Bildungspolitik:Grüne wollen Mittelschule reformieren

Schulprävention durch Bundespolizei

Schulprävention durch Bundespolizei 03.07.2019, Bayern, Kirchenlamitz: Der Bundespolizist Manfred Ludwig hält in einer Fünften Klasse der Grund- und Mittelschule einen Vortrag. Er klärt Kinder der Klassen 5 und 8 über Gefahren im Bahnumfeld auf, unter anderem über die Gefahren von Fotos im Bahngleis. Foto: Nicolas Armer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

(Foto: dpa)

Ein Entwicklungsplan soll das Potenzial dieser Schulart besser nutzen - denn das ist nach Ansicht der bildungspolitischen Sprecherin vernachlässigt.

Von Anna Günther

Wenn es um die Mittelschule geht, überbieten sich die Abgeordneten im Bildungsausschuss des Landtages oft in Beteuerungen, wie wichtig diese Schulart sei - und halten den Kollegen anderer Parteien dabei dann vor, die Mittelschüler zu vergessen. Diese Wortgefechte gehören zum Landtagsalltag. Für Anna Toman (Grüne) ist das viel Spektakel, aber zu wenig echte Hilfe. "Ich glaube, dass die Mittelschulen in der Schulpolitik bisher sträflich vernachlässigt wurden", sagt sie.

Toman ist zwar Teil des Spektakels, aber sie arbeitete bis zur Landtagswahl 2018 als Lehrerin an einer Mittelschule in der Oberpfalz. Sie fordert nun einen Schulentwicklungsplan für die Mittelschulen, um das Potenzial der Schulart besser zu nutzen, sowie eine eigene Stabsstelle im Kultusministerium, die sich um die Belange dieser gut 900 Schulen kümmert. Für optimale Lernbedingungen der Schüler müsse man sich zudem die Arbeitsbedingungen der Lehrer "genau und ehrlich" anschauen.

Fakt ist, dass Grund- und Mittelschulen besondere Herausforderungen meistern: Schüler aller sozialen Milieus treffen aufeinander, die Lehrer sollen sich um Inklusionskinder kümmern, Flüchtlinge integrieren und alle Mädchen und Buben individuell fördern. Zugleich fehlt seit Jahren Personal, obwohl alle Geeigneten einen Job bekommen. Zudem haben 2200 Realschul- und Gymnasiallehrer ohne Jobaussicht an ihrer eigenen Schulart bereits umgeschult. Aber die Nachfrage stagniert. Das Ministerium denkt sogar darüber nach, Quereinsteiger an Volksschulen zu beschäftigen, was bisher in Bayern tabu war. Damit die Mittelschulen als Arbeitsplatz attraktiver werden, fordert Toman mehr Geld für Volksschullehrer, die bisher weniger Gehalt bekommen als Kollegen an Realschulen und Gymnasien. Auch die Schulleiter müssten besser bezahlt werden und mehr Zeit für Leitungsaufgaben bekommen. Aber um sie zu entlasten, bräuchte es erst mehr Lehrer. Andere Bundesländer reagieren bereits mit höherer Bezahlung auf den Lehrermangel. In Bayern scheint das gleiche Einstiegsgehalt für alle noch keine Option zu sein.

Auch Anna Toman orientierte sich um, sie studierte Realschullehramt, bevor sie an die Mittelschule kam. Das Potenzial der Umsteiger müsse besser genutzt werden, "um die Schulart weiterzuentwickeln und nicht nur um Löcher zu stopfen". Gerade in Differenzierungsstunden könnten Umsteiger durch ihre "Doppelqualifikation" mehr leisten. Realschul- und Gymnasiallehrer studieren zwei Fächer intensiv, Volksschullehrer sind breiter aufgestellt.

Mehr Unterstützung durch das Ministerium fordert Toman bei der Entscheidung über die Zukunft von Kleinstschulen. Das dürfe nicht den Kommunen überlassen werden. Die Schulen bräuchten klare Aussagen zur Zukunft und finanzielle Sicherheit, statt Jahr für Jahr "zu hoffen, dass es irgendwie weitergeht". In Regionen, die mit Überalterung und Abwanderung kämpfen, buhlen Schulen um jedes Kind.

Entsprechend scharf kritisierte Lehrerverbandspräsidentin Simone Fleischmann den Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler), als dieser den Ausbau der Wirtschaftsschulen verkündete. Damit "beschleunige" er das "Schulsterben". Dahinter steckt das Gefühl, übrig zu bleiben. Wenn ehrgeizige Jugendliche an die Wirtschaftsschule oder den M-Zweig wechseln, um den mittleren Schulabschluss zu machen, wirkt sich das aufs Selbstwertgefühl der verbliebenen Schüler aus. Toman würde alle beisammenlassen: "Ich muss die M-Schüler nicht rausholen, um vertieft zu arbeiten." In ihrer Klasse habe sie Differenzierungsaufgaben verteilt. "Das hat der Klasse gutgetan und die Starken nehmen die Schwächeren mit."

Dass es im Ministerium eine Abteilung für Mittelschulen gibt, die Leitungszeit erweitert wird und Kleinstschulen seit Jahren subventioniert werden, nennt Toman "Blabla". Auch im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern steht der Erhalt der wohnortnahen, kleinen Schule. Toman reicht das nicht. Seit der Weiterentwicklung der Haupt- zur Mittelschule sei nichts passiert, sagt sie.

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