Süddeutsche Zeitung

Kohlensäuremangel:Das Kracherl in der Krise

Weil Kohlensäure knapp wird, haben die ersten Brauereien in Bayern ihre Produktion umgestellt. Bier gibt es noch - aber kein Limo mehr. Ein Aufschrei.

Glosse von Katja Auer

Das Limo ist ein wunderbares Getränk. Wenn es ganz frisch eingeschenkt ist, hüpft die Kohlensäure bis in die Nase und bizzelt hernach herrlich im Hals. Aus der Flasche getrunken, treibt es dem die Tränen in die Augen, der nicht rechtzeitig absetzt, und das kann schon passieren vor lauter Gier. Konnte zumindest, an diesen glücklichen Kindheitstagen in den 80ern, wenn es ausnahmsweise ein Kracherl gab, wie es in Bayern heißt.

Denn ein Limo - ja, ein Limo, "das" gilt in einigen Regionen Bayerns als korrekter Artikel für Limo - war besonderen Anlässen vorbehalten, beim Mittagessen im Wirtshaus zum Geburtstag der Oma vielleicht oder dem Feuerwehrfest. Ein gelbes Limo war besonders gut, weil es noch seltener war als das weiße, welches gelegentlich im Haus zu finden war. Allerdings nur, weil es die Erwachsenen mit Bier vermischten.

Normalerweise gab es Apfelsaft. Den trüben, selbst gepressten, für den gesundheitsbewusste Großstädter damals schon eine Menge Geld bezahlt hätten - und die Kinder von damals heute auch. Aber damals hätten wir lieber öfter ein Limo gekriegt.

Heute gibt es Getränke in allen Farben, die nach Dingen schmecken, die nicht zwingend natürlichen Ursprungs sind. Oder was ist wohl die pflanzliche Grundlage einer Flüssigkeit, die blau ist und "Mountain Blast" heißt? Wegen des Konsums solcher Brühe werden manche Kinder den Mangel gar nicht also solchen erkennen, der uns gerade droht: Die Kohlensäure geht aus, deswegen haben die ersten Brauereien in Bayern die Limo-Produktion eingestellt. Doch der Aufschrei bleibt aus, deswegen sei er wenigstens hier formuliert: Kein Kracherl mehr, das geht doch nicht!

Es mag einer gewissen Abstumpfung geschuldet sein, die Energiekrise bringt ja gerade allerlei Einschränkungen mit sich. Brennholz wird teurer, Gas ist knapp, Senf soll bald ausgehen und Papier auch. Wer denkt da auch noch an Kohlensäure. Nun lassen Brauereien also Limo und Wasser weg, um wenigstens weiter Bier herstellen zu können. Im Sinne des Bayern-Prosit-Gemütlichkeit-Klischees ist das wohl folgerichtig.

Ein Glück nur, dass die Volksfestsaison auf das Ende zugeht und das Bier für die Wiesn längst gebraut ist. Sonst drohte gar noch eine Bier-Krise. Und eine solche nähme wohl unabsehbare Ausmaße an.

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