Besuch im Kleingartenverein:Wo die Gartenzwerge noch nett aussehen

Ganz anders und stolz drauf. Wo man normalerweise abgesteckte Parzellen erwartet, herrscht scheinbare Anarchie. Es gibt es keine Zäune, dafür aber verschlungene Wege. Trotzdem müssen im Kleingartenverein Unterpfaffenhofen ein paar Regeln eingehalten werden.

Ulrike Heidenreich

Penibel abgezirkelte Parzellen und mit Wagenrädern dekorierte Gartenhäuschen. Beete, in denen die Pflanzen wie bei einer Militärparade stehen. Hinter jedem Strauch Gärtner in Gummistiefeln, die grimmig darüber wachen, dass kein Blättchen über ihren Zaun wächst. Unkraut traut sich hier schon lange nicht mehr her. So stellt man sich einen Kleingartenverein vor.

Bruck: FRÜHLINGSERWACHEN - Gartenzwerge wagen sich wieder ans Sonnenbad

Ein idyllischer Ort in Unterpfaffenhofen-Germering: Hier sehen sogar die gartenzwerge nett aus.

(Foto: Johannes Simon)

Und nun dies: Kieswege schlängeln sich ungeordnet durch Hecken. Zäune gibt es hier gar nicht, stattdessen deuten Spalierobst und Staudenrabatten einen Hauch von Abgrenzung an. Jedes Gartenhäuschen ist anders angestrichen, dekoriert oder bewachsen.

Gut, eine kleine grüne Hölle mit einem Bataillon Gartenzwerge gibt es hier auch, aber selbst diese Männchen schauen im Kleingartenverein Unterpfaffenhofen-Germering irgendwie ganz nett aus. Sie sind selbstbemalt und nicht aus dem gängigen Plastiksortiment im Baumarkt.

Wir sind hier ganz anders. Und wir sind schon stolz darauf", sagt Josef Hernicht. Der Chef der Kleingärtner ist 67 Jahre alt und war bis zu seiner Pensionierung als Beamter im bayerischen Sozialministerium tätig. Nun steckt er sein Engagement und seine Liebe in seinen Garten und in diesen Verein - als erster Vorsitzender.

Natürlich gibt es auch hier Kassierer, Schriftführer, Beisitzer und die übliche Vereinsmeierei mit Frühschoppen und Kaffeekränzchen. Doch von Anfang an, vor 30 Jahren, war die Ansammlung von 118 Parzellen im Kreuzlinger Feld als parkähnliche Landschaft geplant - und sie ist es bis heute geblieben.

Wenn ich andere Anlagen besuche, die wie auf dem Reißbrett angeordnet sind, fühle ich mich unwohl", sagt Josef Hernicht. Dass "seine" Kleingartenanlage, die sich über 50 000 Quadratmeter schlängelt, etwas ganz Besonderes ist, zeigen unzählige Auszeichnungen, die im Vereinsheim hängen.

Vor vier Jahren wurden die 118 Hobbygärtner aus dem Kreuzlinger Feld vom Bundesverband der Gartenfreunde mit dem Prädikat "Schönste Anlage Deutschlands" ausgezeichnet, für Bayern hatten sie die Urkunde bereits.

Es inspizieren immer wieder Besucher aus ganz Deutschland die Anlage, die bewusst offen konzipiert ist mit Ruheinseln unter Bäumen und einem Spielplatz. Bis aus Finnland, Japan und Korea kommen Interessierte, die Hernicht und seine Gartenfreunde dann durch ihre ziemlich große Oase führen.

Trotz aller Freiheit, Ordnung muss sein

Keine Parzelle gleicht der anderen: Eine mit tausend Tulpen und wie mit der Nagelschere geschnittenem Rasen folgt auf einen Künstlergarten, der nur auf den ersten Blick verwildert wirkt. Hier stehen Skulpturen zwischen Obstbäumen, an denen Muschelketten hängen.

Und das Kleingärtnerpaar, das hier gerade schwer am Ackern ist, meint: "Alle meinen, bei uns sei es schlampig, aber auch dieser Garten macht viel Arbeit." Der erste Vorsitzende sagt jedenfalls, dass man an jedem Garten den Charakter des jeweiligen Pächters erkenne, und betont: "Jeder kann machen, was er will."

Was allerdings nur zum Teil stimmt, denn eine zwölfseitige Gartenordnung der Germeringer regelt unter anderem, dass keine Pflanzen in Trauerformen gepflanzt werden dürfen. Trauerbirken oder Trauerweiden etwa. "Das sind typische Friedhofspflanzen, und ein Garten soll doch Freude machen", sagt Hernicht. Gehölze, die mehr als vier Meter Höhe erreichen können, fallen ebenfalls flach. Und Teiche dürfen laut Vorschrift nicht tiefer als 80 Zentimeter sein.

Herr Hernicht selbst nennt einen ziemlich großen Natur- und Nutzgarten sein eigen. Etwa 250 bis 300 Euro pro Jahr zahlt jeder Hobbygärtner, der laut Satzung in Germering wohnen muss, für Pacht, Wasser, Versicherungen und Mitgliedsbeitrag. Etwa 6000 Euro sind durchschnittlich anfangs für die Ablöse eines Gartens fällig.

Seit 1992 pflegt der pensionierte Beamte seine Parzelle. "Ich bin ein Tomaten- und Salatbauer", beschreibt er seine Passion. 50 verschiedene Sorten züchtet er, im akkurat gepflegten Nutzgarten wachsen Kohlrabi, Buschbohnen, Zwiebeln, Gärtnergurken so schnell, dass man fast zusehen kann.

"Nur mit meinen Radieschen habe ich kein Glück" seufzt er. Auf der Wiese des Kleingartenchefs dürfen sich Gänseblümchen und Löwenzahn austoben. Stolz ist er auf seinen Apfelbaum, auf dem drei Sorten wachsen: roter Boskop, roter Teufel und Jakobi. Josef Hernicht sagt: "Einfach hinsetzen, ins Grüne schauen und meine Ruhe haben - das ist mein ganzes Glück." Und sein kleiner Gärtnerverein natürlich auch.

Garten-Tipp von Josef Hernicht:

Beim Sommerschnitt für Obstbäume die sogenannten Wasserschosser, also jene senkrecht nach oben wachsenden jungen Triebe, nicht schneiden, sondern reißen. Die Wunde in der Baumrinde verheilt so schneller. Die Triebe sind wertlos für den Obstbaum, rauben ihm Kräfte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: