Bezirkskliniken Mittelfranken:Nawratil und der große Graben

Bezirkskliniken Mittelfranken Bezirkstagspräsident Richard Bartsch und Helmut Nawratil

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU, r.) steht fest zu Helmut Nawratil.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Helmut Nawratil ist seit 2012 Vorstand der mittelfränkischen Bezirkskliniken. Er ist höchst umstritten.
  • Leitende Mitarbeiter sind offenbar schon vor mehr als einem Jahr auf Distanz zum Chef gegangen.
  • Auch ein Coaching kam zu dem Ergebnis, dass das Modell von Nawratil "zukünftig nicht mehr funktionieren" werde.

Von Uwe Ritzer, Ansbach

"Peer-Coaching" sagen Fachleute aus dem Personalwesen dazu, wenn Kollegen einer Firma sich zusammensetzen, Probleme oder verfahrene Situationen besprechen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam eine Strategie aus der Misere suchen. Auch Führungskräfte der Bezirkskliniken Mittelfranken treffen sich im Sommer 2017 zu einem solchen Peer-Coaching.

Sie behandeln ein heikles Thema: die Amtsführung ihres ins Gerede gekommenen Vorgesetzten Helmut Nawratil. Was dabei herauskommt, ist brisant, denn es lässt den Schluss zu, dass der umstrittene Ein-Mann-Vorstand in seiner engsten Führungsriege längst an Rückhalt verloren hat und die anderen Manager sich mit den Zuständen nicht mehr länger abfinden wollen.

Als sie sich zum Peer-Coaching treffen, ist Nawratil schon seit Monaten Zielscheibe anonymer Briefe voller Vorwürfe. Sie betreffen sein Geschäftsgebaren und seine Menschenführung. Nun ist ein Teil der Anschuldigungen durch die SZ und später auch andere Medien in die Öffentlichkeit gelangt. Doch vor allem Bezirkstagspräsident Richard Bartsch und seine CSU-Parteifreunde stehen fest zu Nawratil - bis heute. Für sie ist er nicht nur ein erfolgreicher Chef der psychiatrischen Bezirkskliniken mit ihren 3000 Mitarbeitern, sondern Opfer einer Schmutzkampagne anonymer Gegner und der Medien. Eine Sicht, die spätestens jetzt nicht mehr haltbar ist.

Denn die Ergebnisse des Peer-Coachings zeichnen ein anderes Bild. Offenkundig waren nicht nur anonyme Untergebene unzufrieden mit Nawratils Führungsstil, sondern auch das nahezu komplette Management der Klinikfirma ging auf Distanz zum Vorstand. Und das bereits vor mehr als einem Jahr. Der Süddeutschen Zeitung liegt die schriftliche, vertrauliche Zusammenfassung des Peer-Coachings vor. "Das bisherige (Führungs-)Modell Nawratil wird zukünftig nicht mehr funktionieren", heißt es in der ausführlichen E-Mail vom 3. August 2017, die der damalige Personalchef der Bezirkskliniken verfasst hat.

Und zwar offenkundig im Einklang mit seinen Kollegen aus dem Management, darunter Nawratils Stellvertreter Matthias Keilen und Kai Schadow sowie nahezu alle Bereichs- und Stabsstellenleiter.

Die Führungskräfte selbst scheinen Angst vor Nawratil zu haben, der zum Zeitpunkt des Peer-Coachings bereits längere Zeit abwesend ist. Was an sich nicht weiter schlimm ist, wie seine Kollegen befinden. "Es läuft gut, wenn der Vorstand nicht da ist, besser als wir erwartet haben", heißt es in der Zusammenfassung. Allerdings bestehe "die Befürchtung", dass Nawratil nach seiner "Rückkehr "Inventur" macht und jedem sagt, was falsch gelaufen ist, obwohl wir den Eindruck haben, es war überwiegend richtig, wie wir gehandelt haben".

Was geschah nach dem Coaching?

Ganz offensichtlich gibt es generell eine Kluft zwischen der Wahrnehmung der Klinikfirma durch Nawratil und die anderen Führungskräfte. "Wie überbrücken wir das", will der Personalchef wissen.

Die Frage richtete sich an eine externe Personalberaterin, die seit geraumer Zeit die Führungskräfte der Bezirkskliniken coacht. Für sie ist die Zusammenfassung bestimmt. Denn ein Workshop steht an, und die Beraterin wollte von den Teilnehmern wissen, welche Themen dort behandelt werden sollen. Auf Anfrage erklärte eine Kliniksprecherin, der Vorgang stünde in Zusammenhang mit einem breit angelegten Führungskräfte- und Teamentwicklungsprozess, den Nawratil selbst bereits 2013 angestoßen habe. Die E-Mail stelle "einen wichtigen und seitens des Vorstandes gezielt geführten, aber einzelnen Baustein aus der Entwicklung der Führungskompetenz und dem wichtigen Unternehmenskulturwandel dar".

Unbeantwortet seitens der Bezirkskliniken blieb, was danach geschah. Die Themen des Peer-Coachings seien "in die Workshop-Planung eingeflossen", weicht die Sprecherin aus. Doch gab es auch Konsequenzen? Wurde Bezirkstagspräsident Bartsch als Verwaltungsratschef der Kliniken über den bröckelnden Rückhalt für den Vorstand informiert? Und vor allem: Erfuhr Nawratil selbst von den wenig schmeichelhaften Bewertungen seiner Kollegen und wie hat er darauf reagiert?

"Ganz allgemein" nur könne sie mitteilen, so die Sprecherin, "dass der Vorstand über die Durchführung des Workshops informiert war". Der Rest bleibt im Dunkeln. Zwei der insgesamt sieben in Zusammenhang mit dem Peer-Coaching genannten Führungskräfte haben die Firma inzwischen verlassen, auf eigenen Wunsch. Die Verbliebenen warten wie alle Mitarbeiter und die Öffentlichkeit mit Spannung auf die Ergebnisse einer externen Sonderprüfung, die Mitte September vorgestellt werden und über Nawratils Zukunft entscheiden könnten.

Vor einem Jahr gingen seine Führungskollegen offenkundig noch davon aus, dass er ihr Chef bleiben wird. Entsprechend vorsichtig liest sich die Zusammenfassung ihres Peer-Coachings. Man wolle ihn "unterstützen, eine "neue" Führung zu etablieren", heißt es da, womit wohl eine andere Führungskultur gemeint war. Vom "Überbrücken" unterschiedlicher Wahrnehmungen zwischen Vorstand und restlichem Führungsteam ist die Rede von Vertrauensverlust, weil immer wieder "Informationen aus dem engsten Kreis nach außen gelangen", obwohl "keiner der Vorwürfe in der Presse" doch wirklich zuträfe.

Allerdings scheint damals schon gehöriger Druck im Kessel gewesen seien, der nichts mit Medienberichterstattung zu tun hatte. Wohl nicht umsonst bat der Personalchef die Beraterin explizit, beim Workshop auch einen anderen Missstand zu besprechen: den "Graben zwischen Verwaltung und Klinik". Sprich, zwischen Nawratil und der Führung sowie den Ärzten und dem Klinikpersonal.

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