Bildungspolitik:Das soll sich beim neuen G 9 ändern

Bildungspolitik: Stuhlkreis statt Frontalunterricht: Mit einem neuen Lehrplan und neuen Methoden soll sich das künftige G 9 vom früheren unterscheiden.

Stuhlkreis statt Frontalunterricht: Mit einem neuen Lehrplan und neuen Methoden soll sich das künftige G 9 vom früheren unterscheiden.

(Foto: oh)
  • Bis Ostern soll die Entscheidung über acht oder neun Jahre Gymnasium fallen - bei einem positiven Beschluss könnten die ersten Kinder im Herbst 2018 mit dem neuen G 9 beginnen.
  • Nachmittagsunterricht soll es demnach erst von der 10. Klasse an geben, die Fremdsprachen beginnen weiterhin früher - auch inhaltlich muss manches überarbeitet werden.

Von Anna Günther

Zurück zum G 9 will in Bayern niemand. Zurück klingt nach alten Zöpfen, nach Staub und Schulstunden mit endlosem Frontalunterricht. Ein neues neunjähriges Gymnasium soll es sein, darin sind sich CSU, Verbände und die Opposition einig. Bis Ostern soll die Entscheidung über acht oder neun Jahre fallen, am Samstag tagt der von Ministerpräsident Horst Seehofer initiierte Kabinettsausschuss.

Trotzdem könnte es eng werden mit dem Zeitplan: Seehofer will bei der Entscheidung in der Landtagsfraktion dabei sein, aber bis Ostern treffen sich die Abgeordneten nur noch zwei Mal. Nächste Woche ist Seehofer in Berlin, übernächste findet der Spatenstich für die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München statt. Danach noch will sich die Fraktion mit dem Gymnasium beschäftigen. Das Votum weiter zu verschieben, kann die CSU sich kaum leisten, wenn die ersten Kinder im Herbst 2018 wieder im neunjährigen Gymnasium beginnen sollen. Aber wie unterscheidet sich das neue Konzept von Schulminister Ludwig Spaenle vom alten neunjährigen Gymnasium?

Lehrplan

Die Unterschiede zu Methode und Lehrplan des alten G 9 sind groß: Ende der Neunzigerjahre war Frontalunterricht üblich, gewürzt mit Gruppenarbeit. Heute ist kompetenzorientiertes Unterrichten angesagt, die Inhalte sollen die Jugendlichen teilweise selbst erarbeiten und dabei lernen. Im Herbst wird dieser neue Lehrplan Plus im Gymnasium eingeführt, ausgelegt ist er auf das G 8 und muss für das neue G 9 wieder überarbeitet werden. Dabei wird der Stoff nicht, wie eigentlich angedacht, auf neun Jahre gestreckt.

Der Lehrplan soll wieder mit Inhalten angereichert werden, um das Niveau des Gymnasiums mindestens zu halten und einen Run auf ein "Gymnasium light" zu verhindern. Denn dieser würde die Realschulen treffen und die Zahl der Übertritte aus dem Gleichgewicht bringen. Um den Lehrplan zu überarbeiten, haben die Experten des Ministeriums bis zum Herbst 2018 Zeit, denn die inhaltlichen Unterschiede zwischen G 8 und G 9 sind in den fünften und sechsten Klassen marginal. Entlastet werden die Kleinen dadurch, dass der Nachmittagsunterricht wegfällt. Der Lehrplan für die Oberstufe soll 2019 fertig sein.

