Süddeutsche Zeitung

Volksfest in Bayern:"Fressen und Saufen, das geht noch"

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Für Liebhaber von Volksfesten beginnt jetzt die Hochsaison. Doch die Schausteller müssen kämpfen - das erkennt man vor allem am Verschwinden einer uralten Volksfesttradition.

Von Hans Kratzer, München

Das Gäubodenvolksfest, eines der größten Volksfeste in Bayern, ist am Montag zu Ende gegangen. Liebhaber von Bierzelten und Fahrgeschäften müssen trotzdem nicht verzweifeln. Mit dem Heraufdämmern des Herbstes beginnt in Bayern der letzte Reigen großer Volksfeste, der auf der Münchner Wiesn in sein alles überstrahlendes Finale mündet.

Wie attraktiv das Phänomen Volksfest ist und welche Wirtschaftskraft dahintersteckt, zeigen die Zahlen des Gäubodenvolksfestes. Gut 1,4 Millionen Gäste sind dort in elf Tagen gezählt worden, 30 000 mehr als 2016. Gerade die großen Volksfeste sind Publikumsmagneten wie eh und je, während viele kleine ums Überleben kämpfen. Laut dem Verband Deutscher Schausteller gibt es in Deutschland knapp 5000 Schaustellerbetriebe.

Und doch leidet die Branche. Die Transport- und Personalkosten sind hoch, die bürokratischen Hürden auch, die Gewinnmargen sinken, die Zahl der Feste schrumpft. Nicht überall sind sie solch ausgeprägte Identifikationsfaktoren wie in Straubing, wo am Ende schon wieder die Tage bis zum Beginn des nächsten gezählt werden: Nur noch 350 Mal schlafen ...

Darum verschwinden die Schiffsschaukeln

Viele Ortschaften achten darauf, dass ihre Volksfeste nicht übermäßig oktoberfestifiziert werden und ihren lokalen Charme bewahren. In dieser Woche läuft noch die Landshuter Barthlmädult, die rund um den Bartholomäustag (24. August) gefeiert wird. Dieses Volksfest ist aus einem uralten Jahrmarkt hervorgegangen, die Landshuter Dult gibt es seit 1339. Aber auch dort ist der technische Wandel nicht aufzuhalten.

Ein allgemeines Indiz ist das Verschwinden der Schiffschaukeln. Die technische Aufrüstung auf dem Spielgerätesektor und die Sensationen der digitalen Welt machen den Betreibern langsam den Garaus. Können heutige Kinder überhaupt noch schaukeln? "Nein", sagt der Schausteller Edmund Diebold, "diese Technik beherrschen nicht mehr alle. In der virtuellen Welt kennen sie sich besser aus."

Auch Thomas Kreiß besitzt noch eine Schiffschaukel: "Es wird immer schwieriger, die Leute werden bequemer. Sie setzen sich lieber irgendwo rein, wo sie sich selber nicht bewegen müssen", hat er beobachtet.

"Fressen und Saufen, das geht noch", sagt Günther Haimerl, der Vorsitzende des Schaustellerverbands Ostbayern. Deshalb verdienen viele Schausteller mittlerweile ihr Geld mit Imbissständen, Mandeln und glasierten Früchten. "Früher waren Volksfeste die Nummer 1 auf dem Vergnügungsmarkt", sagt Haimerl, "heute sind sie im Freizeitgeschäft ein Faktor von vielen."

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Quelle:
SZ vom 23.08.2017
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