Bildungspolitik der CSU:Ein Schwenk wie bei den Studiengebühren

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Festhalten am achtjährigen Gymnasium: Geht Seehofer auf Distanz zu den eigenen Leuten?

(Foto: dpa)

Erst Bekenntnisse und Durchhalteparolen, dann die große Wende: Bei der Debatte um die Abkehr vom achtjährigen Gymnasium erinnert der Kurs der CSU stark an eine alte Geschichte - bei der sich schließlich die Bürger durchsetzten.

Von Mike Szymanski und Frank Müller

Es wirkt nun wie ein Vorzeichen, was sich vergangene Woche im Landtag abgespielt hat. Horst Seehofer verließ während der Debatte um die Energiewende die Regierungsbank und setzte sich zum Erstaunen aller in die letzte Oppositionsreihe zu den Freien Wählern. Dort blieb er lange sitzen, es war ein typisches schillerndes Seehofer-Manöver. Er habe nur in Ruhe ein Glas Wasser trinken wollen, erklärte er danach. Seehofers Botschaft nach außen war: Da geht einer auf Distanz zu den eigenen Leuten. Dorthin "wo die Zukunft ist", soll er sogar zu den Freien Wählern gesagt haben.

Nun zeichnen die Freien Wähler die Zukunft vor, wieder einmal. Nicht um Energie geht es dabei, sondern um die Bildung. Seitdem die Freien Wähler mit ihrem Volksbegehren die erste Hürde geschafft haben, wird an allen Fronten die Abkehr vom reinen achtstufigen Gymnasium vorangetrieben. Die restliche Opposition, SPD und Grüne, zieht langsam mit. Vor allem aber gibt es Bewegung bei der CSU. Noch gibt es keinen, der offen voran in die neue Richtung geht, aber die Diskussion läuft.

Im Grunde wiederholt sich die Geschichte der Studiengebühren. Auch gegen dieses Überbleibsel der Ära Stoiber hatten die Freien Wähler ein Volksbegehren gestartet. Auch hier kam die Opposition nur höchst zögerlich in die Gänge. Und auch hier war es ein quälend langer Prozess, bis die CSU ihre Wende vollzogen hatte.

Als im Sommer 2011 Ministerpräsident Horst Seehofer die ersten Versuchsballons für eine Abschaffung der Gebühren steigen ließ, um zu testen, wie die Meinung des Volkes aussieht, gab es in seiner CSU-Landtagsfraktion wütende Proteste. Man werde an den unter Stoiber eingeführten Gebühren auf alle Fälle festhalten, Kontinuität, kein Schwenk aus populistischen Gründen - so lauteten die Argumente. Seehofer allerdings bohrte hartnäckig weiter. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis er seine Fraktion auf seinem Kurs hatte. Dann schaffte die CSU nicht nur die Kehrtwende, sondern verkaufte sie auch noch als ihre Idee.

Nun wiederholt sich vielleicht die Geschichte. Wiederum legt sich die Landtags-CSU schriftlich und kompromisslos fest: "Es bleibt beim G 8", erklärt sie, "wir wollen, dass sich die Schüler, Eltern und Lehrer in den nächsten Jahren ohne Strukturdebatten auf die beste Bildung konzentrieren können." Doch wieder einmal ist Seehofer wohl schon weiter und die Strukturdebatte nur noch eine Frage der Zeit. Einer, der mit Seehofer von Anfang an im bayerischen Kabinett sitzt, sagt, er sei sich "hundertprozentig sicher", dass der CSU-Chef die Abkehr vom reinen G 8 durchzieht.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Monatelang hat der Regierungschef nun versucht, die Bildungsprobleme klein zu reden. Doch sie gehen eben nicht weg, und Kultusminister Ludwig Spaenle bekommt seinen Arbeitsauftrag einfach nicht hin, für "Ruhe an der Bildungsfront" zu sorgen. Weder Eltern, noch Schüler noch Lehrer mögen das G 8 - ein klarer Fall für Seehofers "Koalition mit der Bevölkerung".

Für den Ministerpräsidenten bietet der Fall ein weiteres Mal die Lehre, dass die Freien Wähler seine größte Konkurrenz sind. Seehofer nimmt Aiwangers Truppe ernster als die SPD und die Grünen - auch weil sie Fleisch vom CSU-Fleisch sind und das Haupthindernis sind auf dem Weg zurück zu 50 Prozent plus X für die CSU.

Die Freien Wähler selbst fühlen sich dabei sichtlich wohl. "Wir begrüßen natürlich jeden Schritt und jeden Schwenk in Richtung unserer Position", sagt Michael Piazolo, der Organisator des FW-Volksbegehrens. Er macht Druck: "Die Staatsregierung sollte jetzt schnell Farbe bekennen."

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