Berufungsverfahren:Ein Polizist sucht den Kick

Ein Polizeiamtsrat gibt sich gegenüber drei Frauen als Staatsanwalt aus - und macht ihnen eindeutige Angebote. Ein Gericht ordnet daraufhin seine Entfernung aus dem Dienst an. Nun hat Thomas O. Berufung eingelegt - doch erneut verhält er sich ziemlich seltsam.

Von Andreas Salch

Polizeiamtsrat Thomas O. braucht den "Nervenkitzel, um sich wohl zu fühlen". Da ist sich Deutschlands bekanntester Gerichtsgutachter, der Münchner Psychiater Norbert Nedopil, ganz sicher. Er hat den 49-jährigen Beamten vom Polizeipräsidium Würzburg untersucht. Den "Nervenkitzel", den Polizeiamtsrat O. in der Zeit zwischen Herbst 2008 und Februar 2009 suchte und der zu seiner Suspendierung führte, hatte es in sich.

Thomas O. gab sich gegenüber drei Frauen, gegen die ermittelt wurde, am Telefon als Staatsanwalt aus und machte ihnen eindeutige Angebote. So schlug er einer Prostituierten ein "sexuelles Treffen" vor. Einer anderen Frau, die eine Vergewaltigung vorgetäuscht hatte, drohte er mit einer harten Strafe, sollte sie sich nicht auf ein "Liebesspiel mit ihm einlassen". In keinem der drei Fälle kam es zu einem Treffen. Die Prostituierte lehnte ab. Die andere Frau, erklärte, sie habe keine Zeit und diejenige, die O. zu einem "Liebesspiel" aufforderte, zeigte ihn schließlich an.

Das Amtsgericht Würzburg ahndete die Eskapaden des Polizeibeamten - Amtsanmaßung, Titelmissbrauch und Verstoß gegen das Datenschutzrecht - mit einem Strafbefehl in Höhe von 10 000 Euro. Das Verwaltungsgericht Ansbach zog die disziplinarrechtlichen Konsequenzen aus der Sache und ordnete die Entfernung O.s aus dem Beamtenverhältnis an. Gegen diese Entscheidung legte der 49-Jährige am Mittwoch Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof München ein.

"Narzisstische Krise"

Er wisse bis heute nicht, was ihn damals geritten habe, räumte der suspendierte Polizeiamtsrat in der Verhandlung vor dem Senat für Disziplinarsachen ein. Psychiater Norbert Nedopil erklärte, dass Thomas O. zum Zeitpunkt der Vorfälle frustriert gewesen sei. Seine zweite Frau habe ein Kind von ihm bekommen, das er jedoch nicht gewollt habe. Da es sich bei dem Polizeiamtsrat um eine "narzisstisch akzentuierte Persönlichkeit" handle, die überdies die Neigung habe, nach Sensationen zu suchen, habe er sich durch die Geburt seines Kindes zurückgesetzt gefühlt, erklärte Nedopil. Dies habe zu einer "narzisstischen Krise" geführt. Indem sich O. als Staatsanwalt ausgab und Frauen einschüchterte, habe er versucht, das "eigene Gleichgewicht wieder zu rekonstruieren".

Dass Thomas O. nach wie vor Wert auf Macht legt, habe er sogar auf dem Weg in den Sitzungssaal des Verwaltungsgerichtshofs demonstriert, sagte Nedopil. Als ein Sicherheitsangestellter den 49-Jährigen am Eingang kontrollieren wollte, gab er an, er sei nach wie vor Polizeibeamter. Der Sicherheitsmann ließ O. daraufhin ohne Kontrolle gewähren. Doch das hatte der Vorsitzende Richter des Disziplinarsenats mitbekommen. Noch vor Beginn der Verhandlung forderte er O. persönlich auf, sich und sein schwarzes Aktenköfferchen vom Sicherheitsdienst durchsuchen zu lassen.

Thomas O. sagte am Ende der Verhandlung, dass er auch bereit wäre, statt bei der Polizei in einer anderen Behörde des Innenministeriums zu arbeiten. In Würzburg gäbe es da einen "interessanten Verwaltungsjob", meinte Psychiater Nedopil. Und zwar: "Prüfer der Weingüter". Das Amt sei sogar der Staatsanwaltschaft angegliedert. Ob Thomas O. aus dem Dienst entfernt wird, entscheidet sich heute.

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