Bier ist eine historische Konstante. Nicht nur in Bayern natürlich, aber doch wieder gerade hier. Reinheitsgebot, hohe, wenn nicht gar höchste Brauereidichte, Bierzeltkultur, „Hoch die Massen“, alles bekannt. Schade also, wenn ein Stück Biergeschichte erst aus dem Sperrmüll gefischt werden muss, bevor es entsprechend wertgeschätzt wird.
So geschehen vor 30 Jahren im schwäbischen Nördlingen, als ein Mann namens Michael Ott einen Bierkrug aus dem Bauschuttcontainer „gerettet“ hat. Ja, genau: gerettet. So steht das in der Mitteilung der Stadt und so soll es auch hier stehen. Der Krug ist schlicht und aus Stein, grau und vorderseitig bedruckt. Nur eines will nicht so recht stimmen, doch dazu gleich mehr.

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Denn vor allem ist der Krug ein Dokument seiner Zeit. Er stammt von Sixenbräu, einer einst großen Brauerei der Stadt, die allerdings bereits zum Zeitpunkt des Fundes zugesperrt hatte und heute weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden ist. Prominenteste Ausnahme: ziemlich sicher das Sixenbräu-Stüble, ein Wirtshaus mit „bayerisch-schwäbischer“ Küche, das Zeitungsleser mit überdurchschnittlich gutem Gedächtnis etwas sagen dürfte. Im Stüble wurde nämlich eines der Pressefotos 2019 aufgenommen, die der Bayerische Journalistenverband ehedem auszeichnete.
Der Krug, den Ott aus dem Container zog, wandert nun drei Jahrzehnte später jedenfalls ins Stadtmuseum, wo er der einzige seiner Art sein wird. Dort freut man sich ob der Schenkung, völlig zu Recht: Ein Krug auf einem Ausstellbrett macht sicher einiges her. Und eine solche herausgehobene Platzierung bringt das Bier kulturgeschichtlich dorthin, wo es hingehört. Ganz nach oben, praktisch ebenbürtig zu Wein, dem zweiten großen Kulturgetränk.
Eines aber ist an der Geschichte rätselhaft, und das ist die Größe des Kruges. Oder eher: die geringe Größe. Der Krug ist nämlich keine gescheite Mass, der Eichstrich liegt nicht bei einem Liter, sondern bei 800 Millilitern. Sicher hatte das anno dazumal einen triftigen Grund – aus heutiger Sicht würde man allerdings am liebsten „Betrug!“ rufen.
Ein Bier, das hat – Brauerei-Geschichte hin oder her – in Bayern gefälligst in Liter-, Halbliter- oder in ärgsten Ausnahmefällen (Pils!) in Drittelliter-Gefäßen daherzukommen. Alles andere sollte ein Fall fürs örtliche Ordnungsamt sein, nicht fürs Museum.