Politik und Informatik

Kernfächer wie Mathe, Fremdsprachen und Deutsch sollen im neuen G 9 wieder gestärkt werden, aber an die Stunden im alten G 9 kommen sie nicht ran. Auch weil es damals Fächer wie Informatik nicht gab und Sozialkunde mit einer Stunde in der zehnten Klasse eine Randerscheinung war. Informatik bestand meist aus Robotik-Wahlkursen und Ausflügen in den Computerraum. Die Ausstattung war mies, Digitalisierung kein Thema. 13 Jahre später ist der politische Wille da - und die technische Ausstattung teilweise auch. Im neuen G 9 wird Informatik für alle Schüler Pflicht. Was sie genau lernen sollen und wo die Lehrer für dieses Pflichtfach herkommen, steht nicht in Spaenles Konzept. Im Bieterkampf mit der Wirtschaft kann der Staat aber wohl kaum mithalten.

Mehr Zeit bekommen auch politische Bildung und Werteerziehung, um Gymnasiasten besser auf gesellschaftliche Entwicklungen wie die neue Rechte oder Populismus vorzubereiten. Auch Ende der Neunzigerjahre gab es diese Themen, aber brisant wie heute waren sie nicht.

Fremdsprachen

Im alten G 9 begannen die Schüler in der siebten Klasse mit ihrer zweiten und in der neunten Klasse mit der dritten Fremdsprache. Im G 8 wurde beides um ein Jahr vorgezogen, das soll so bleiben. Diese Verschiebung war lange vor Edmund Stoibers G-8-Idee beschlossen worden, um mit den Sprachen zu beginnen, bevor Hormone den Schülern in der Pubertät den Kopf verdrehen. Und mehr Zeit haben die Kinder nur, wenn sie weiterhin früh beginnen. Einige Schulleiter erhoffen sich von der Entzerrung außerdem neuen Zulauf für die Sprachenzweige mit drei Sprachen, die derzeit wegen des G-8-Pensums an manchen Schulen kaum noch gewählt werden.

Oberstufe

Die Reform der Oberstufe wird in Spaenles Konzept nur angerissen. Wie die Qualifikationsphase weiterentwickelt wird, ist "unabhängig von der Entscheidung über die Lernzeit". Ein Zurück zu den alten Leistungskursen wird es wohl kaum geben. Anders als früher sollen Schüler auch künftig in fünf Fächern Abitur schreiben. Ob Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache Pflicht bleiben, ist nicht explizit erwähnt. In der alten Elften sollten sich die Schüler in allen Fächern vor allem an wissenschaftliches Arbeiten und das höhere Niveau vor dem Abitur gewöhnen. Diese Zeit zu reifen sollen sie wieder haben und zudem mit dem Projektseminar mehr Berufsorientierung bekommen. Besonders gute Schüler könnten die elfte Klasse überspringen, ins Ausland gehen oder in dieser Zeit an der Uni ein Schnupperstudium beginnen.

Überspringen

Überspringer waren im alten G 9 Exoten. Ein, zwei gab es pro Jahr und Schule, betreut wurden diese Überflieger kaum. Künftig sollen besonders Clevere begleitet und in kleinen Gruppen überspringen. Mit diesem G 8 im neunjährigen Gymnasium will Spaenle die G-8-Fans in der Fraktion überzeugen und all jenen Jugendlichen etwas bieten, die schneller zum Abitur kommen wollen. Die begabten Schüler werden drei Jahre lang mit Gesprächen und Förderunterricht vorbereitet. Welches Jahr übersprungen wird, bestimmen die Schulen. Ob wirklich 20 Prozent der Kinder das Angebot nutzen, bezweifeln Kritiker aber.

Nachmittag

Wie im alten G 9 sollen die Jüngeren künftig nachmittags frei haben. Erst in der zehnten Klasse beginnt der Nachmittagsunterricht. Eltern hoffen auf Entlastung, die Lehrer auf Spezialangebote für engagierte Schüler wie Experimentierkurse in Chemie und Physik oder Debattieren in Fremdsprachen. Aber: Fällt dieser Unterricht weg, gibt es wieder Hausaufgaben. Derzeit geben viele Lehrer wegen Nachmittagsunterricht kaum Hausaufgaben auf. Diese Zeit zum Lernen und Üben fehle spürbar.

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