Ausstellung in Augsburg:Strategische Freundschaft

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Mit seinen Bühnenbildern hatte Caspar Neher wesentlichen Anteil am Erfolg Brechts - hier ein Entwurf zu "Furcht und Elend des Dritten Reiches". (Foto: Kunstsammlungen & Museen Augsburg)

Eine Ausstellung im Grafischen Kabinett widmet sich der Beziehung zwischen Bertolt Brecht und dem Bühnenbildner Caspar Neher - der auch in der NS-Zeit sehr erfolgreich war.

Von Sabine Reithmaier, Augsburg

Der Titel ist doppeldeutig. "Wanderer zwischen den Welten" heißt die Augsburger Ausstellung, die der langjährigen Freundschaft zwischen Bertolt Brecht und dem Bühnenbildner Caspar Neher nachspürt. Die Schau lässt zwar keinen Zweifel daran, dass Brechts Jugendfreund zu den bedeutendsten Bühnenbildnern seiner Zeit gehört. Aber sie beleuchtet auch einen Aspekt, den andere Neher-Ausstellungen gern ausklammern: dessen Schaffen in der NS-Zeit. Denn Neher blieb im Gegensatz zum tatsächlichen Weltwanderer Brecht immer in Deutschland und hatte kein Problem damit, sich in der Welt der Nazis zu bewegen.

Der Bühnenbildner und der Schriftsteller, beide in Augsburg geboren, der eine im April 1897, der andere im Februar 1898, lernen sich als Schüler am Realgymnasium kennen und werden schnell enge Freunde. Ihre künstlerische Zusammenarbeit beginnt früh, Neher illustriert Brechts frühe literarische Versuche. Dass die beiden ganz unterschiedliche Charaktere sind, offenbaren ihre konträren Haltungen zum Ersten Weltkrieg. Neher meldet sich freiwillig. Brecht, der alles versucht, um der Einberufung zu entgehen, hat keinerlei Verständnis für dessen nationalen Enthusiasmus und lässt daran in Briefen nicht den geringsten Zweifel. "Du bist vielleicht ein Trottel ... du bist an allem schuld, was über dich kommt..."

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Skizzen, Aquarelle, Karikaturen und illustrierte Tagebucheinträge belegen den vertrauten Umgang, den die Freunde miteinander pflegen. 1924 geht Brecht nach Berlin. Neher folgt nach und hat mit seinen Bühnenbildern wesentlichen Anteil an dessen Erfolgen in der Weimarer Republik, schuf er doch die Bühnenausstattungen für Brechts und Kurt Weills "Dreigroschenoper" und "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny".

Für eine Trennung der Freunde sorgen die Nationalsozialisten. Im Gegensatz zu Brecht, der ins Exil geht, bleibt Neher und gliedert sich nach einem kurzem Berufsverbot in den nationalsozialistischen Kulturbetrieb ein, bewahrt sich aber seinen eigenen, reduzierten Stil. Von 1934 macht er Bühnenausstattungen zu Stücken von Hans Friedrich Blunck, Erwin Guido Kolbenheyer, Hans Leip, Gerhard Schumann oder Eberhard Wolfgang Möller, arbeitet also für die erste Garde der NS-Dichter. Was Brecht, als er nach seiner Rückkehr aus den USA wieder Kontakt zu Neher aufnahm, überhaupt nicht stört.

Was Brecht betrifft, kein Einzelfall, sagt Jürgen Hillesheim, Kurator der Schau und Leiter der Brecht-Forschungsstelle. Seiner Ansicht nach suchte Brecht ganz gezielt von den späten Vierzigerjahren die Nähe zu ehemaligen prominenten NS-Theaterleuten, jedenfalls dann, wenn es ihm aus strategischen Gründen nützlich schien. Den Theatergrößen, noch im "postnationalsozialistischen Selbstreinigungsprozess" (Hillesheim), kam das nur entgegen. Wenn sie Stücke des angeblichen Kommunisten und DDR-Aushängeschilds auf den Spielplan setzten, galten sie als progressiv oder zumindest als geläutert.

Ein Selbstbildnis von Caspar Neher aus den Zwanzigerjahren. (Foto: Andreas Brücklmair)

Brecht hingegen wollte unbedingt auf westdeutschen Bühnen präsent sein. "Ich kann mich ja nicht in irgendeinen Teil Deutschlands setzen und damit für den andern Teil tot sein", zitiert ihn Hillesheim. In seinem Bemühen, die "Dreigroschenoper" wieder auf die Bühne zu bringen, wandte sich Brecht beispielsweise an den Schauspieler, Ufa-Star und Publikumsmagneten Hans Albers. Er schrieb ihm, er habe, um den Erfolg des Stücks nicht zu gefährden, eine Fassung erstellt, "wo ich die Krüppel herausnahm, an denen man heute Anstoß nehmen könnte". Die Version mit Albers als Macheath führten die Münchner Kammerspiele 1949 auf, die Bühnenausstattung kam natürlich von Neher. Den übrigens Brechts ständiges Lavieren und Taktieren ziemlich nervte.

An die 40 Exponate aus den Beständen der Kunstsammlungen und der Brecht-Sammlung der Staats- und Stadtbibliothek sind auf die zwei kleinen Räume des Grafischen Kabinetts verteilt, darunter Serien mit Entwürfen zu Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reiches", geplant für die Schweizer Erstaufführung 1947 in Basel, oder zum unvollendet gebliebenen Dramenfragment "Der Wagen des Ares" aus dem Jahre 1948. Ein besonderes Fundstück aus dem Depot ist eine heroische Fahnenträgerin, die Neher für Brechts Drama "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" (1922) entwarf. Die Ölstudie in Grisaille-Technik diente als Vorlage für den Umschlag der 1932 erschienenen Erstausgabe.

Für "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" entwarf Neher dieses Motiv, das auch als Vorlage für den Umschlag der Erstausgabe diente. (Foto: Andreas Brücklmair)

Wie gut die alten Seilschaften funktionierten, belegt auch der Briefwechsel zwischen dem Bühnenbildner und Rolf Badenhausen aus den Jahren 1952 bis 1960. Badenhausen, während der NS-Zeit geschäftsführender Dramaturg unter Gustav Gründgens am Preußischen Staatstheater, war in dieser Zeit erst stellvertretender Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus - sein Chef hieß wieder Gründgens -, dann Referent des Generalintendanten am Württembergischen Staatstheater Stuttgart. Letzteren überzeugte er davon, "Das Leben des Galilei" auf den Spielplan zu setzen, natürlich mit dem Bühnenbild Nehers. Regie führte Günter Rennert, der spätere Intendant der Bayerischen Staatsoper, der schon während der NS-Zeit wiederholt mit Neher zusammengearbeitet hatte.

Badenhausen war es übrigens auch, der 1964 in Augsburg die erste große Neher-Ausstellung kuratierte. Dessen Bühnenschaffen unter der Nazi-Diktatur sparte er komplett aus, getreu dem Leitsatz, den Neher schon 1945 aufgestellt hatte. "Wollen wir doch das Gewesene so rasch wie möglich vergessen."

Wanderer zwischen den Welten - Die Freundschaft Caspar Neher - Bertolt Brecht , bis 25.6., Grafisches Kabinett, Maximilianstraße 48, 86150 Augsburg.

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