Bibliothek Passau:Hausmeisterin findet vergessenen Münzschatz

Geputzt wurde die Schatulle immer, doch hineingeschaut hat nie jemand. Bis jetzt die Hausmeisterin der Staatlichen Bibliothek in Passau einfach mal den Deckel hebt - und mehr als 170 historische Münzen entdeckt. Doch die Belohnung fällt dürftig aus.

Ulrike Heidenreich

Es kann so simpel sein, einen Schatz zu finden. Die Passauer Hausmeisterin Tanja Höls hat einfach den Schlüssel in einer seit Jahrzehnten unbeachteten Holzschatulle umgedreht und darin wertvollste Münzen entdeckt. Der Wert der historischen Stücke dürfte im sechsstelligen Euro-Bereich liegen. Der Fundort: ein Speicher der Staatlichen Bibliothek in Passau.

Passau, Staatliche Bilbliothek, historische Münzen

Durch Zufall wurden in der Staatlichen Bibliothek Passau 172 historische Münzen gefunden. Der Wert dürfte im sechsstelligen Bereich liegen.

(Foto: dapd)

Es sind 172 Münzen und schwere Medaillen aus Silber, Bronze und Kupfer, die fein säuberlich in Schubladen sortiert waren. Sie sind griechischen, römischen, byzantinischen Ursprungs, aus der Zeit Napoleons und des Barocks. Der Leiter der Staatlichen Bibliothek, Markus Wennerhold, kann noch gar nicht so richtig glauben, was da in einem Magazinraum im vierten Stock des ehemaligen Jesuitenalumnats in der Passauer Michaeligasse verborgen war. Das Haus wurde zwar in den Jahren 1630 bis 1639 erbaut und ist sozusagen gespickt voll mit Antiquitäten - erlebt hat der wissenschaftliche Bibliothekar einen derartigen Fall aber noch nicht: "Es passiert mal, dass man Bücher, die nicht elektronisch verzeichnet sind, aufstöbert, aber nicht einen Schatz." Die sehr gut erhaltenen, "ganz wunderschönen Stücke" haben die verschiedensten Größen und Gewichte: Die so genannten Brakteaten aus der Spätantike und dem Mittelalter sind fingernagelgroße, einseitig gestempelte Silberbleche, die als Zahlungsmittel verwendet wurden. Sie sind nur ein halbes bis ein Gramm schwer. Das größte Prunkstück hingegen wiegt 200 Gramm, es ist eine handtellergroße silberne Gedenkmedaille.

Die Schatulle aus hellem Holz stand im vierten Stock neben allerlei Antiquitäten. "In unseren Magazinen sieht es aber nicht aus wie in der Rumpelkammer", betont Bibliothekschef Wennerhold. Die Schatulle sei regelmäßig geputzt worden, nur hineingeschaut habe halt niemand. Bis auf Tanja Höls in der vergangenen Woche. Die 43-Jährige ist gelernte Floristin und arbeitet seit eineinhalb Jahren als Hausmeisterin in der Staatsbibliothek. "Ich habe schon von Kindesbeinen an kleine Truhen und Schachteln gesammelt, die hübsche Schatulle hat mich einfach interessiert", erzählt sie. Als sie die Münzen darin entdeckte, brachte sie sie sofort dem verblüfften Bibliotheksleiter.

Markus Wennerhold vermutet, dass die Schatulle zu einer wertvollen Münzsammlung der Passauer Fürstbischöfe gehörte. Während der Säkularisation im Jahr 1803, als viele Kirchenschätze in Archive nach München gebracht wurden, sei sie wahrscheinlich gezielt im Haus versteckt worden. So entgingen den Steuerbeamten des bayerischen Kurfürsten ganz offensichtlich die wertvollsten Münzen der Sammlung. Die Schmuckmedaillen oder ein Unikat zur Gründung der Passauer Jesuitenkirche sind nicht abgegriffen, kaum angefasst worden.

Dass der Schatz buchstäblich vergessen und aus den Augen verloren wurde, erfuhr Bibliotheksleiter Wennerhold, als er seinen Vorgänger kontaktierte. "In den vergangenen Jahrzehnten wussten zwar einige von den Münzen, haben sich aber nie etwas dabei gedacht." Sie wurden einfach in der Schatulle gelassen. Somit sei der Passauer Fund als Wiederentdeckung zu werten. Einen Finderlohn kann die Hausmeisterin deshalb auch nicht erwarten, ihr Chef will sie aber demnächst zum Essen einladen.

Tanja Höls meint trotzdem umso mehr, dass sie einen "Traumjob" habe: "Ich kenne jeden Winkel des Hauses, werde die Augen künftig aber noch mehr offen halten." Die Bibliothek in der Drei-Flüsse-Stadt ist eine der ältesten öffentlichen Büchersammlungen Deutschlands, verfügt über bedeutende Altbestände im Bereich der Theologie und der Jesuitica. Im kommenden Jahr, wenn die Passauer Staatsbibliothek ihr 400-jähriges Bestehen feiert, will man die Münzen ausstellen. Wennerhold wird bis dahin mit Numismatikern deren Wert, vermutlich im niedrigen sechsstelligen Bereich, eruieren.

Die Schatzsuche hat alle angesteckt: Inmitten von Handschriften und zigtausenden Bänden lauert seit ewigen Zeiten ein ausgestopftes Krokodil. Es stammt aus der Naturaliensammlung des Klosters St. Nikola und war im Jahr 1803, als die Kirchenschätze abtransportiert wurden, zu groß für den Wagen. Niemand weiß so genau, wo das Krokodil herkommt. "Wir schauen mal im Magen nach, ob dort noch ein Missionar drinnensteckt", verspricht der Bibliothekar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: