Bildungspolitik:Tausende Lehrer stehen auf der Straße

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Es könnte so einfach sein: Lehrer werden an Bayerns Schulen dringend gebraucht. Bewerber gäbe es genug. Doch die wenigsten fertigen Referendare werden übernommen - oft nicht einmal die mit Einser-Schnitt.

Tina Baier

Bis zuletzt hatte Julius Müller gehofft, dass er eine Stelle als Lehrer an einem Gymnasium in Bayern bekommen würde. Immerhin hatte er mit der Note 1,7 in den Prüfungen ziemlich gut abgeschnitten. "Der Schock war groß, als mein Name nicht auf der Liste derjenigen stand, die einen Vertrag bekommen", sagt der fertig ausgebildete Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte. In seiner Seminargruppe am Peutinger Gymnasium in Augsburg haben nur acht von 32 Referendaren ein Angebot vom Freistaat bekommen. Die anderen standen von heute auf morgen auf der Straße.

Immer wieder beklagen sich Eltern, dass bei ihren Kindern so viel Unterricht ausfällt. (Foto: dapd)

Müller, der auch Sprecher der Referendare im bayerischen Philologenverband ist, hat nicht nur die Tatsache frustriert, dass er die Einstellung ganz knapp verpasst hat - der letzte Bewerber mit seiner Fächerkombination, der genommen wurde, hatte die Note 1,66 -, sondern vor allem, wie ihm das vom Kultusministerium mitgeteilt wurde. Nämlich gar nicht. "Als Referendar hat man sich zwei Jahre reingehängt und hart gearbeitet, und dann bekommt man nicht einmal ein Schreiben. Da fühlt man sich schon ein bisschen im Stich gelassen", sagt er. Tatsache ist, dass viele Referendare während eines Teils ihrer Ausbildung bis zu 17 Stunden in der Woche unterrichten und so den Lehrermangel an den Schulen ausgleichen. Vorgesehen sind eigentlich nur zehn Stunden Unterricht.

Nach Angaben aus dem Kultusministerium wurden dieses Jahr nur 407 von 1500 Bewerbern übernommen. 110 bekamen das Angebot, an einer Beruflichen Oberschule zu arbeiten. Die besten Chancen hatten Referendare mit der Fächerkombination Mathematik und Physik, die an den bayerischen Gymnasien fehlt. Von den Bewerbern mit anderen Fächerkombinationen wurden dagegen oft nur die drei bis fünf Jahrgangsbesten übernommen. Ähnlich schlecht waren die Einstellungschancen dieses Jahr für Grundschullehrer: Von 2460 Bewerbern wurden nur 845 festangestellt, 180 bekamen einen befristeten Vertrag.

An Beruflichen Schulen, Realschulen und Mittelschulen war die Einstellungssituation deutlich besser. Allerdings könnte es an den Realschulen im nächsten Jahr ähnlich schwierig werden wie heuer an den Gymnasien. "Wenn wir wie vorgesehen Stellen abgeben müssen, wird das eine massive Arbeitslosigkeit zur Folge haben", sagt Anton Huber, Vorsitzender der bayerischen Realschullehrer. Und das, obwohl die Anzahl der Schüler an den Realschulen entgegen den Prognosen des Kultusministeriums ständig steigt. Vertreter aller Lehrerverbände monieren, dass ausgezeichnete Pädagogen auf der Straße stehen, während sie an den Schulen dringend gebraucht würden.

Auch bei den Eltern trifft die Einstellungspolitik des Kultusministeriums auf Unverständnis. Bei Susanne Arndt, der Vorsitzenden der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern, häufen sich schon jetzt - nicht einmal eine Woche, nachdem die Schule angefangen hat - wieder die Klagen über den Ausfall von Unterricht. Die Eltern der Klasse 3d der Richard-Higgins-Schule in Fürstenfeldbruck haben sogar einen Brief an das zuständige Schulamt geschrieben, als sie erfuhren, dass die Lehramtsanwärterin, die die Klasse hauptsächlich unterrichtet hatte, nicht übernommen werden würde. "Wir, die Elternschaft, finden es nicht in Ordnung, diese Entscheidung an einer Note festzumachen", schreiben sie. Die junge Frau "fördert unsere Kinder sehr engagiert und brachte sich das ganze Jahr über mit vollem Einsatz für unsere Kinder ein", heißt es weiter. Als Lehrerin leiste sie "eine ganz wunderbare pädagogische Arbeit". Geholfen hat das nichts. Die junge Frau wurde trotzdem nicht übernommen.

Julius Müller hat inzwischen eine Stelle am Pädagogik-Lehrstuhl der Universität Augsburg bekommen, auf der er promoviert. Doch einige der jungen Lehrer aus seinem Seminar hätten aus Verzweiflung Angebote von Privatschulen angenommen, wo sie im Prinzip als billige Arbeitskräfte missbraucht würden, sagt er. Wer unterschreibt, müsse sich an einigen Einrichtungen verpflichten, kostenlos Nachhilfeunterricht zu geben oder 1000 Euro Strafe zu zahlen, wenn eine Klausur nicht pünktlich korrigiert wird.

© SZ vom 16.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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