Kino:Wo bist du Zuhause?

Land des Honigs

Was bedeutet Heimat? Etwa in Nordmazedonien, wo der Film "Land des Honigs" diese Frage stellt...

(Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Die Frage nach der Herkunft hat sich vom volkstümelnden Gefühl zum Leitwort bis zum Kampfbegriff gewandelt. Mit der "Biennale Bavaria International" gibt es nun ein neues bayerisches Filmfestival, das dem Begriff der Heimat auf vielschichtige Art gerecht werden will.

Von Josef Grübl, München

Wenn Heimat nicht nur ein Gefühl ist, sondern auch ein Ort, dann hat das neue Heimatfilmfestival sechs Heimaten. In Altötting, Burghausen, Mühldorf, Trostberg, Wasserburg und Haag in Oberbayern soll die neue "Biennale Bavaria International" stattfinden, mit Filmvorstellungen, Diskussionsrunden, Ausstellungen, Lesungen, Konzerten und Comedy-Abenden. Das Thema Heimat soll von allen möglichen Seiten aufgerollt werden: Heimat ist Leitwort und Kampfbegriff zugleich, die einen verbinden damit Identität und Geborgenheit, andere Volkstümelei und Konservatismus. Und aufgrund von Herkunft und Prägung versteht sowieso jeder Mensch etwas anderes darunter. Wie sehr um die Deutungshoheit des Heimatbegriffs gekämpft wird, wie politisch er ist, sieht man auch, wenn es um Grenzschutz, Globalisierung oder Geflüchtete geht. Wer sich kulturell also mit Heimat beschäftigen will, sollte nicht nur ein paar Filme mit Dialekt sprechenden Menschen aufführen.

Das weiß auch Günther Knoblauch, der mit dem Kulturmanager Peter Syr 2017 den Verein gründete, der diese neue Biennale veranstaltet. "Wir wollen mit unserem Festival auch ein Zeichen gegen die Spaltung der Gesellschaft setzen", sagt Knoblauch. "Es soll eine Anregung sein, dass sich die Leute wieder mehr einbringen." Die ersten Schritte hat der ehemalige Mühldorfer Bürgermeister, der zudem einige Jahre lang Mitglied des Bayerischen Landtags war, gemeinsam mit seinen Helfern getan: Sie überzeugten Landkreise, Städte und Kommunen, Tourismusverbände und die bayerische Filmförderung; nebenbei brachten sie ein Team aus Förderern und Unterstützern zusammen. Dazu gehören auch die Schauspielerinnen Johanna Bittenbinder, Corinna Binzer und Kathi Leitner oder der Kameramann Stefan Biebl. Als Schirmherren für die erste Festivalausgabe konnten der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn sowie die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, gewonnen werden.

A Black Jesus

... oder in einem sizilianischen Städtchen wie im Film "A Black Jesus".

(Foto: Filmdelight)

Sie werden auch im Laufe des fünftägigen Festivals erwartet, das am Mittwoch, 15. September, mit Marcus H. Rosenmüllers "Beckenrand Sheriff" eröffnet wird - und zwar an allen sechs Festivalorten. Zudem ist eine Eröffnungsgala im Mühldorfer Kino "Hollywood am Inn" geplant. Dass die jüngste Komödie von Rosenmüller, der den bayerischen Heimatfilm in den vergangenen 15 Jahren geprägt hat wie kein anderer, derzeit überall in den Kinos läuft, stört die Festivalmacher angeblich nicht. Es gehe nicht um Exklusivität, sagt Knoblauch, das Motto der Biennale Bavaria International laute ja "Best of Fest".

Von den 42 Filmen liefen die meisten bereits bei anderen Festivals

Das heißt: Von den 42 Filmen liefen die meisten bereits bei anderen Festivals, bei der Berlinale, den Hofer Filmtagen oder beim Filmfestival Max Ophüls Preis. Das heißt aber auch: Der Kampf um die Filme ist groß - und es gibt schon viele nationale und internationale Festivals, die sich mit attraktiven Premieren schmücken wollen. Eine neu ins Leben gerufene Biennale, die, wie der Name es verrät, auch nur alle zwei Jahre stattfinden soll, hat es da also schwer. Wenn sie dann noch in keiner der großen Metropolen stattfindet, ist die Suche nach exklusivem Programm beinahe aussichtslos.

Man kann die Sache aber auch so sehen: Die Filme, die auf dem Biennale-Spielplan stehen, haben sich woanders bewährt, an deren Qualität lässt sich also kaum etwas bemäkeln. Einige von ihnen waren schon regulär in den Kinos zu sehen, der für zwei Oscars nominierte Dokumentarfilm "Land des Honigs" aus Nordmazedonien etwa oder die österreichische Jelinek-Verfilmung "Die Kinder der Toten". Andere Produktionen wie Christian Lerchs bayerischer Jugendfilm "Das Glaszimmer" oder der Münchner Dokumentarfilm "Lionhearted" werden erst in den nächsten Wochen oder Monaten in den Kinos anlaufen. Es gibt vier Kategorien, auch Filmpreise sollen vergeben werden. Unter dem Begriff Heimat lassen sich viele Geschichten erzählen, aus dem In- und Ausland, historisch oder in die Zukunft schauend.

Um dem Festivalprogramm eine Form zu geben, überließ man die Filmauswahl einem Kurator: Joachim Kurz ist Kritiker und Betreiber einer Online-Filmplattform; er achtete auf eine ausgewogene Mischung aus deutschen und internationalen Produktionen, aus Spiel- und Dokumentarfilmen, aus Filmen für Kinder und für ein älteres Publikum. "Wir wollten Problemaufrisse machen und Perspektiven zeigen", erzählt Kurz am Telefon, die Filmauswahl stehe für sich - es gebe aber einige interessante Überschneidungen mit Ausstellungen oder Lesungen.

Von der ersten Idee bis zur Festivalpremiere vergingen fünf Jahre, wegen der Pandemie hat sich die Planung etwas verzögert. Gab es Überlegungen, das Festival ins Internet zu verlagern, so wie es im Frühling das Münchner Dok-Fest oder das Landsberger Snowdance Festival vorgemacht haben? "Das haben wir früh ausgeschlossen", sagt Kurz. "Uns war bewusst, dass die Etablierung eines neuen Festivals in der Region online nicht klappen würde." Günther Knoblauch pflichtet ihm bei, der erfahrene Politiker denkt aber nicht nur ans Kino. Er möchte diesen Teil von Oberbayern, der nicht ganz so bekannt ist wie das Oberland oder der Chiemgau, attraktiver machen. "Wir wollen damit eine Stärkung der Filmwirtschaft erreichen", sagt Knoblauch, "schließlich kann man bei uns auch sehr gut drehen."

Biennale Bavaria International, Festival des Neuen Heimatfilms, Mi., 15., bis So., 19. September, www.biennale-bavaria.de

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