Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Bernried:Tauchgang zur Wahrheit

Die neue Dauerausstellung "Das Boot" im Bernrieder Museum der Phantasie spürt der Rolle des Propaganda-Soldaten Lothar-Günther Buchheim nach und zeichnet das Bild eines Mannes, der sein Überleben zu sichern verstand.

Von Sabine Reithmaier, Bernried

Lothar-Günther Buchheim war ein geschickter Stratege. Das ist bekannt. Doch diese Erkenntnis lässt sich in der neu installierten Dauerausstellung "Das Boot" im Bernrieder Museum der Phantasie gut vertiefen. Mit diesem Antikriegsroman, 1973 erschienen, wurde der Maler und Kunstsammler aus Feldafing weltberühmt, Wolfgang Petersens Verfilmung (1981) machte den Stoff endgültig zur Legende. Die neue Präsentation spürt nun der historischen Wahrheit nach, zeichnet die Biografie eines Mannes nach, der sich locker durch die Nazi-Zeit und die Nachkriegsjahrzehnte bewegte und immer obenauf schwamm, egal ob er während des Kriegs als Mitglied der NS-Propagandakompanie Karriere machte oder sich später selbst gern als nonkonformen Beobachters des Kriegs darstellte.

Dabei war er in der Propagandamaschinerie der Nazis kein kleines Rädchen, sondern sorgte mit motivierenden Fotos, Texten und Zeichnungen dafür, dass es den U-Boot-Besatzungen bis zum Kriegsende nie an Nachwuchs mangelte. Doch über seine Rolle im Krieg dachte er nie viel nach. Jedenfalls nicht öffentlich. Erst wenige Wochen vor seinem Tod im Februar 2007 räumte er ein, Mitglied der Elite-Einheit "Staffel der bildenden Künstler" gewesen zu sein.

Die alte Dauerausstellung hatte Museumschef Daniel J. Schreiber bereits 2018 abbauen lassen. Dank der akribischen Recherchen des Journalisten und Autors Gerrit Reichert war bereits in "Buchheim 100", der Ausstellung zum 100. Geburtstag Buchheims, ein ebenso sachliches wie kritisches Bild des Museumsgründers gezeichnet worden. Reichert gelang es nachzuweisen, wie zielstrebig und ehrgeizig sich der junge Buchheim auf seine Laufbahn in der Propaganda-Kompanie der Nazis vorbereitete und wie gut er später als Kriegsmaler im Apparat der NS-Propaganda vernetzt war.

Die neue Schau, kuratiert von Reichert und Schreiber, bemüht sich um einen nüchtern-neutralen Zugriff, konzentriert sich in großen Bild- und Texttafeln auf Themenkomplexe, die sowohl in Petersens Film als auch in Buchheims Büchern eine große Rolle spielen. Der Audioguide liefert sogar einen Textvergleich zwischen dem "Boot" und dessen Vorläufer, der Anfang 1944 veröffentlichten Propagandaschrift "Jäger im Weltmeer". Abgesehen von den Zeichnungen und unverändert beeindruckenden Fotos Buchheims verzichtet Schreiber weitgehend auf Exponate, sieht man von zwei Modellen der U-Bootbrücke für Trickaufnahmen, Buchheims Fotoapparat oder der Chiffriermaschine Enigma ab.

Ein Zeitstrahl dokumentiert Buchheims Biografie, hält fest, dass er Pressesprecher der Hitlerjugend in Sachsen und später Presseamtsleiter des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes gewesen war. Buchheim gehörte nie der NSDAP an, mochte, wie Reichert durch Äußerungen in Briefen belegt, den Politiker Hitler nicht und äußerte relativ ungeniert sein Missfallen. Freilich die Storys, die er später gern in Talk-Runden erzählte, hielten der Überprüfung nicht stand. Etwa die schöne Mär, er habe als junger Kunststudent in München kaltschnäuzig drei Gestellungsbefehle zerrissen und jeweils die Wohnung gewechselt, um unauffindbar zu sein. Zwar zog er tatsächlich in rascher Folge mehrmals um, aber nur, weil er hoffte, im schon damals wohnraumknappen München eine bessere Bleibe zu finden.

