Süddeutsche Zeitung

Unwetter am Königssee:Totalschaden für den Rodelsport

Das Unwetter im Berchtesgadener Land hat auch die Bob-, Rodel- und Skeletonbahn am Königssee erwischt. Teile der Anlage hat es einfach fortgespült. Für die Olympia-Vorbereitungen ist das ein großer Rückschlag.

Von Andreas Liebmann

Sie kamen über Nacht, die Wassermassen, und man sieht auf einem Amateurvideo, dass sie sich nicht lange mit der vorgegebenen Ideallinie aufhielten: Mit lautem Getöse floss der dreckig braune Strom ein wenig hangabwärts durch jene Rinne, die im Winter ein glitzernder Weltcup-Eiskanal ist, in der Weltmeister und Olympiasieger trainieren. Vor der nächsten Kurve aber brach er dann aus und ergoss sich in der Dunkelheit mit all seiner Gewalt über das ganze Gelände wie ein riesiger Wasserfall.

Tags darauf, am Sonntag, postete Felix Loch ein Foto, das die entstandenen Schäden deutlich machte, eine wirre Mischung aus Geröll, Baumstämmen und verbogenem Metall, wo am Samstag noch die Bob- und Rodelbahn am Königssee stand. "Es tut unendlich weh", schrieb der dreimalige Rodel-Olympiasieger, und auf Englisch: "My heart is broken", sein Herz sei gebrochen, hoffentlich seien alle gesund. "Keine Worte! Es ist so traurig", kommentierte auch Natalie Geisenberger, wie Loch mehrmalige Rodel-Olympiasiegerin und Weltmeisterin.

Und Susi Erdmann schrieb unter ein ähnliches Video: "Unfassbar ... Meine ehemalige Heimbahn am Königssee wird einfach weggespült." Fassungslosigkeit auf allen Social-Media-Kanälen. Nach zahlreichen WM-Titeln im Rennrodeln hatte Erdmann 2004 hier ihre zweite Weltmeisterschaft im Zweierbob gefeiert. Loch holte 2016 gleich drei WM-Titel, Geisenberger zwei an dieser Bahn, die 1968 die erste Kunsteisbahn der Welt war. Irgendwo dort unter dem Matsch und den Felsbrocken.

Live sehe es nicht weniger verheerend aus als auf den Fotos, versicherte Bahnchef Markus Aschauer am Sonntag. Die Geröllmassen, die der sonst kleine Klingerbach angespült hatte, hatten bis zum Morgen ganze Teile der Bahn mitgerissen, auch das Starthaus der Bobfahrer war zum Teil eingebrochen. Aschauer sprach von erheblichen Schäden, immerhin sei niemandem etwas passiert. "Sieht nach einem Totalschaden aus", sprach auch Margit Dengler-Paar ins Handy, dann entschuldigte sich die Kommunikationsmanagerin des Weltverbands FIL höflich - draußen warte die Feuerwehr. Ihr Haus werde evakuiert.

Es ist kein Zufall, dass auch Thomas Schwab, der Generalsekretär des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD), rasch im Katastrophengebiet eintraf, schon um 6.30 Uhr habe er das Gelände erstmals in Augenschein genommen. Auch er lebt unweit der Bahn, wie so viele, die wichtig sind für den deutschen Bob- und Rodelsport. Im Laufe des Sonntags wurde auch Rodellegende Georg Hackl an dem gesichtet, was von seiner Heimatbahn übrig ist.

Vor einigen Jahren erst war die Bahn generalsaniert worden, sie war top in Schuss. Nun braucht man Hilfe beim Wiederaufbau

Am Nachmittag hatte Schwab dann einen ersten Überblick. Im oberen Bereich sei die Bahn massiv beschädigt, fortgespült; dazu gebe es gewaltige Verschüttungen und einen tiefen Graben, der sich nun durchs Gelände zieht. Man habe das schon gekannt von Unwettern, dass der Klingerbach anschwillt, einiges sei dort auch schon verbaut worden, aber bei einem Unwetter wie diesem, sagte er, "da kann man verbauen, was man will, dem hält nichts stand". Von einem zweistelligen Millionenschaden müsse man auf alle Fälle ausgehen, schätzte Schwab.

Sein Bahnbetriebsleiter Aschauer sei schon in der Nacht am Ort gewesen und habe sich damit selbst in Gefahr gebracht, wie Schwab kritisch anmerkte, aus Sorge um die Ammoniakleitungen. Auch diese seien natürlich schwer beschädigt, "aber das war das Unglaubliche: Sie sind nicht undicht geworden, fast sensationell". Eine Gefahr hätte aber auch sonst nicht bestanden, versicherte er, weil kein Druck auf den Leitungen gewesen sei.

In der kommenden Saison werde hier jedenfalls nichts stattfinden, darauf konnte er sich leicht festlegen. Oktober 2022 sei das Ziel, das halte er für machbar, sagt Schwab. 2010 und 2011 war die Bahn am Königssee im Rahmen eines Konjunkturprogramms generalsaniert worden, für 30 Millionen Euro. "Das ist besonders bitter: Alles war so toll umgebaut und in Schuss." Nun müsse man auf Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau hoffen. Doch natürlich sei die Zerstörung der Anlage auch sportlich bitter.

Für die Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking wäre sie von zentraler Bedeutung gewesen, als Trainingsort vieler ansässiger Top-Athleten, außerdem seien hier nationale Lehrgänge vorgesehen gewesen, die nun umgeplant werden müssten. "Und auch für den Nachwuchs ist das eine Katastrophe." Gerade stehe er im Stau, ließ Schwab noch wissen, später kämen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU), um sich ein Bild von der Lage zu machen, zunächst natürlich in den Wohngebieten. Wenigstens an der Bahn seien keine Menschen zu Schaden gekommen. "Alles andere", sagte Schwab, "kann man richten."

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