Bergwerke:Das älteste Bergwerk Deutschlands

Bergwerke: Die Grubenbahn war und bleibt als Transportmittel obligat.

Die Grubenbahn war und bleibt als Transportmittel obligat.

(Foto: Südwestdeutsche Salzwerke AG)
  • Das Salzbergwerk in Berchtesgaden feiert 500. Jubiläum. Es ist das älteste ohne Unterbrechung betriebene Bergwerk in Deutschland.
  • Die Geschichte des Bergwerks ist eine Geschichte von Lügen, Intrigen und Mord. Viele Herrscher wollten das Salz, denn es bedeutete Reichtum.
  • Das Programm für Pfingstsonntag und -montag findet man unter www.salzbergwerk.de.

Von Dietrich Mittler

Punkt sechs Uhr morgens wird an Pfingstmontag in Berchtesgaden die vergoldete Spitze von Paul Hallingers Tambourmajors-Stab zum Himmel hochschnellen. Bis zu diesem Augenblick inspiziert Hallinger - er ist der Chef der Elektroabteilung im Berchtesgadener Salzbergwerk und zugleich der Tambourmajor der Bergknappenkapelle - allerdings noch mindestens zweimal täglich den Wetterbericht.

"Ich hoffe doch, dass ich meinen Schlechtwetter-Stab zu Hause lassen kann", sagt er. Mit dem 50-Jährigen hofft und bangt derzeit die ganze Marktgemeinde: Pfingstmontag ist traditionell ein großer Tag in Berchtesgaden. Bergfest! Aber dieses Mal wird alles noch größer, noch schöner: Das Salzbergwerk Berchtesgaden feiert sein 500-jähriges Bestehen. Es ist somit das älteste ohne Unterbrechung betriebene Bergwerk Deutschlands.

Gewusst haben es die Berchtesgadener ja schon immer, aber Heimatforscher und Wissenschaftler haben jetzt doch noch einmal einen genauen Blick auf die im Grubenlicht rötlich-grau schimmernde Marmortafel am Petersbergstollen geworfen. Auf der sind die Kreuzigungsgruppe zu sehen und eine lateinische Inschrift. Sie konnte nun entschlüsselt werden. Übersetzt lautet die Botschaft: "Oh, sei Du unseren Unternehmungen gewogen, 1517."

Gregor Rainer, seinerzeit Reichsprälat und Propst des Augustiner Chorherrenstifts Berchtesgaden, hatte die Tafel anbringen lassen, als er vor 500 Jahren den Petersbergstollen anschlagen ließ. "Mit Glück", wie 1815 der Geschichtsforscher Josef Ernst Edler und Ritter von Koch-Sternfeld in seinem Werk "Geschichte des Fürstenthums Berchtesgaden und seiner Salzwerke" feststellte. Auch bei den Managern der Südwestdeutschen Salzwerke AG, die nun über das Berchtesgadener Salzbergwerk befinden, schwingt Begeisterung mit: "Damit begann die einmalige Chronik von 500 Jahren ununterbrochenem Salzabbau in den Tiefen der bayerischen Alpen", sagen sie.

Diese Chronik kündet vom Fleiß, vom Mut und der Entschlossenheit der Bergleute, die über Generationen hinweg unter Tage das einst so kostbare Salz gewannen. Und sie ist zugleich auch eine Chronique scandaleuse. Zumindest, was die Begierden der damals Mächtigen nach Einfluss und Reichtum betrifft. Sie schreckten vor Lügen, Intrigen und auch vor Mordbrennerei nicht zurück - um an die Berchtesgadener Salzquellen heranzukommen.

Über Jahrhunderte hinweg war es ein Hauen und Stechen, so sieht das auch Wilfried Grötschel, der Archivpfleger der Marktgemeinde Berchtesgaden. "Die Salzburger wollten sich immer wieder Berchtesgaden einverleiben. Dabei ist es hauptsächlich um das Salz gegangen", sagt er. Doch auch Bayern, das sich den Berchtesgadenern als Retter vor den Übergriffen der Salzburger Fürstbischöfe anbot oder gar aufdrängte, wollte im Grunde nur eines: das Salz. Um an das kostbare Gut heranzukommen, wurde nach allen Regeln der Kunst getrickst, bis Berchtesgaden 1810 endlich bayerisch wurde.

Bergwerke: Von außen präsentiert sich das Betriebsgelände an der Berchtesgadener Ache seit vielen Jahren unverändert.

Von außen präsentiert sich das Betriebsgelände an der Berchtesgadener Ache seit vielen Jahren unverändert.

(Foto: Südwestdeutsche Salzwerke AG)

Das, was heute als "Fake-News", als ganz bewusste Fälschung, gebrandmarkt wird, es war indes auch den Berchtesgadenern nicht fremd. Die Forschung spricht hier vom "Interpolieren" beziehungsweise von einer "Verunechtung." So etwa erweiterten die Berchtesgadener 1180 wohl aus eigenen Gnaden die Goldene Bulle von Kaiser Friedrich Barbarossa um die Schürffreiheit auf Salz und Metall. Nun konnten sie das Salz nicht nur zum Eigenbedarf nutzen, sondern auf Basis eines manipulierten Dokuments auch legal vertreiben. Der Ehrlichkeit halber sei vermerkt, dass die "Interpolation" auch den Salzburger Fürsterzbischöfen nicht fremd war, die bereits vor 1517 voller Neid auf berchtesgadische Salzwerke - etwa am Tuval - geschielt hatten.

Ausländische Konkurrenz behindern, wenn nicht gar lahm legen, auch das war damals ein Thema. Die Berchtesgaden-Chronik des Edlen und Ritters von Koch-Sternfeld ist voll von solchen Ereignissen. 1332 etwa wüteten die Bürger von Hallein, die den Verkauf ihres Salzes gefährdet sahen, auf übelste Weise, indem sie "die Salzpfannen zu Schellenberg anfielen und mehrere berchtesgadische Salzwägen niederwarfen".

Vom Ochsenkrieg und einem klopfenden Mandl

Und so ging das stetig fort, wobei sich auch die Bayern nicht zimperlich zeigten: Im April 1382 etwa "ward Berchtesgaden plötzlich überfallen, geplündert; das Gotteshaus erwältigt und all dessen Geräth und Schmuck entfremdet". Im Oktober 1611 war es dann der Salzburger Erzbischof Wolf Dietrich, der die Fürstpropstei Berchtesgaden besetzte. Das ging als "Ochsenkrieg 1611" in die Geschichte ein. Bayern griff ein und siegte, Wolf Dietrich landete im Kerker, wo er am Ende starb.

Wie harmlos klingen dagegen die Legenden, die sich um das Bergwerk Berchtesgaden ranken - etwa jene vom "Lachermoar-Mandl". Der Geist, so heißt es, haust in der Herzog-Albrecht-Schachtricht hinter dem Schacht Ost. Er reitet auf einer dreibeinigen Ziege und gibt zu bestimmten Zeiten Klopfgeräusche von sich, so als würde er mit dem Bergeisen einen Stollen vorantreiben.

Im heutigen Bergwerksbetrieb müsste sich das Lachermoar-Mandl vermutlich tothämmern, um sich wenigstens kurz Gehör verschaffen zu können. Dort, unter Tage, vereinen sich das Brummen, Zischen und Knattern der schweren Gerätschaften zu einer urgewaltigen Symphonie, in deren Verlauf aus anfänglichen Bohrlöchern neue Schächte entstehen.

Einstmals aber musste das Gestein in Handarbeit mit dem Bergeisen herausgehauen werden. Sieben Zentimeter Vortrieb schaffte ein Mann im Schnitt pro Schicht, wie es in der zum Jubiläum herausgegebenen Schrift "Geschichte des Salzbergbaues in Berchtesgaden" heißt. Zum Vergleich: Heutige Abbauteams schaffen mit ihrer Teilschnitt-Streckenvortriebsmaschine "Alpine Miner 50" im Zweischichtbetrieb eine Vortriebsleistung von etwa zehn Metern. Nichts geändert hat sich an der Art und Weise, wie das Salz aus dem Gestein gelöst wird - nämlich durch das Einspülen von frischem Wasser. Fachleute sprechen vom "nassen Abbau".

Zu Zeiten von Propst Gregor Rainer mussten die Bergleute die Sole noch mit dem Ledereimer abschöpfen und auf Treppen mühsam nach oben tragen. In der Ära der Bohrspülwerke erledigen das Pumpen, die die Sole zu Tage befördern. Von dort aus gelangt sie mittels einer Doppelleitung nach Bad Reichenhall. Derzeit sind im Salzbergwerk Berchtesgaden 30 Bohrspülwerke im Betrieb. Jedes einzelne kann in gut 30 Jahren - so lange ist es ökonomisch rentabel - mehr als eine Million Kubikmeter gesättigte Sole erzeugen. Jede Menge Speisesalz also, das in alle Welt als "Bad Reichenhaller Salz" vertrieben wird.

Längst ist der Abbaubetrieb nicht mehr so sehr mit der Gefahr für Leib und Leben verbunden, wie dies einst die Regel war. Sicherheit geht über alles. Das war nicht immer so. Ritter von Koch-Sternfeld berichtet von verheerenden Unfällen, bei denen einmal gar 14 Sinkwerke durch "eingedrungenes Wasser" verloren gingen. Damals jedoch zählte der Profit offenbar mehr als die Sicherheit der Bergleute.

Bergwerke: Gisela von Bayern war einst mit ihrem Gefolge zu Gast in Berchtesgaden.

Gisela von Bayern war einst mit ihrem Gefolge zu Gast in Berchtesgaden.

(Foto: Südwestdeutsche Salzwerke AG)

"Man sprengt hier, wie es scheint, ohne alle andere Rücksicht als jene einer momentanen Ausbeute, und überhaupt scheint der ganze Bau hier mehr Raubbau als Salzbau zu seyn", kritisierte 1804 der österreichische Mediziner, Naturwissenschaftler und Reiseschriftsteller Joseph August Schultes in seinem Buch "Reise durch Salzburg und Berchtesgaden".

Gefährlich ist der Beruf des Bergmanns aber nach wie vor. Das schweißt zusammen. Und so ist den Bergleuten ihr Sinn für Zusammenhalt geblieben, sowie ihr tief verankerter Stolz auf das Bergwerk, zu dem auch ein Besucher-Bereich gehört, der 2016 gut 380 000 Touristen anlockte. Die Rodler-Legende Georg Hackl, selbst gebürtiger Berchtesgadener, teilt diesen Stolz: "Der Zusammenhalt ist großartig", sagt er. Am Bergfest (Das Programm für Sonntag und Pfingstmontag steht unter www.salzbergwerk.de) wird der Hackl Schorsch als Ehrengast teilnehmen. Tambourmajor Paul Hallinger indes macht sich noch Mut: "Wenn die Bergknappenkapelle aufspielt, dann kommt in der Regel immer die Sonne raus!"

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