Sein Ziel war die Propaganda-Kompanie

Was seinen Einsatz im Krieg betraf, hatte er ein genaues Ziel vor Augen: Er wollte zu den neu eingerichteten Propagandatruppen. Nicht jeder wurde berufen, aber Buchheim, durch seine Presse-Aktivitäten prädestiniert, erhielt im August 1940 den entscheidenden Anruf aus Berlin. Ein kluger Schachzug, denn dadurch war er nur selten an der vordersten Front. Die meiste Zeit saß er in seiner Feldafinger Wohnung, malte, schrieb, veröffentlichte und verdiente dabei nicht schlecht.

In einem U-Boot saß der spätere Spezialist für den U-Bootkrieg übrigens nur zweimal: Einmal im Herbst 1941 bei der siebten Feindfahrt der U 96, die ihm den Stoff für "Das Boot" lieferte. Dann noch einmal 1944 nach dem Einmarsch der Alliierten in der Normandie, als er nach Frankreich beordert worden war, um den Abwehrkampf der Deutschen zu dokumentieren. Nach der Umzingelung Brests wurde Buchheim mit anderen per U-Boot nach La Rochelle evakuiert, erlebte bei der Einfahrt in den Hafen einen Minentreffer auf ein benachbartes U-Boot, ein Ereignis, das er im "Boot" mit gesteigerter Dramatik und tödlichem Ende verarbeitete.

Dass die Kriegsberichterstatter nach genauen Vorgaben arbeiteten, belegt seine Umdichtung der siebten Feindfahrt. Der gescheiterte Gibraltar-Durchbruch mit nur einem einzigen Versenkungserfolg, den die U96 auf dieser Fahrt erzielt hatte, eignete sich nicht für die Propaganda. Deren wichtigstes Thema war nach dem Kriegseintritt der USA von Januar 1942 an der U-Boot-Krieg an der Ostküste Amerikas. Im April 1942 füllte eine große Reportage mit dem Titel "U-Boote gegen USA" eine Doppelseite im Wochenblatt "Das Reich", so lebendig geschrieben, als wäre Buchheim dabei gewesen. Die Fotos stammten freilich allesamt von der erfolglosen siebten Fahrt.

Um das Gewirr von Fiktion und Realität zu entwirren, nutzte Reichert als Quellen zum einen die täglichen Eintragungen des U 96-Kommandanten Heinrich Lehmann-Willenbrock, meist "der Alte" genannt, obwohl er im Herbst 1941 noch nicht einmal 30 Jahre alt war. Zum anderen wertete Reichert das heimlich geführte Tagebuch des leitenden Ingenieurs Friedrich Grade aus. Die Notizen von beiden verweisen Buchheims Darstellungen im "Boot" in den Bereich der Fiktion, was kein Vorwurf an Buchheim ist, der sein Buch als Roman bezeichnet hat und gern alles etwas dramatischer gestaltete. So lässt er das Boot nach dem Fliegerbombentreffer vor Gibraltar in 240 Meter Tiefe absacken. In der Realität waren es 140 Meter, die drei Tauchgänge, die die anderen notierten, wohl weit weniger schlimm als in Buch und Film dargestellt.

Was Buchheim für die Nazis so wertvoll machte, war die Tatsache, dass er nicht nur schrieb, sondern auch fotografierte und zeichnete. Als er 1941 an den Atlantik beordert wurde, war er längst ein bekannter Autor, der in allen NS-Gazetten publiziert hatte. Zweifelsfrei gehörte er zu den Top-Propagandaleuten der Kriegsmarine, von denen sich Hitler erhoffte, dass sie das Bild des Krieges aus der NS-Perspektive für die nächsten 1000 Jahre festhalten würden. Sich für diese Rolle zu entschuldigen und Verantwortung zu übernehmen, fiel Buchheim zeitlebens nicht ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5376434
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/blö
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.