Neulich hat Berlin seine „Mohrenstraße“ umbenannt, medial war das kein kleines Ding. Und wie es immer so ist: Ein Thema ist in der Welt, und es ist immerhin die Bundeshauptstadt, die da eine Richtung vorgibt. Da kann es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Coburg – wo der „Mohr“ als stadtbildprägende Figur eine zentrale Rolle spielt – nachzieht, mindestens mal per Debatte. Oder? Hm, offen gesprochen: nö.
Mehr als drei Wochen sind jetzt vergangen seit dem historischen Schritt in der Hauptstadt und wer dachte, dass die Coburger in dieser Zeit ebenfalls zum Schraubenzieher greifen oder doch zumindest kollektiv über Kreuz liegen und sich im Grenzbereich zur Agonie gegenseitig mit Ignoranz-Vorwürfen überziehen – der sieht sich eines Besseren belehrt.

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Sogar als Helmut Markwort vom Focus („Fakten, Fakten, Fakten“) ein wenig Öl in die gerade nicht vorhandene Coburger Glut zu kippen versucht hat, haben sie das in Oberfranken souverän weggeatmet. Auch dort, so glaubte es Markwort festgestellt zu haben, „warnen fanatische Linke vor angeblich rassistischen Vorurteilen und wollen die Straße umbenennen“. Ach wirklich? Rückfrage beim Stadtsprecher, der müsste von linksfanatischen Schilderstürmern aktuell ja wenigstens ein bisschen was mitbekommen in Coburg. Hat er aber nicht.
Freilich, das immerhin trifft zu, eine Debatte um den „Mohr“ in Coburg hat es durchaus gegeben, 2020 war das. Eine bundesweite Petition auf „Änderung des rassistischen Coburger Stadtwappens“ unterzeichneten damals etliche Tausend – etliche Tausend auch die Gegenpetition. Beide Seiten trugen bedenkenswerte Argumente vor. Und am Ende der Debatte waren sie sich in Coburg nicht komplett einig, wie auch? Es zeichnete sich aber eine sehr klare Meinungsmehrheit ab.
Die hatte zur Folge, dass man vom Bahnhof in Coburg auch weiterhin über die „Mohrenstraße“, eine der belebtesten Straßen der Stadt, ins Zentrum spaziert, vorbei am „Mohrenweg“, an der „Mohren-Apotheke“ und, das ist doch schön, am Café „Moehre“.


Warum? Der heilige Mauritius aus dem Stadtwappen – den Passanten in nahezu allen Ecken Coburgs anschauen, mindestens auf den städtischen Kanaldeckeln – ist der Schutzpatron der Residenzstadt. Sein Konterfei hat in Coburg nichts mit dem Kolonialismus des 18. Jahrhunderts zu tun, er gilt vielmehr als Symbol spätmittelalterlicher Verehrung und gab auch der „Mohrenstraße“ ihren Namen.
Und ein Argument der „Mohren“-Verteidiger verfängt selbst bei den hartleibigsten Schilderstürmern. Man muss es nur kennen.
Es ist so: Die Coburger „Mohrenstraße“ ist schon einmal umbenannt worden. Und zwar vor rund 90 Jahren, von den Nazis. Die Verehrung eines solchen Schutzpatrons in einer deutschen NS-Frontstadt passte den Herrschaften so gar nicht in ihr rassistisches Weltbild. Also keine „Mohrenstraße“ mehr. Stattdessen eine „Straße der SA“.
1945 hat man das dann schleunigst wieder geändert.

