Beton-Bayern:Von wegen weniger Flächenfraß

Lesezeit: 2 min

Das neue System kann zwischen Fahrspuren und Grünstreifen unterscheiden. Letztere fallen nicht in die Statistik zum Flächenverbrauch. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Im Umweltbericht des Landesamtes für Umwelt wirkt es, als wären weniger Naturflächen bebaut worden.
  • Doch die vermeintliche Verbesserung beruht auf einer Berechnungsänderung.

Von Christian Sebald, München

Der Grünen-Abgeordnete Christian Magerl hat in seinem politischen Leben schon allerlei Überraschungen erlebt. Schließlich gehört er - abgesehen von einer fünfjährigen Pause - seit 1986 dem Landtag an. Aber die Lektüre des neuesten Umweltberichts des Landesamts für Umwelt (LfU) hat ihn dann doch sehr verblüfft. "In Bayern wurden im Jahr 2014 täglich 10,8 Hektar in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt", steht dort auf Seite 69 unter dem Stichwort "Flächenverbrauch".

10,8 Hektar, das wäre eine Sensation, dachte Magerl, das wäre ein unglaublich toller Schritt nach vorne. Schließlich betrug der Flächenfraß in Bayern in den vergangenen Jahren stets um die 18 Hektar am Tag. Für viele Experten ist er eines der drängendsten Umweltprobleme überhaupt. Und nun soll sich der Flächenfraß binnen Jahresfrist um ein gutes Drittel verringert haben?

Flächenfraß
:Unterwegs in Betonbayern

13 Hektar freie Landschaft gehen jeden Tag in Bayern verloren. Der Fotograf Robert Schlaug hat dokumentiert, was die Bauwut schon angerichtet hat.

Von Christian Sebald

Bei näheren Hinsehen löst sich die Sensation in nichts auf. Die neuen 10,8 Hektar Flächenfraß am Tag verdanken sich einer simplen Umstellung der Berechnungsmethode. Bis 2014 ermittelte das LfU den Wert auf Basis des sogenannten Automatisierten Liegenschaftsbuchs (ALB). Dessen Daten seien aber mit der Zeit immer mehr veraltet und ungenauer geworden, vor allem, was die exakte Nutzung der jeweiligen Flächen anbelangt, heißt es beim LfU. Aus diesem und anderen Gründen hätten die Vermessungsverwaltungen der Bundesländer schon 2000 entschieden, das ALB in ein neues System zu überführen, das sogenannte Alkis. Das Kürzel steht für das bürokratische Wortmonster "Amtliches Liegenschaftskatasterinformationssystem".

"All der Grund und Boden ist dennoch für die Landschaft und die Natur verloren"

Der große Vorteil von Alkis ist: Es ist sehr viel exakter als das ALB. So kann man mit Alkis bei Reihenhaussiedlungen zwischen Häuschen und Vorgärten und bei großen Straßen zwischen Fahrbahnen und Grünstreifen an den Rändern unterscheiden. Außerdem differenziert Alkis zwischen Bauland, das noch nicht bebaut ist, und Bauland, das längst zubetoniert wurde. Die schöne Folge für den Flächenfraß: Die Vorgärten, die Grünstreifen, die unbebauten Bauplätze und all das andere, was nicht im strengen Sinne des Wortes bebaut ist, fallen von nun an aus der Statistik heraus. Der Flächenverbrauch reduziert sich auf einen Schlag um etwa ein Drittel.

Für den Grünen-Politiker Magerl ist die neue Berechnung denn auch "Schönrechnerei". Seine Begründung: "All der Grund und Boden, der nun nicht mehr in der Statistik auftaucht, ist dennoch für die Landschaft und die Natur verloren." Das sehen sie am LfU offenbar ähnlich, auch wenn das offiziell keiner so sagt. Doch immerhin führen sie in ihrem Umweltbericht den Flächenfraß für die Jahre 2012 und 2013 nach alter und neuer Berechnung auf. Und an anderer Stelle heißt es: "Der Flächenverbrauch bleibt Brennpunkt des Umweltschutzes."

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wald als Geldanlage
:Die harte Währung Holz

Der Wald ist so begehrt wie lange nicht mehr. Nicht nur, weil manche in den Bäumen eine gute Geldanlage sehen.

Von Pia Ratzesberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: