Bibeltreue Urchristen:Aus für die Schule der "Zwölf Stämme"

Spaenle will ´Zwölf Stämme"-Schule schließen

Ein Kind der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" wird in Klosterzimmern im Kreis Donau-Ries (Bayern) privat unterrichtet. Damit soll laut Kultusministerium nun Schluss sein.

(Foto: dpa)

Das bayerische Kultusministerium hat der Sekte "Zwölf Stämme" die Lizenz für ihre Privatschule entzogen. Den Urchristen wird vorgeworfen, keine qualifizierten Lehrer zu beschäftigen und ihre Kinder mit Stöcken zu züchtigen. Nun steht eine Machtprobe mit der Glaubensgemeinschaft bevor.

Von Beate Wild

Sexualkunde steht nicht auf ihrem Lehrplan, dafür ein intensives Studium der Bibel: Die fundamentalistische christliche Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" betreibt in Bayerisch-Schwaben seit sieben Jahren eine private Schule für die eigenen Sprösslinge - doch nun ist Schluss damit. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) entschied am Mittwoch, der Gruppe die Genehmigung für die religiöse Privatschule zu entziehen, weil sie die Auflagen des Ministeriums nicht erfüllt habe.

Bis zum 1. Juni hätte die umstrittene Sekte, die seit dem Jahr 2000 mit ungefähr 100 Mitgliedern in Klosterzimmern im Landkreis Donau-Ries lebt, dem Kultusministerium nachweisen müssen, dass an ihrer Privatschule, an der etwa 20 Kinder unterrichtet werden, geeignete Lehrer arbeiten. Auch sollte sie zu den erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen, die Schüler würden im Unterricht gezüchtigt und von der Teilnahme an externen Prüfungen abgehalten. Doch die urchristliche Glaubensgemeinschaft zog es vor zu schweigen.

"Wir handeln im Sinne der Kinder", sagte Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums zu Süddeutsche.de. Das Durchsetzen der Schulpflicht sei wichtig, damit die Kinder die Chance hätten, ordentlich lesen und schreiben zu lernen und jene Qualifikationen zu erwerben, die man zum selbständigen Überleben im Alltag brauche. "Sie müssen die Möglichkeit haben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und später zu entscheiden, welchen Beruf sie ergreifen wollen und ob sie in der Glaubensgemeinschaft bleiben möchten."

Nur einer von acht Lehrern der Schule sei ein ausgebildeter Pädagoge, und dieser Mann sei obendrein schon seit Längerem nicht mehr regelmäßig anwesend. Alle anderen hätten Berufe wie Hebamme oder Rettungssanitäter erlernt und nicht die nötige Qualifikation, um Kinder zu unterrichten. Die Glaubensgemeinschaft hat sich auf Anfrage von Süddeutsche.de bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

"Wer seine Kinder liebt, schlägt sie"

Die körperliche Züchtigung im Unterricht kann man der Sekte bislang nicht nachweisen. Dass die fundamentalen Christen zu Hause ihre Kinder mit Schlägen maßregeln, haben einige Mitglieder der Gemeinschaft aber bereits im Februar erstmals zugegeben. Alfred Kanth, der Leiter des zuständigen Jugendamts Donau-Ries wurde Zeuge dieses Geständnisses und sagte zu Süddeutsche.de: "Sie berufen sich auf das Alte Testament: Wer seine Kinder liebt, schlägt sie."

Die Sekte deute Schläge nicht als Misshandlung, sondern als elterliches Recht. Die Eltern argumentierten damit, dass in anderen Ländern die elterliche Liebe auch mit körperlicher Züchtigung ausgedrückt werde, dort sei die Erziehung mit der Rute das Übliche. Wegen dieses Geständnisses läuft gegen die Mitglieder der Zwölf Stämme derzeit ein familienrechtliches Verfahren, die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt.

Aussteiger erzählen von Züchtigungen

Dass die Fundamentalchristen ihre Kinder züchtigen, behaupten auch Aussteiger, die vor einem Jahr im Focus ihr Schicksal öffentlich machten. Mindestens dreimal täglich würden die Kleinen auf den nackten Hintern, Rücken, Arme und Beine geschlagen, berichteten sie. "Es ging nicht darum, ob man etwas Schlechtes getan hatte, sondern darum, uns innerlich zu brechen."

Erzwingungshaft und Bußgelder

Begonnen hat der Konflikt zwischen dem Kultusministerium und der Sekte schon 2002. Damals weigerte sich die Glaubensgemeinschaft aus religiösen Gründen, ihre Kinder auf eine Regelschule zu schicken. Weil aber das Kultusministerium auf der Schulpflicht der Kinder bestand, kamen 2004 sieben Väter sogar tagelang in sogenannte "Erzwingungshaft". Die von den Behörden verhängten Buß- und Zwangsgelder hatten sich auf 150.000 Euro addiert. Doch die Sektenmitglieder gaben nicht nach.

Schließlich räumten die Behörden der Gruppe 2006 eine Sondergenehmigung für eine Privatschule ein. Auflage für die Ausnahmelizenz: Die Schüler sollen an den offiziellen Abschlussprüfungen des Freistaats Bayern teilnehmen. Außerdem muss mindestens ein Lehrer mit offiziellem Lehramtsstudium an der Schule unterrichten. Doch gegen diese Vorgabe soll die Schule seit Längerem verstoßen haben.

Zum 31. Juli, also zum Ende des Schuljahres, läuft für die "Zwölf Stämme" die Anerkennung als Privatschule nun aus. Und da das Kultusministerium sich noch gut an den Konflikt erinnert, der in der Beugehaft einiger Väter endete, ist man auf neuen Ärger gefasst. Doch das Kultusministerium will die Schulpflicht für die betroffenen Kinder durchsetzen - auch wenn das zu einer größeren Kraftprobe werde könnte. "Zum 1. August müssen die Kinder wieder an einer Schule eingeschrieben werden, an der die Schulpflicht erfüllt werden kann", sagt Unger.

Gerüchten zufolge denken die "Zwölf Stämme" nun über einen Umzug nach Tschechien nach - um der Schulpflicht für ihre Kinder aus dem Weg zu gehen.

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