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Bildungspolitik:Seehofer will neue Bildungsoffensive für alle Schularten

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Von Anna Günther, München

Im Zuge der neuen Reform des bayerischen Gymnasiums sollen auch die anderen Schularten nicht leer ausgehen. Das hatte Ministerpräsident Horst Seehofer zuletzt am Montagabend im Gespräch mit CSU-Bildungspolitikern gesagt. Er möchte eine Bildungsoffensive umsetzen, die weit über die Reform der Reform hinausgehen soll. Seehofer will Ruhe an den Schulen, und nur das Gymnasium mit Zeit, Geld und Stellen zu befrieden, könnte neuen Zwist bei den anderen auslösen. Das ist auch ein Versuch, die letzten G-9-Skeptiker der CSU-Fraktion zu überzeugen.

Mit seiner Offensive will Seehofer die Digitalisierung vorantreiben, in die Ausstattung investieren und Schulleiter entlasten. Vom Bildungspaket besonders profitieren sollen die Förder-, Mittel- und Berufsschulen, wobei auch für Real- und Grundschulen noch etwas bleiben dürfte. Wie teuer das Wunschkonzert wird, ist nicht bekannt. Die Verbände freuen sich bereits, kritisieren sie doch seit Langem, dass die politischen Debatten nur von der Diskussion ums Gymnasium bestimmt werden.

Die Förderschulen im Freistaat stehen oben auf Seehofers Liste. Denn dem Vernehmen nach soll sich Seehofer sehr über eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung geärgert haben, bei der Bayerns sonderpädagogische Förderung einen Platz im bundesweiten Mittelfeld bekommt und bei der Inklusion hinten eingeordnet wird. Gut ein Viertel der bayerischen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt in der Regelschule. Deutschlandweit ist es im Schnitt ein Drittel.

Dabei könnten mehr Kinder mit Förderbedarf in Grundschulen lernen, wenn schon sehr früh Schwächen erkannt und ausgeglichen werden, sagt Hans Lohmüller, der Vorsitzende des Sonderpädagogenverbands. Dafür bräuchten aber alle 820 Gruppen der Schulvorbereitenden Einrichtungen zwei Pädagogen. In diesen Vorschulen, die den Förderzentren angegliedert sind, muss sich oft eine Erzieherin allein um zwölf Kinder kümmern - genauso wie in Gruppen mit gesunden Kindern.

Soll Inklusion besser gelingen, müsste sich auch die Situation des Mobilen sonderpädagogischen Dienstes (MSD) verbessern. Diese Förderlehrer betreuen in den Regelschulen stundenweise Inklusionsschüler und beraten Lehrer. In diesem Schuljahr hat der MSD 15 550 Stunden für alle bayerischen Schulen und Kindergärten. "Wir brauchen doppelt so viele, um wirksamer zu sein", sagt Lohmüller. Das Problem ist: Es gibt nicht genug Förderlehrer. 800 Stellen könnten derzeit nicht besetzt werden, sagt Lohmüller. Das Ministerium ist auf Realschul- und Gymnasiallehrer angewiesen, die umsatteln, denn die Universitäten in Würzburg und München können nicht mehr Studenten ausbilden.

"Die Flüchtlinge werden uns viele Jahre beschäftigen"

Ein weiterer Schwerpunkt Seehofers soll die Integration der Flüchtlinge an Grund-, Mittel- und Berufsschulen sein. Mit 1800 Integrationsklassen ist es nicht getan, das ist der Staatsregierung längst klar. "Die Flüchtlinge werden uns viele Jahre beschäftigen, Integration ist nach diesen Klassen nicht erledigt", sagt Jürgen Wunderlich, der Chef des Berufsschullehrerverbands. Die Migranten kommen nach der Mittel- an die Berufsschule und im Idealfall zu einer Lehrstelle. "Wenn wir 15 Prozent durchbringen, sind wir gut dabei", sagt Wunderlich.

Experten und Politik hatten auf ein Drittel gehofft. Aber die Sprachbarriere sei enorm und selbst die Engagiertesten müssten auch in der Ausbildung intensiv betreut werden - idealerweise von Lehrern. "Aber ich frage mich schon, wieso wir lange warten müssen, wenn 1000 Stellen kein Problem sind?", fragt Wunderlich.

"Wenn die CSU ein gutes Gymnasium haben will, muss auch Geld für die anderen Schulen da sein", sagt die Lehrerverbandspräsidentin Simone Fleischmann. Brisant ist die Lage auch an Grund- und Mittelschulen. Weil Lehrer fehlen, sei in einigen Bezirken sogar der normale Schulbetrieb gefährdet. Die Realschullehrer haben das andere Problem: Es gibt deutlich weniger Jobs als angehende Lehrer. Und auf dem Land bangen viele Realschulen, dass ihnen ein neues G 9 potenzielle Schüler abziehen wird. Gymnasien klagen dagegen, dass wegen des G 8 viele geeignete Kinder an die Realschulen gehen. Und Kinder bedeuten Budget. Das ist nur eine der Fragen, auf die Schulminister Ludwig Spaenle bis Ostern Antworten liefern soll.

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SZ vom 10.03.2017
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