Bildband:Die spröde Schöne

Der wahre Charme Nürnbergs erschließt sich Besuchern nicht auf den ersten Blick. Die Halbmillionenstadt will eher behutsam erobert werden. Einen besonderen Weg wählt der Fotograf Oliver Acker - er sieht auf sie herab

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der Plärrer ist einer der Plätze, die Nürnberg schon viel Reputation gekostet haben. Eilige, die sich nur kurz in der Stadt aufhalten, kommen meist mindestens am Bahnhofsplatz und am Plärrer vorbei, dem historischen Verkehrsknotenpunkt der Halbmillionenstadt. Und wenn da einer zu schnellen Urteilen neigt, dann kann das äußerst uncharmant ausfallen für die Stadt. Etwa so: Nürnberg - das ist der Ort, der den Charme von Chemnitz kurz nach der Wende zu konservieren versucht hat. Das ist ein bisschen unfair, weil die historische Arbeiterstadt im Norden Bayerns immer schon zu wenig Geld für großflächig aufgelegte Schminke hatte (und in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten keine Zäsur wie etwa Chemnitz). Das ist aber auch ein bisschen wahr: Würde man einen Ortsunkundigen mit verbundenen Augen zum Plärrer führen, ihm dort die Binde abnehmen und ihn fragen, wo er ist - der Mann hätte wohl keine Chance zu erraten, dass er sich in der zweitgrößten Kommune des angeblichen Vorstufen-Paradieses namens Freistaat Bayern aufhält.

Nun gibt es aber den Luftbildfotografen Oliver Acker, und wenn der den Plärrer mit seinen Augen sieht, schaut das alles noch mal ganz anders aus. Vor sieben Jahren hat Acker an einer Cessna 172 Skyhawk die Seitentür ausgebaut, um besser fotografieren zu können, und seither fängt er vor allem die Stadt Nürnberg mit seiner Kamera ein. Den Plärrer zum Beispiel, der durch die Augen Ackers nicht mehr Bayerns Ort schlechthin ist, um Schwermut möglichst stilsicher auszuleben - sondern eine geheimnisvoll schimmernde geometrische Figur, von der man den Eindruck bekommen könnte, sie stehe kurz vorm Durchbruch zum süddeutschen Place to be.

Acker freut sich natürlich, dass man das so sehen kann, aber so richtig in den Kram passen ihm Loblieder momentan nicht. Zwar hatte er sich schon mal vor drei Jahren um einen Platz auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt beworben und sich gute Chancen ausgerechnet, dort mit seinen Fotobüchern einen Stand betreiben zu dürfen: ein regionales Produkt, ein Handwerk mit künstlerischem Wert, alle Bedingungen erfüllt. Aber geklappt mit dem begehrten Stand hat es dann erst 2016. Dort wiederum waren die Nürnberger so angetan vom in der Luft entdeckten Charme ihrer am Boden stellenweise spröden Stadt, dass sie Acker kein Exemplar seines im Selbstverlag erschienenen Werkes "Das Nürnberg-Buch, Teil 2" mehr übrig ließen. In ein paar Monaten hofft Acker, wieder welche in der Hand halten zu können.

Das Nicht-Spröde, das die Stadt auch reichhaltig zu bieten hat, findet sich bei Acker natürlich auch: Die Kaiserburg geht ohnehin immer, das inselarartige Zeltner-Schloss, früherer Herrschaftssitz in Nürnberg-Gleißhammer, ist schon eher was für Feinschmecker. Am imposantesten aber wirken die unwirtlichen Orte durch Ackers Linse: das Quelle-Ungetüm, die Kläranlage, der Bahnhofsplatz. Sehenswert.

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