Berchtesgadener Land:Porsche-Erbe betreibt riesige Modelleisenbahn

Das Hans-Peter Porsche Traumwerk mit einer riesigen Modelleisenbahn hat in Anger eröffnet

Ein Kindheitstraum, der Realität geworden ist: Das Hans-Peter Porsche Traumwerk hat eröffnet.

(Foto: Nadine Schachinger)
  • Hans-Peter Porsche, ein Enkel von Ferdinand Porsche, hat in Anger (Berchtesgadener Land) eine riesige Modelleisenbahn gebaut.
  • Bis zu 40 Züge sind gleichzeitig auf den drei Kilometern Gleisen unterwegs.
  • Sie ist öffentlich zugänglich und soll zu einer Touristenattraktion werden.

Von Heiner Effern, Anger

Der ältere Herr mit dem braunen Sakko und den Bären auf der Krawatte steht exakt auf der Staatsgrenze. Hinter seinem Rücken fahren Modellzüge durch die deutsche Bodenseeregion, vor ihm durch Tunnels in den meterhohen Tauern und von dort direkt zur Skipiste am Arlberg. Kurz bevor die dreißig 3-D-Beamer an der Decke die ersten Morgenfarben auf die künstlichen Bergspitzen schicken, sagt er: "Jetzt kommt die Sonne, und der Gockel kräht." Als sich seine Prophezeiung umgehend bewahrheitet, sagt ein Besucher anerkennend. "Sie kennen sich aber gut aus." Der Herr im Sakko erwidert: "Ich gehöre zum Haus." Das stimmt, gleichzeitig aber auch wieder nicht. Es verhält sich nämlich genau umgekehrt: Das Haus gehört ihm.

Warum Hans-Peter Porsche die Anlage gebaut hat

Der freundliche Herr mit der Bärenkrawatte ist Hans-Peter Porsche, Enkel des Firmengründers Ferdinand und einer der mit Milliarden-Anteilen ausgestatteten Erben des Autokonzerns. Und das Haus, das er in Anger (Kreis Berchtesgadener Land) gebaut hat, ist nicht einfach ein Gebäude, sondern sein ganz persönliches Lieblingsprojekt: Darin fahren die Modelleisenbahnen, die er in den vergangenen Jahrzehnten gesammelt hat.

Darin stehen in Vitrinen auch die vielen alten Spielzeugautos aus Blech, die er zusammengesucht hat, die Lokomotiven, die Bahnhöfe und die Schiffe. Dazu dürfen natürlich ein paar echte Porsche nicht fehlen, ebenfalls historische Modelle. "Ich freue mich jedes Mal, wenn ich durchgehe", sagt Hans-Peter Porsche. "Ich habe mir hier einen Kindheitstraum erfüllt." Das unterstreicht auch der Name des Ende Juni eröffneten Hauses: Hans-Peter Porsche Traumwerk.

Welche Ausmaße die Modelleisenbahn hat

Wer nun glaubt, dass hier auf der Wiese kurz vor Salzburg ein Milliardenerbe lediglich einen Spleen auslebt, ist sozusagen auf der falschen Spur. Ein Kindheitstraum aus dem Hause Porsche muss offensichtlich beeindrucken wie die Motoren der Familie. Konkret in Zahlen heißt das: Der Traum ist 140 Meter lang und 60 Meter breit. Ein Berliner Architekt hat ihn als liegende Acht geplant, die klassische Form einer Autorennbahn oder einer kleinen Eisenbahn. Bis zu 40 Züge fahren auf 400 Quadratmetern Fläche gleichzeitig. Sie legen sie einen Höhenunterschied von bis zu fünf Metern zurück, vorbei an 80 000 Bäumen und 8000 Figuren.

Auf dem Freigelände davor ist ein angemessener Kinderspielplatz angelegt, auf dem man mit einem Ticket auch selbst auf einer Bockerlbahn herumfahren kann. Das Foyer und der Empfang könnten auch als Lobby eines nüchternen, modernen Vier-Sterne-Hotels dienen. Und die Ausstellungsräume werden manches staatliche Museum vor Neid erblassen lassen.

3 Kilometer

So lang sind die Gleise der Anlage in Anger auf einer Fläche von 400 Quadratmetern. Insgesamt 180 Züge können darauf fahren, 40 zur gleichen Zeit. Noch größer ist das Wunderland in Hamburg: Bis 2020 soll die Strecke dort auf insgesamt 20 Kilometer und 2300 Quadratmeter erweitert werden.

