikon interessant. Die Dominanz der Männer ist unübersehbar, aber historisch bedingt. Umso stärker wirkt die Aura jener Frauen, die das Lexikon schmücken, sei es die Schauspielerin Hannelore Elsner (1942-2019), die das Internat Freudenhain in Passau besuchte, oder ihre Kollegin Rosel Zech (1940-2011), die 1961 in dem Schauspiel "Die Hexe von Passau" brillierte.

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