Bildungsreform:Gymnasien müssen weiter G8 anbieten

  • Die 47 Mittelstufe-Plus-Schulen in Bayern müssen ihre G-8-Regelklassen trotz der Umstellung auf das neunjährige Gymnasium erhalten.
  • Das Kultusministerium beharrt damit trotz Kritik der betroffenen Schulen auf den Richtlinien des Pilotversuchs.

Von Anna Günther

Das neunjährige Gymnasium wird im Herbst 2018 wieder zur Regel in Bayern, trotzdem beharrt das Kultusministerium bei den 47 Mittelstufe-Plus-Schulen auf den G-8-Regelklassen. So sehen es die Kriterien vor. Alle Gymnasien, die seit 2015 den G-9-Versuch Mittelstufe Plus anbieten, müssen eine G-8-Klasse erhalten und die verlängerte Mittelstufe ohne zusätzliches Budget organisieren. Das stellte Schulleiter bereits in den vergangenen Jahren vor Probleme.

Nun, da die 47 Gymnasien den eigentlich auf zwei Jahre angelegten Pilotversuch noch drei Jahre weiterführen dürfen, um einen nahtlosen Übergang ins G 9 zu schaffen, wünschen sich einige Schulleiter mehr Kulanz vom Kultusministerium. Vergebens. In einer Besprechung hatten dessen Vertreter Teilnehmern zufolge unbeeindruckt vom G-9-Votum der CSU auf die Regeln gepocht. "Das Ministerium klammert sich an die Vorschriften und hat immer noch nicht die Größe, zuzugeben, dass das G 8 gescheitert ist", sagte ein erfahrener Direktor nach der Sitzung.

Dabei sind die Anmeldezahlen für die verlängerte Lernzeit wohl erneut angestiegen. Finale Zahlen will das Haus von Schulminister Ludwig Spaenle nicht herausgeben, weil noch nicht alle Daten ausgewertet sind. Im ersten Plus-Jahr meldeten sich in Bayern im Schnitt 60 Prozent der Kinder für längeres Lernen an, im zweiten Jahr waren es gut 70 Prozent. Weil sich die Entscheidung der CSU-Fraktion für die Rückkehr zum G 9 bis Anfang April hinzog, mussten viele Schulen die Anmeldungen unter Vorbehalt durchführen. Hört man sich um, vermuten viele Schulleiter, dass sich der Wunsch nach dem G 9 und die Ungeduld der Eltern in den erneut gestiegenen Zahlen niedergeschlagen hätten.

Einige Gymnasien haben in der kommenden achten Jahrgangsstufe derart viele Plus-Schüler, dass sie keine Regelklasse zustande bringen. Am Annette-Kolb-Gymnasium in Traunstein werden die zehn G-8-Schüler wohl mit einer Plus-Klasse zusammengelegt. Den Pilotversuch zu beenden, war für Direktor Bernd Amschler keine Option. "Wir wollten die Mittelstufe Plus, die Eltern vertrauen uns, also ziehen wir das durch", sagt er. Irgendwie müsse das im Stundenbudget klappen und im Zweifel engagierten sich seine Lehrer darüber hinaus.

In Kronach konnte Alf Merkel dies am Frankenwald-Gymnasium abwenden. Er setzte die bewährte Taktik ein, die einige Schulleiter schon in den ersten Plus-Jahren anwenden mussten, um Regelklassen zu erhalten: Er bestellte Eltern und Schüler noch einmal ein, um sie "nachzuberaten". Das Ergebnis: Statt acht Mädchen und Buben lernen im kommenden Schuljahr 20 von 90 Schülern im Regelzug.

Vier Plus-Gymnasien gehen drastischere Wege: Das Rhön-Gymnasium in Bad Neustadt an der Saale und das Neue Gymnasium in Nürnberg (NGN) stellen den Pilotversuch komplett ein. Am NGN, einem sprachlichen und humanistischen Gymnasium, sei die Organisation beider Lerngeschwindigkeiten wegen der vielen Sprachen zu kompliziert. "Die Zersplitterung belastet das Budget so stark, das können wir uns nicht leisten", sagt Schulleiter Harald Fischer. Er habe mehrmals um einen Kompromiss und zusätzliches Budget gebeten, sei aber abgewiesen worden.

Für manche Schulen wäre eine eigene G-8-Klasse zu teuer

Zwei andere Schulen setzen ein Jahr aus, darunter das Pirckheimer Gymnasium, die zweite Nürnberger Plus-Schule. Dabei ist das Interesse da, ein Drittel der Siebtklässler in der traditionell von Arbeiter- und Migrantenfamilien bewohnten Südstadt will mehr Zeit zum Lernen. "Wir haben sehr lange überlegt, aber der Jahrgang ist sehr klein, wir können mit der Mittelstufe Plus nicht sinnvoll Klassen bilden", sagt die stellvertretende Schulleiterin Elke Hermann. Aber das Pirckheimer setze nur ein Jahr aus, versichert sie, die Schule sei zufrieden dem Konzept und führe es 2018 weiter. Ebenso will es das Stiftland-Gymnasium in Tirschenreuth in der Oberpfalz halten, auch dort wird pausiert.

Bernd Lohneiß hofft weiter auf Kulanz. Der Schulleiter des Gymnasiums im mittelfränkischen Höchstadt an der Aisch möchte einen eigenen Weg gehen: 86 Prozent seiner Siebtklässler haben sich für die Mittelstufe Plus angemeldet. Zwölf Schüler wollen im G 8 bleiben. Weil eine eigene Klasse zu teuer wäre, will Lohneiß diese zwölf in die Plus-Klasse schicken - und mit entsprechender Vorbereitung am Nachmittag die Neun-Plus überspringen lassen.

Dieses "begleitete Überspringen" hat die Staatsregierung ohnehin im neuen G 9 für alle Schüler vorgesehen, die in acht Jahren Abitur machen wollen. "Individuelle Lösungen sollen möglich sein, hieß es im Ministerium, und das wäre der beste Weg", sagt Lohneiß. Eine gemischte Klasse für G-8- und Plus-Schüler sei unfair, weil eine Gruppe sich immer dem Tempo der anderen anpassen müsste. Lohneiß sieht auch die Richtlinien auf seiner Seite: Die G-8-Schüler hätten durch das begleitete Überspringen nach acht Jahren Abitur. Außerdem blieben sie mit ihren Klassenkameraden zusammen und hätten die Wahl zwischen dem sprachlichen oder dem naturwissenschaftlichen Zweig.

Im Kultusministerium verweist man ungeachtet aller Einwände weiter auf die Richtlinien des Pilotversuchs. Starre Mindestgrößen gebe es nicht, aber bei der Klassenbildung müsse jede Schule berücksichtigen, dass alle Schüler das Recht haben, außerhalb des Pilotversuchs ihr Abitur in acht Jahren zu machen. In der Noch-Regelzeit also. Außerdem müssten die 47 Gymnasien auch an die Wiederholer aus dem G 8 denken, die nicht ins Leere fallen sollen. "Beides kann am besten gewährleistet werden, wenn sowohl Regel- als auch Pluszug eingerichtet sind."

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