Bergtouristen:Braucht es Wlan auf der Berghütte?

Höllentalangerhütte, 2015

Die neue Höllentalangerhütte kurz nach ihrer feierlichen Eröffnung vor eineinhalb Jahren. An schönen Tagen verköstigen Pächter Thomas Auer und sein Team bis zu 1500 Ausflügeler.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Ausstellung "Hoch hinaus - Wege und Hütten in den Alpen" im Alpinen Museum München zeigt die Geschichte und Entwicklung von Berghütten in den Alpen.
  • Die ersten Hütten wurden als lebenswichtige Schutzhütten errichtet für den schweren Weg. Dann kamen immer häufiger auch Touristen.
  • Romantisches Wanderideal vs. touristisches Massentrampeln: Die Ausstellung geht auch auf die inneren Widersprüche des Bergsteigens ein.

Von Christian Sebald

Es war eine ungemütliche Nacht, die Temperatur in der Berghütte sank auf null Grad, sodass die Atemluft kondensierte, erzählt Johannes Melcher. "Wenn wir da nicht unsere Funktionsschlafsäcke gehabt hätten, wär's richtig eisig geworden." Die Berghütte, in der der schlaksige Jungalpinist dieser Tage übernachtet hat, ist eine Legende: Es ist die Höllentalangerhütte von 1894, die erste Berghütte, die der Deutsche Alpenverein (DAV) auf 1387 Meter Höhe im Oberen Höllental errichtet hatte, damit die Bergsteiger bei ihrer beschwerlichen und gefährlichen Tour auf die Zugspitze einen Unterschlupf hatten. Gerade mal sechs auf sieben Meter groß ist der Verschlag. Seine Erbauer haben ihn aus rohen Baumstämmen zusammengezimmert. Wenn's draußen stürmt, pfeift der Wind in die kärglichen Matratzenlager im Erdgeschoss und unterm Dach.

Die Urhölle, wie sie den klobigen Bau im DAV nennen, ist Kernstück der Ausstellung "Hoch hinaus - Wege und Hütten in den Alpen" im Alpinen Museum in München. Denn natürlich steht sie längst nicht mehr im Höllental. Sondern im weitläufigen Garten des Alpinen Museums. Melchers Übernachtungsaktion war denn auch ein Gag zur Eröffnung der Ausstellung. Seit 2015 erhebt sich im oberen Höllental die neue Höllentalangerhütte - ein hochmoderner Bau, den sich der Alpenverein 5,5 Millionen Euro hat kosten lassen.

Gut hundert Wanderer und Bergsteiger können in dem mit Lärchenschindeln verkleideten, in den Hang hineingebauten Bau mit dem markanten Pultdach übernachten, die meisten in komfortablen Mehrbettzimmern. Sanitäranlagen und Waschräume sind natürlich top, Wlan und Webcams eine Selbstverständlichkeit, ebenso der Seminarraum, und an schönen Sommertagen verköstigt Pächter Thomas Auer in der Gaststube und auf der Terrasse bis zu 1500 Ausflügler.

Die Urhölle und die neue Höllentalangerhütte sind die Pole der Ausstellung "Hoch hinaus - Wege und Hütten in den Alpen". Der Titel dürfte nicht nur alpinistisch gemeint sein. Ausstellungsmacherin Friederike Kaiser und ihr Team spielen mit ihm auch auf den einen oder anderen Widerspruch an, in dem der Alpenverein steckt. Zum Beispiel auf den, dass Bergsteigen gemeinhin mit dem Erleben einer einsamen, ungezähmten Bergnatur gleichgesetzt wird, in Wahrheit aber meist eine Massenveranstaltung auf ausgetrampelten Pfaden ist. 324 Berghütten unterhält der DAV, allein 83 in den bayerischen Bergen. Die Zahl der Übernachtungen - 800 000 pro Jahr - erfüllt etliche Touristiker mit Neid. So wie auch das Netz der Wege und Steige rund um die DAV-Hütten, das sich auf 30 000 Kilometer Gesamtlänge summiert.

Puristen werfen dem DAV gerne vor, dass er zum ADAC der Bergwelt mutiert ist und auf Masse statt auf Klasse setzt. Dabei vergessen sie meist, dass der DAV von Anbeginn in diesem Widerspruch steckt, wie Ausstellungsmacherin Kaiser zeigt. Denn es waren bergbegeisterte Städter, die den DAV im Jahre 1869 in München gründeten - mit dem Ziel, die Bergwelt für Städter erlebbar zu machen - und zwar ohne dafür besondere körperliche Leistungen zu verlangen, sondern nur Interesse, wie es 1870 in einer der ersten Veröffentlichungen des DAV hieß.

"Das bedeutete aber auch, dass die einfachen Schutzhütten alsbald erweitert und ausgebaut wurden, einige zu regelrechten Berghotels mit Federbetten, Speisestuben, in denen feine Frankenweine aus Würzburg serviert wurden, und anderen Annehmlichkeiten mehr", wie Kaiser sagt. Bei einigen Neubauten griffen die DAV-Leute sogar zu rabiaten Mitteln. Für das Münchner Haus auf der Zugspitze sprengten sie 1897 sogar eine Felsenspitze, nur damit der Bau möglichst nah am Gipfel errichtet werden konnte.

Bergtouristen: Hier ist die Urhölle bei ihrer Eröffnung im Jahre 1894 zu sehen. Unterm Dach schliefen die Bergsteiger seinerzeit auf einem Heulager.

Hier ist die Urhölle bei ihrer Eröffnung im Jahre 1894 zu sehen. Unterm Dach schliefen die Bergsteiger seinerzeit auf einem Heulager.

(Foto: Picasa)

Natürlich gab es auch von Anbeginn an massive Kritik solchen Aktionen. So spaltete sich 1895 sich die DAV-Sektion Sektion Bayerland von der Sektion München ab. Ihre Mitglieder wollten auf der Zugspitze unberührte Felslandschaft und kein Münchner Haus. In den Zwanzigerjahren kochte der Unmut über den "Massenbesuch in den Bergen" sogar so hoch, dass der DAV den Hüttenbetrieb und den Wegebau reglementierte.

"Jede Reklame für Hütten und Weganlagen ist zu unterlassen", heißt es in den "Tölzer Richtlinien" von 1923 und: "Die Verpflegung auf den bewirtschafteten Hütten ist auf das einfachste Maß zurückzuführen." Außerdem sollten die Hüttenwirte "Federbetten durch Wolldecken ersetzen" und "mechanische Musikinstrumente wie Grammophon, Orchestrions usw entfernen". "Natürlich hielten sich viele Tölzer Grundsätze nicht lange", sagt Kaiser, "der Ansturm auf die Berge war schon damals zu groß". Der Verzicht auf Federbetten aber gilt nach wie vor.

Hoch hinaus - Wege und Hütten in den Alpen, Alpines Museum, München, bis 8. April, Di-So, 10 bis 18 Uhr. Zu der Ausstellung ist unter gleichem Titel eine zweibändige Dokumentation erschienen.

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