Bildungspolitik in Bayern:300 Schulen bekommen längere Öffnungszeiten

Bildungspolitik in Bayern: Durcheinander bei der Verpflegung: Manche Kinder bekommen ein Mittagessen, andere eine Brotzeit.

Durcheinander bei der Verpflegung: Manche Kinder bekommen ein Mittagessen, andere eine Brotzeit.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Im kommenden Schuljahr wird es in Bayern an 300 Grund- und Förderschulen von montags bis freitags eine Ganztagsbetreuung geben. An einem Drittel von ihnen läuft sie sogar bis 18 Uhr.
  • Auch eine Ferienbetreuung soll für die Schüler angeboten.
  • In den folgenden Jahren soll das neue Angebot um tausend Gruppen pro Schuljahr ausgeweitet werden - bis der Bedarf an Ganztagsbetreuung in Bayern gedeckt ist.

Von Anna Günther und Christian Sebald

Im Freistaat wird es vom Schuljahr 2015/16 an in 300 Grund- und Förderschulen von montags bis freitags eine Ganztagsbetreuung geben. An einem Drittel von ihnen läuft sie sogar bis 18 Uhr. Das haben Ministerpräsident Horst Seehofer und die Vorsitzenden der kommunalen Spitzenverbände am Dienstag in der Staatskanzlei in München besiegelt. Außerdem wird im Rahmen des Modells eine Ferienbetreuung für die Schüler angeboten, deren Eltern das wünschen. In den folgenden Jahren soll das neue Angebot um tausend Gruppen pro Schuljahr ausgeweitet werden - bis der Bedarf an Ganztagsbetreuung in Bayern gedeckt ist.

Damit will Seehofer seine Ganztagsgarantie aus dem Jahr 2013 zumindest zum Teil einlösen. Er hatte damals versprochen, dass bis 2018 für alle Schüler bis zum Alter von 14 Jahren eine Ganztagsbetreuung angeboten wird. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Kurz vor Ablauf der selbstgesetzten Frist bis Ostern gelang der Staatsregierung und den Kommunen die Einigung. Daran habe nicht mal er selbst geglaubt, sagte Seehofer. Er nannte die neue Kooperation "sensationell". Die Staatsregierung reagiere mit dem Pilotprojekt auf die Vielfalt der modernen Lebensmodelle und erhalte die Entscheidungsfreiheit der Eltern. Sie können auch in Zukunft wählen, ob sie ihre Kinder in eine Halbtagsschule mit oder ohne Mittagsbetreuung, einen Hort oder eben den neuen offenen Ganztag geben.

Wie die Ganztagsbetreuung aktuell geregelt wird

Bisher ist die Ganztagsbetreuung ein völliges Durcheinander. An vielen Grundschulen dauert sie nur über die Mittagszeit bis 14 Uhr, an anderen geht sie bis 15.30 oder 16 Uhr. Sehr oft werden die Gruppen ehrenamtlich von Eltern organisiert, die nun um ihre Projekte bangen. Freitags wird an vielen Grundschulen überhaupt keine Betreuung angeboten.

Wildwuchs herrscht auch bei der Verpflegung: In manchen Einrichtungen erhalten die Kinder warmes Mittagessen, in anderen eine Brotzeit. Auch die Hausaufgaben werden verschieden gehandhabt - an einer Schule spielen die Kinder, im Nachbarort können sie auch ihre Hausaufgaben erledigen - alleine oder mit Unterstützung.

Das größte Problem für Eltern sind allerdings die Ferien: Dann sind die meisten Ganztagsgruppen geschlossen. Nur die wenigsten Grundschüler haben einen Platz in einem Hort. Dabei ist ein Hort die Einrichtung, die sich die allermeisten Eltern wünschen. Dort können die Kinder auch in den Ferien kommen, sie werden oft bis 18 Uhr betreut und erledigen unter Anleitung von Fachkräften ihre Hausaufgaben.

