Bildung:Wo Tricksen in der Schule erlaubt ist

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Am Deggendorfer Robert-Koch-Gymnasium lernen Buben in einer Fußballklasse auch Täuschungsmanöver. Mit dem speziellen Angebot sollen Schüler, die keine Zeit mehr zum Training im Verein haben, gefördert werden. Mädchen haben sich im ersten Jahr noch nicht angemeldet

Von Anna Günther, Deggendorf

Dieser spezielle Duft nach Drogerie-Deo, Gummi und Jugendschweiß - unverwechselbar. Ach, Schulturnhalle. Man schwankt kurz zwischen Nostalgie und Naserümpfen. Die 30 Buben in der Turnhalle des Deggendorfer Robert-Koch-Gymnasiums nehmen weder den Geruch, noch den Besuch wahr. Sie dribbeln und üben dabei Tricks wie den Elastico - ein Täuschmanöver mit dem Fuß, das den gegnerischen Spieler verwirren soll. Die Wangen der Buben sind tiefrot, Zungen spitzen aus den Mundwinkeln. Rumgekickt wird vielleicht auf dem Pausenhof, das hier ist die Trainingsstunde der Fußballklasse. Und Sportlehrer Hermann Gillner fordert die Fünftklässler an diesem Nachmittag sehr: Er ruft im Stakkato Kommandos in die Runde, steigert und verringert ständig das Lauftempo. Die dribbelnden Fußballer folgen aufs Wort. Selten kullern Bälle davon. Die Buben strahlen.

Seit diesem Schuljahr gibt es am Robert-Koch-Gymnasium eine eigene Fußballklasse für Fünftklässler, das Konzept entwickelten die Sportlehrer Hermann Gillner, Jutta Rogler und Tobias Fischl. Gut ein Drittel der 800 Schüler am Robert-Koch-Gymnasium spielt in Fußballvereinen, schätzen die Pädagogen, Freizeitkicker gibt es ungleich mehr. Mit der Fußballklasse kommen sie dem Wunsch der Mädchen und Buben nach, die meist Fußballspielen wollen, wenn sie im Sportunterricht nach Wünschen gefragt werden. In der Profilklasse werden drei der fünf wöchentlichen Sportstunden zum Fußballtraining genutzt. Die Kinder lernen Regeln, taktische Kniffe und Spieltechniken. Nebenbei verbessern sie ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten, wachsen als Team enger zusammen und nehmen an Wettkämpfen teil. Die Sportlehrer sind lizenzierte Trainer des Deutschen Fußballbundes (DFB) und wollen mit der Klasse auch Kinder fördern, die wegen des Lernens fürs Gymnasium nicht mehr im Verein spielen können.

Diese Idee ist nicht neu, aber am Robert-Koch-Gymnasium geht sie weit über das Training im Klassenverband hinaus: Die Sportlehrer arbeiten mit Trainern des DFB-Leistungszentrums in Deggendorf zusammen, die regelmäßig eine Stunde halten und dabei besondere Talente erkennen sollen. An diesem Montag kommen zum Nachmittagstraining das DFB-Mobil samt externen Trainern am Gymnasium vorbei. Diese wollen die Buben der Fußballklasse besonders fordern und deren Lehrern die neuesten Kniffe zeigen. Von diesem Austausch profitieren nicht nur die kleinen Kicker: Sportlehrer Gillner bildet in einem Praxis-Seminar Oberstufenschüler zu DFB-Junior-Coaches aus. Die Großen helfen beim Training der Kleinen und üben dabei ihre eigenen Lerninhalte. Das Engagement der älteren Schüler gehe aber über die Lehrproben hinaus, sagt Lehrerin Rogler, "die Großen fahren auch zu den Turnieren und fiebern mit den Kleinen mit."

Profilklassen sind ein Trend an Bayerns Schulen, am Robert-Koch-Gymnasium etwa gibt es auch eine Theaterklasse, am Regensburger Goethe-Gymnasium eine Tanzklasse. Die spielerischen Elemente der "Kunst" werden dabei mit dem Unterricht verknüpft. Mehr Zusammenhalt in der Klasse und leichteres Lernen versprechen sich die Lehrer, die Schüler haben vor allem Spaß am Unterricht und entwickeln mehr Selbstbewusstsein als Gleichaltrige.

Es habe im Kollegium allerdings die Befürchtung gegeben, dass sich in einer Fußballklasse kleine Rowdys versammeln, erzählt Fischl. Die Realität zeigt das Gegenteil: Die Kinder sind außerordentlich höflich und fair zueinander. Das fällt sogar dem Besuch auf. "Wir lassen die Schüler oft ohne Schiedsrichter spielen, die regeln vieles alleine", sagt Fischl. Das könne man auch auf den Plätzen draußen beobachten, dort regten sich oft nur die Eltern auf.

Einen Schönheitsfehler hat die erste spezielle Fußballklasse: Weil sich zwar Mädchen informierten, aber keines anmeldete und es keine reine Bubenklasse geben sollte, sind die 30 Fußballer nun auf zwei fünfte Klassen verteilt. Jutta Rogler und ihre Kollegen bedauern das sehr. Seit Jahren trainiert Rogler die Mädchenmannschaften, schickt die Gruppen regelmäßig zu Schulsportturnieren, bei denen die Mädchen stets auf den vorderen Rängen landen. "Es gibt zwar mehr Buben an der Schule, die Fußballspielen, aber die Mädchen sind besser", sagt auch Fischl. Im vergangenen Schuljahr wählten mehr Mädchen als Buben den Wahlunterricht Fußball. Das Trainer-Trio führt das auch auf den Erfolg der Frauennationalmannschaft um Birgit Prinz, Nadine Angerer und Steffi Jones zurück. Und darauf, dass Kinder sich auf dem Land noch stärker in Vereinen engagieren. Die Lehrer hoffen, dass sich künftig auch Mädchen für die Fußballklasse anmelden.

Ziel ist, das Robert-Koch-Gymnasium zur DFB-Stützpunktschule zu entwickeln. Um Buben und Mädchen noch besser zu fördern - und das Schulprofil weiter zu schärfen. Wie an den meisten Landschulen in Bayern konkurrieren die Gymnasien untereinander um Kinder und auch mit den Realschulen. Die kleinen Kicker kümmert das an diesem Nachmittag wenig. Sie sind auf den Ball fixiert und üben wie ihre Idole aus der DFB-Elf. Die Farben der Trikots stimmen schon mal.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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