Bildung:Zwei Geschwindigkeiten

An 47 Gymnasien dürfen die Schüler wieder neun Jahre lernen

Von Anna Günther

Was in der Mittelstufe Plus auf sie zukommt, konnten im Frühjahr weder Lehrer, noch Schüler und ihre Eltern so genau wissen. Trotzdem wollten 60 Prozent der Siebtklässler an den 47 Modellschulen unbedingt am Projekt teilnehmen. An manchen Schulen mussten Schulleiter sogar offensiv für das G 8 werben, um noch eine Regelklasse zustande zu kriegen. Mehr Zeit, kaum Nachmittagsunterricht, und vor allem kein G 8 - das klingt nach einem verlockenden Ausweg aus dem stressigen Lernalltag am Gymnasium. 71 Schulen aus ganz Bayern bewarben sich für den zweijährigen Modellversuch. Die Auserwählten probieren, den Stoff der Mittelstufe in vier statt in drei Jahren zu vermitteln. Die Schüler sollen mehr Zeit haben, um in Ruhe zu lernen und ihre Hobbys zu pflegen. Anders als zunächst gedacht, wählten nicht nur die schwächeren Gymnasiasten den langsamen Weg. Auch die Engagierten wollen wieder Zeit für Sport oder Musikinstrumente haben.

Seit drei Monaten läuft die Mittelstufe Plus, einige Kinder nutzen die Zeit für Wahlkurse, andere fahren mittags schnurstracks heim. Sorgen bereiten den Lehrern eher die Chiller, die ein Jahr mehr Zeit mit weniger Lernen verwechseln. Doch hört man sich unter Plus-Schulleitern um, sind die meisten zufrieden und gehen davon aus, dass das Interesse im kommenden Schuljahr wieder ähnlich groß sein wird.

Auf Dauer hätte das Folgen für den Schulbetrieb. Denn budgetneutral, wie vom Ministerium gefordert, ist die Mittelstufe Plus langfristig nicht umzusetzen. Darin sind sich alle einig. Nur wenn der Stoff gedehnt wird, ist das Projekt sinnvoll, aber das bedeutet kleinere Gruppen und kostet Stunden - die in der Not anderswo gekürzt werden müssen. Die parallele Organisation von G 8 und Plus-Zweig wird den Stundenplanern noch einiges abverlangen - und mit jedem Jahr komplizierter werden. Hört man sich um, wabern auch Befürchtungen, dass G-8-Klassen gar nicht mehr zustande kommen oder Eltern, die keinen Plus-Platz bekommen, versuchen könnten, ihre Kinder einzuklagen.

"Budget ist immer endlich", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Bevor etwas entschieden werde, müsse man die Evaluation aller Plus-Schulen abwarten. Aus Sicht der SPD und des Philologenverbandes muss die CSU umdenken: Statt eines G 8 mit langsamerer Mittelstufe, auf die ebenfalls die anspruchsvolle Stressphase bis zum Abitur folgt, solle das Gymnasium wieder neun Jahre dauern, mit Überholspur für die Schnellen. Das sei einfacher zu organisieren. Doch davon will die CSU derzeit nichts wissen.

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