Wer die Kinder betreuen soll

Mit dem neuen Konzept soll das Durcheinander ein Ende haben. Der Freistaat will die Angebote vereinheitlichen und sie in seine Regie und die der Kommunen überführen. Ein wichtiger Schritt ist, dass künftig nur noch Fachkräfte die Kinder betreuen sollen. Damit verschärft sich freilich das Buhlen der Kommunen um Erzieher und Sozialpädagogen.

Denn anders als beim gebundenen Ganztag werden die Kinder im offenen Angebot nachmittags nicht von Lehrern unterrichtet, sondern von Erziehern betreut. Eltern, die sich bislang ehrenamtlich engagierten, können sich zur "Ergänzungskraft" weiterbilden.

Den Kommunen ist die Ausweitung der Betreuung auf fünf Werktage und bis 18 Uhr besonders wichtig. Sie soll nun an wenigstens 100 Modellschulen eingeführt werden. Dieser Schritt ließ die Kommunen letztlich einlenken. Außerdem einigten sich Freistaat und Kommunen, dass sie künftig gemeinsam den Bedarf an Gruppen ermitteln. Neu ist auch, dass das Kultus- und das Sozialministerium sich gemeinsam um die Betreuung kümmern. Wie steinig der Weg bis zu der Einigung war, konnte man bei der Unterzeichnung allerdings nur erahnen, so umfangreich war das gegenseitige Lob der Diplomatie und Kompromissbereitschaft.

Warum die Kommunen Spaenles ersten Vorschlag ablehten

In seinem ursprünglichen Vorschlag hatte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) nur die Betreuung von montags bis donnerstags und bis maximal 16 Uhr übernehmen wollen. Falls die Kommunen längere Betreuungszeiten sowie Freitags- und Feriengruppen wünschen, hätten sie diese nach Spaenles ursprünglichem Konzept selbst anbieten und finanzieren müssen.

Die Kommunen, allen voran die großen Städte unter Führung des Nürnberger OB und Vorsitzenden des bayerischen Städtetags, Ulrich Maly (SPD), lehnten dies strikt ab. Sie forderten eine "Betreuung aus einem Guss" (Maly) und ließen die bereits im November geplante Unterzeichnung des Ganztagspakts platzen.

Auch jetzt wollte Maly nur von einem "ersten Schritt" sprechen. Wirklich zufrieden sei er erst 2018, wenn Seehofer sein Ganztags-Versprechen eingelöst und jedes Kind einen Ganztagsplatz habe. Maly forderte erneut, dass der Freistaat mehr Geld in die Ganztagsbetreuung pumpen muss, damit sie ihren Namen wirklich verdient.

Wie die Opposition auf die Pläne reagiert

Ähnlich sieht das die Opposition: Grüne, SPD und Freie Wähler bezeichneten das Pilotprojekt als ersten Schritt, auf den noch einige folgen müssten. 2750 Grund- und Förderschulen gibt es in Bayern. "Für die ganz große Mehrheit der Kinder bleibt alles wie gehabt - die zum Teil unzureichende Qualität und die Kosten für die Eltern", sagte die Vize-Chefin der Landtags-SPD, Simone Strohmeyer. Der nächste Schritt sei der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, das sei der schnellste Weg für ihren flächendeckenden Ausbau.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnen-Verband (BLLV) sieht das neue Konzept ebenfalls kritisch. "Die pädagogische Qualität muss unbedingt erhalten bleiben", sagte BLLV-Präsident Klaus Wenzel. Er favorisiert seit jeher die echte Ganztagsschule, in der sich Unterricht und Spiel den ganzen Schultag über abwechseln.

Bis zum Endausbau will der Freistaat 160 Millionen Euro in sein Ganztagsangebot investieren, bis zu 3000 Gruppen sollen so entstehen. Etwa der gleiche Betrag dürfte auf die Kommunen zukommen, sagte der Abensberger Bürgermeister und Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU). Genau lassen sich die Kosten aber erst abschätzen, wenn der exakte Bedarf ermittelt ist. Mit dem Pilotprojekt sind besonders die Städte und Gemeinden gefordert. Sie müssen die Betreuung koordinieren und ihre Schulen dafür ausbauen. Im Gegenzug können sie steuern, dass das Pilotprojekt keine Konkurrenz für ihre Horte ist.

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