Bildung:Es darf ein bisschen mehr sein

Ministerpräsident Horst Seehofer spricht sich erstmals offen für ein G 9 aus. Nun muss er die Fraktion überzeugen, Antworten auf einen Fragenkatalog der Abgeordneten liegen jetzt vor. Aber ausgemacht ist noch nichts

Von Anna Günther und Wolfgang Wittl

Im CSU-internen Streit über die Reform des Gymnasiums erhöht Parteichef Horst Seehofer den Druck auf seine Landtagsfraktion. "Ich persönlich unterstütze Ludwig Spaenle bei seinem Vorhaben, für ein grundständiges G 9 zu planen", sagte Seehofer am Montag der Süddeutschen Zeitung. Damit spricht sich der bayerische Ministerpräsident erstmals öffentlich für eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren aus. Zugleich soll es Schülern möglich sein, das Abitur auch künftig nach acht Jahren zu absolvieren. "Das ist meine Haltung: Wir wollen ein G 9, wir wollen aber auch die Geschwindigkeit des G 8 beibehalten", sagte Seehofer.

Die Staatsregierung arbeitet damit immer deutlicher auf ein G 9 mit zwei Geschwindigkeiten hin. Kultusminister Spaenle hatte sich bereits in einer Fraktionssitzung vor zwei Wochen für ein "grundständiges G 9" ausgesprochen. Seehofer wiederum hat vergangene Woche einen Kabinettsausschuss mit dem Ziel eingesetzt, die Reform des Gymnasiums in seinem und Spaenles Sinn herbeizuführen. Fraktionschef Thomas Kreuzer hingegen hatte zuletzt intern betont, die Entscheidung für ein G 8 oder ein G 9 sei noch völlig offen.

Für Seehofer kann davon offenbar keine Rede mehr sein. Er möchte Ruhe in der Schulpolitik - und das möglichst schnell. "Die Eltern haben ein Recht zu erfahren, wie es weitergeht mit ihren Kindern." Vor Ostern soll Klarheit herrschen, zumindest darin stimmen Fraktion und Staatsregierung überein. Am kommenden Dienstag lädt der CSU-Arbeitskreis Bildung alle Fraktionsmitglieder zu einer Besprechung ein. Spaenle soll in dieser Sitzung seine Pläne vorlegen und Fragen beantworten. In der Fraktionssitzung tags darauf wollen sich die Abgeordneten dann festlegen, welches Gymnasium Bayern bekommen soll. "Dann geht es hopp oder top", sagt ein CSU-Mann. Fraktionschef Kreuzer war am Montag nicht zu erreichen, er befindet sich diese Woche mit dem CSU-Arbeitskreis Justiz auf Auslandsreise.

Seehofer forderte seine Fraktion erneut auf, seinem Politikstil zu folgen. "Wir müssen den Willen der Menschen respektieren. Für wen machen wir denn Politik?" Was die CSU sich im Moment an Diskussionen leiste, "das bekommt uns insgesamt nicht", sagte Seehofer mit Blick auf die internen Debatten zum Wahlrecht, zum dritten Nationalpark und zur Unterstützung von Angela Merkel als Kanzlerkandidatin. Gleichzeitig machte er klar, wer die Linie vorgebe: "Die Regierung hat die Aufgabe zu führen." Er wisse nicht, ob in einem anderen Bundesland die Beteiligung der Fraktion so groß sei wie in Bayern, sagte Seehofer. Der Dialog mit Verbänden, Eltern und Schülern zum Gymnasium habe für ihn folgende Erkenntnisse gebracht: Gewünscht seien "mehr Zeit fürs Lernen, mehr Qualität und Konsens für alle Beteiligten", sagte der Ministerpräsident: "Nur so erreichen wir eine Befriedung."

Worüber Spaenle der Fraktion kommende Woche berichten wird, ist bereits weitgehend bekannt. Es sind die Antworten auf einen Fragenkatalog, den die CSU-Bildungspolitiker an das Kultusministerium geschickt hatten - und den Seehofer in der jüngsten Kabinettssitzung als eine "Art Scheidungsurkunde" bezeichnet hatte. Spaenle will mit seinem Konzept nun auch die eigenen Abgeordneten überzeugen. Gegen das G 8 spreche, dass individuelles Lernen zwar möglich sei, aber nicht ausreiche, "um auf aktuelle pädagogische, gesellschaftliche und bildungspolitische Entwicklungen angemessen reagieren zu können". Die Spielräume zur Weiterentwicklung des G 8 "sind in den entscheidenden Punkten erschöpft", steht in dem Papier.

Inhaltlich decken sich die 46 Seiten zum großen Teil mit den Ideen der Verbände. Entsprechend zufrieden ist Michael Schwägerl, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes. "Das sind ohnehin all die Punkte, die wir seit 2014 wollen und in den vergangenen Wochen bis ins kleinste Detail mit Fraktion und Ministerium besprochen hatten." Heinz-Peter Meidinger, der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, wünschte sich laut Münchner Merkur jedoch konkretere Angaben über den Weg für künftige G-8-Schüler.

Im neuen G 9 sollen nach Spaenles Vorstellungen besonders Informatik und politische Bildung gestärkt werden. So wird der IT-Unterricht - anders als jetzt - in allen Zweigen Pflicht. Der Politikunterricht soll zwei zusätzliche Stunden bekommen, verteilt auf Geschichte und Sozialkunde. Religion und Ethik erhalten jeweils zwei Stunden mehr. Grundsätzlich gilt: Kein Fach soll künftig weniger Stunden haben. Kritiker sehen damit die gewonnene Zeit durch ein G 9 schon wieder zerrinnen, denn auch Kernfächer wie Mathematik, Deutsch und die Fremdsprachen sollen zwei bis drei Stunden mehr in der Woche unterrichtet werden.

Den Sorgen in der Fraktion, das Gymnasium verliere an Niveau, stellt das Ministerium "bewährte Qualitätsmerkmale" entgegen: Auch im neuen G 9 soll es beim Fünf-Fächer-Abitur und mindestens zwei verpflichtenden Fremdsprachen bleiben. Die zweite soll wie bisher in der sechsten Klasse beginnen. Auch sonst soll sich für die fünften und sechsten Klassen wenig ändern, die Pläne für die anderen Jahrgangsstufen werden noch überarbeitet. Wer das Abitur bereits nach acht Jahren absolvieren will, soll darauf drei Jahre lang vorbereitet werden. Welches Jahr übersprungen werden darf, legt jede Schule selbst fest.

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