Der Zutritt erfolgt nicht etwa durch ein Drehkreuz, sondern ein dezenter junger Mann im schwarzen Anzug kontrolliert die Tickets. In einem breiten Gang geht es leicht bergauf, oben empfangen die Besucher zwei knallrote Porsche. Von dort öffnet sich der Blick auf Vitrinen, in denen die kleinen Spielzeugmodelle zu sehen sind. Sie leuchten in ihren Farben um so mehr, weil Boden und Interieur in dezentem Grau gehalten sind.

Der ockergelbe Leipziger Bahnhof steht dort, originalgetreu nachgebaut wohl um das Jahr 1919 herum. Sportwagen parken in Schaukästen, wie etwa ein Bugatti in Petrolblau. "Da sind die Kanonen", sagt ein Mädchen zu seinem Vater, als es ein Schiff hinter Glas betrachtet. Weiter hinten stehen ein paar ältere Damen vor einer kleinen Modelleisenbahn und betrachten sie ehrfürchtig. Weniger wegen der Züge als wegen ihres Schöpfers, der sie einst dahinschmelzen ließ: Peter Alexander.

Was für Besucher hierher kommen

Auch Modelle von alten Sportwagen sind im Hans-Peter Porsche Traumwerk zu sehen

Auch Modelle von alten Sportwagen sind im Hans-Peter Porsche Traumwerk zu sehen.

(Foto: Nadine Schachinger)

Offensichtlich lässt sich von dieser Welt aus Blech, dem Werkstoff des 19. Jahrhunderts, der erstmals die Serienproduktion von Spielzeugen erlaubte, vor allem auch die Großeltern-Generation begeistern. Mit Enkel, gerne aber auch ohne. Denn die haben in der Ausstellung ohnehin wenig zum Anfassen oder Spielen und neigen deshalb zum Quengeln. Und natürlich ziehen die wertvollen Stücke von Hans-Peter Porsche auch seine Sammler-Kollegen an. Die erkennt man sofort an ihren dicken Digitalkameras, für deren optimalen Einsatz sie schon mal auf allen Vieren vor den Vitrinen herumrutschen.

All diese Besucher sollen sich aber nicht nur an Porsches Lieblingen erfreuen, sondern auch deren Ausstellung finanzieren. Denn als extravagantes Hobby, das er mit regelmäßigen Spritzen aus dem Privatvermögen alimentiert, sieht der sein Traumwerk nicht: "Ich möchte schon, dass etwas herauskommt", sagt er. Gemeint ist ein finanzielles Ergebnis, das zumindest den Betrieb des Museums tragen soll. Der niedrige zweistellige Millionenbetrag, den ihn sein Kindheitstraum gekostet haben soll, wird wohl nur schwer zu verdienen sein.

Was der Bürgermeister und der Betreiber sich erhoffen

Funktionieren soll das Museum wie eine Art Kultur-Outlet: Ähnlich wie bei den grenznahen Einkaufszentren sollen die Kunden direkt von der nahen Autobahn kommen - im besten Fall bis zu 180 000 pro Jahr. Ihnen wird auch ein Einkaufsservice geboten: Im Shop sind nicht nur Liebhabermodelle für Eisenbahnfans zu kaufen, sondern auch T-Shirts, Geldbörsen oder Ledertaschen mit dem Logo "Hans-Peter Porsche Traumwerk". Das angeschlossene Restaurant unterscheidet sich von Autobahnraststätten, sowohl im exklusiveren Angebot als auch im Preis. Firmen können im Traumwerk einen Saal für Veranstaltungen buchen.

Doch nicht nur der Porsche-Erbe hofft auf zahlungskräftige Kunden, sondern auch Silvester Enzinger, der Bürgermeister von Anger. Wenn der CSU-Mann auf das neue Museum angesprochen wird, sagt er: "Das ist wie ein Sechser im Lotto. Manche sagen: mit Zusatzzahl." Den könne sein Ort dringend gebrauchen. König Ludwig I. bezeichnete bei einer Rast Anger zwar einst als das schönste Dorf in Bayern.

Doch die Touristen auf dem Weg in den Süden halten nicht mehr, sie nehmen allenfalls noch von der Autobahn aus die auf einem Hügel stehende Kirche wahr. "Wir brauchen eine Belebung, deshalb war ich immer dafür", sagt der Bürgermeister. Als es zwischendurch mal Ärger gab wegen des Grundstücks, suchte Enzinger ein neues. Nun glaubt er eine Attraktion zu haben, die in Bälde in einem Atemzug mit dem Königssee oder Berchtesgaden genannt wird.

Für die Eisenbahnhalle inklusive Spielzeugausstellung verlangt Hans-Peter Porsche 14 Euro Eintritt für Erwachsene. Die können dort dafür locker mehrere Tage in der Eisenbahnwelt verbringen. Alle 17 Minuten lassen die Beamer dort die Sonne aufgehen, dann kräht der Hahn.

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