Bienensterben:Die Natur lässt uns keine Zeit mehr

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Laut der Imkerin Karin Staffler unser drittwichtigstes Nutztier: die Biene. (Foto: Catherina Hess)

Die Honigbiene bekommt als Nutztier zu wenig Aufmerksamkeit. Wenn wir warten, bis die ganze Welt mitmacht, wird es nichts mehr zu retten geben.

Gastkommentar von Karin Staffler

Vergangene Woche hat mich ein Nachbarskind gefragt: "Müssen deine Bienen auch gerettet werden? Um die kümmerst du dich doch!" Stimmt, und es gibt viele Kollegen, die das auch tun. Nachdem die Zahl der Honigbienen in Deutschland jahrelang drastisch zurückgegangen war, wurden in den vergangenen zehn Jahren Imker vermehrt geschult. Die Einsicht setzte sich durch: Für ein vernünftiges und erfolgreiches Imkern ist verbesserte Aus- und Weiterbildung entscheidend. Die Hoffnung war, dass damit die Zahl der Bienen wieder steigen würde.

Mittlerweile hat sich das Imkern zu einem beliebten Hobby entwickelt. Die Zahl der Imker und auch jene der Bienenvölker wächst seit ein paar Jahren. So gab es 2018 rund 191 000 Bienenvölker, die beim Landesverband Bayerischer Imker gemeldet waren. Da viele Hobbyimker wie ich nur wenige Völker haben, liegt die Gesamtzahl der Bienenvölker weit hinter der von vor dreißig Jahren - damals waren es noch rund 350 500. Dennoch gibt es heute wieder zwanzig Prozent mehr Völker als beim Tiefstand im Jahr 2012. Die Zunahme der Völker bedeutet aber nicht, dass es die Honigbiene leicht hätte. Wild lebende Honigbienen sind nur noch sehr selten zu finden; sie sind so gut wie ausgestorben. Die Honigbiene ist auf den Imker angewiesen.

München, Volksbegehren "Rettet die Bienen!" demonstriert in München (Video: jetzt.de)

Auch wenn wir Imker uns um unsere Bienen kümmern, so haben wir doch jedes Jahr mit dem Ausfall von Völkern zu kämpfen. Ein großer Teil fällt der Varroamilbe zum Opfer, aber auch andere Umstände machen den Bienen zu schaffen. Das Nahrungsangebot wird knapper, denn zu unterschiedlichen Zeitpunkten blühende Pflanzen, Hecken und Bäume gibt es immer weniger. Das kann jeder sehen, der mit offenen Augen übers Land fährt, sobald der Raps abgeerntet worden ist - danach gibt es nicht mehr viel, was den Bienen genügend Nahrung bietet, und es wird immer weniger.

Und dann ist da natürlich der vermehrte Einsatz von Pestiziden. Die Stoffe sind nicht unmittelbar tödlich, wirken sich aber insbesondere auf Gehirn und Darm der Bienen aus. Manche finden nicht mehr zurück zum Stock, andere werden so geschädigt, dass sie kurze Zeit, nachdem sie mit den Stoffen in Kontakt gekommen sind, sterben. Viele Völker sind so geschwächt, dass sie den Winter nicht mehr überleben. Es ist eher die Ausnahme denn die Regel, dass alle Völker überleben.

Die Honigbiene bekommt als drittwichtigstes Nutztier viel zu wenig Aufmerksamkeit. Wenn jeden Winter zehn bis zwanzig Prozent aller Rinder und Schweine sterben würden, wäre die Toleranz wohl nicht ganz so groß.

Auch als Imkerin kann ich also die Bienen nicht immer retten. Viele Wildbienen, aber auch andere Insekten und Falter, die keinen Imker haben, der sich um sie kümmert, sind in den Jahren für immer aus unserem Leben verschwunden. Auch wenn wir viele Arten nicht sehen, spielen sie dennoch eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem. Retten können wir sie nur gemeinsam. Wenn wir warten, bis die ganze Welt mitmacht, warten wir, bis es nichts mehr zu retten gibt. Deshalb ist nun das Volksbegehren Artenvielfalt eine große Chance.

Wir brauchen eine Natur, die auch unseren Kindern die Möglichkeit gibt, darin zu leben. Ich möchte unserem Nachbarskind nicht irgendwann erklären müssen, warum wir, obwohl wir es wussten, nichts gegen das Insektensterben getan haben. Wir alle haben viel zu lange zugeschaut, jetzt läuft uns die Zeit davon. Natürlich können unsere Politiker den Artenschutz immer weiter verschieben, sie können noch einmal zählen und neue Statistiken erstellen lassen. Sie können wieder verhandeln über den Artenschutz. Aber die Natur verhandelt nicht!

Karin Staffler, 43, ist Imkerin aus Augsburg.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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