Süddeutsche Zeitung

Berchtesgaden:Mit neuem Baurecht gegen Investoren

Drei Unternehmer aus Österreich investieren kräftig in der Region. Unter den Einheimischen macht sich die Angst breit, dass sie auf dem Wohnungsmarkt verdrängt werden - jetzt reagiert die Politik.

Von Matthias Köpf

Die Villa Schön ist längst zu einem Symbol geworden in Berchtesgaden, und mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts München ist nun klar, dass sie das vorerst bleiben wird. Rund 140 Zuschauer füllten zur Verhandlung am Dienstag den kleinen Saal des Berchtesgadener Kongresshauses, und schon da zeichnete sich ab, was das Gericht tags darauf als Urteil verkündet hat: Die Baugenehmigung für die drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt zwei Dutzend Wohnungen auf dem Gelände der Villa ist aufgehoben, ein ganz neues Genehmigungsverfahren müsste dann auch all die Umweltprüfungen umfassen, die der Bund Naturschutz in seiner Klage verlangt hat. Der BN-Ortsvorsitzende Paul Grafwallner ist sehr zurückhaltend, viele andere aber feiern das Urteil als Triumph über auswärtige Bauträger und Investoren, die den Talkessel mit Luxusprojekten vollklotzen. Die sollen es künftig ohnehin schwerer haben in Berchtesgaden.

Denn die Räte der Marktgemeinde haben jüngst einstimmig den Grundsatzbeschluss gefasst, neues Baurecht für privaten Wohnbau nur dann zu schaffen, wenn der Baugrund der Gemeinde selbst gehört oder wenn sie in anderer Weise beteiligt ist, etwa als Mitgesellschafterin des Wohnbauwerks im Berchtesgadener Land. Bürgermeister Franz Rasp (CSU) sieht seine Gemeinde da als Vorreiterin an, zumindest abseits des Großraums München. Diese Rolle hat Berchtesgaden schon im Frühjahr eingenommen, als die Räte nach einer saftigen Erhöhung der Zweitwohnungssteuer auch noch beschlossen haben, neue Zweitwohnungen per Satzung genehmigungspflichtig zu machen, um sie dann in aller Regel eben nicht zu genehmigen.

Denn viele Einheimische in Berchtesgaden treibt die Angst um, sich das Wohnen bald nicht mehr leisten zu können, weil es dort auch viele vermögende Auswärtige so schön finden, dass sie sich Ferienwohnungen, Alterssitze oder Renditeobjekte zulegen. Der Grundsatzbeschluss zum Baurecht treffe aber auch Einheimische, räumt der Bürgermeister ein - es sei denn, sie hätten schon Baurecht auf ihrem Grundstück. Und so haben die Räte am Tag des Grundsatzbeschlusses auch drei Planverfahren gestoppt, von denen zwei nur ein paar Parzellen umfasst hätten. Rasp hatte sie mit einem umstrittenen größeren Projekt verknüpft - weil alle Gebiete im Außenbereich lägen, sagt er selbst, während Kritiker wie der BN-Vorsitzende Grafwallner und der grüne Gemeinderat Bartl Wimmer mutmaßen, Rasp habe so das Großprojekt retten wollen. Am Ende kam eine knappe Mehrheit gegen alle drei zustande.

Mit der großen Wohnanlage in bester Hanglage hatte man es im Rathaus zuletzt ohnehin nicht mehr so eilig, nachdem dem Projektentwickler Martin Harlander heftige Kritik entgegengeschlagen war. Die wiederum hatte sich am ebenfalls von Harlander vorangetriebenen und nun vom Gericht gestoppten Abriss der Villa Schön entzündet. Diese Pläne hatten einige in Berchtesgaden als Ausverkauf der Heimat empfunden. Der BN sei aus der Bürgerschaft gebeten worden, dagegen zu klagen, und habe dafür von vielen Kleinspendern insgesamt einige Tausend Euro erhalten, sagt der Ortsvorsitzende Grafwallner. Entsprechend zahlreich seien nun die Glückwünsche und Dankesbekundungen. Dabei legt Grafwallner Wert darauf, dass es dem BN um die Sache gehe, nicht um Personen. Es erwische halt immer wieder Harlander, weil er an so vielen Projekten beteiligt sei.

Das Misstrauen gegen Investoren in Berchtesgaden wächst

Harlander ist eine zentrale Figur der "3H-Debatte", wie Wimmer den Streit nennt. Die drei Hs stehen für den Projektentwickler Harlander, den Hotelier Peter Hettegger und den Bauunternehmer Georg Hinterleitner aus dem Pongau im benachbarten Salzburg. Sie sind im Talkessel auf erheblichen Nachholbedarf bei der touristischen Infrastruktur und damit auf große Investitionsmöglichkeiten gestoßen und waren seither in verschiedenen Konstellationen an praktisch allen Großprojekten beteiligt. Es begann mit Hetteggers 2010 eröffnetem Hotel Edelweiß mitten im Markt, das nach erbittertem Streit in der Planung von einer riesigen Bettenburg zu einem modernen, zurückgenommenen Bau herangereift ist. Dann folgten etwa eine Heizzentrale für viele große Gebäude und die gerade eröffnete neue Seilbahn auf den Jenner, wobei der BN die gebotene Rücksichtnahme auf die Natur per Klage durchsetzen musste. Auch an Harlanders Entwürfen für einen großen Hotelkomplex direkt am Königssee übt der BN Kritik im Detail, ähnliche Pläne für die Kurklinik Stanggaß sind dafür noch zu vage.

Harlander, Hettegger und Hinterleitner zeigen sich befremdet von dem wachsenden Misstrauen in Berchtesgaden. Sie seien keine anonymen Investoren, sondern zeigten Gesicht und setzten sich für die Region ein, sagt Harlander. Auch für Wohnungen auf dem Areal der Villa Schön hätten sich größtenteils Einheimische interessiert. Das letzte Wort darüber ist womöglich nicht gesprochen. Das Landratsamt erwägt eine Berufung und wartet nach eigenen Angaben die Urteilsbegründung ab.

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SZ vom 19.07.2019/lfr
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