Süddeutsche Zeitung

Tourismusgebiete in Bayern:Wie Kommunen neue Zweitwohnsitze verhindern wollen

Seit einigen Jahren sind Städte und Gemeinden schon aktiv. Denn Wohnungen werden vor allem für junge Familien oder am Ort arbeitende Menschen gebraucht. Vorreiter ist Berchtesgaden, dort zeigen sich erste Effekte.

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Falls am Tegernsee demnächst wirklich einige ohnehin meistens unbewohnte Oligarchen-Villen frei werden sollten, dann wird das vermutlich nicht an der kommunalen Zweitwohnungssteuer liegen. Dabei fordern die Gemeinden im Tegernseer Tal seit einigen Jahren vergleichsweise stolze Sätze. Eine Zweitwohnungssteuer in Höhe von 20 Prozent der Kaltmiete, die sich für ein derartiges Anwesen verlangen ließe, ist zwar eine Menge Geld, fällt für die jeweiligen Besitzer aber wohl weniger ins Gewicht.

Doch im Fokus der Gemeinden standen bisher weniger die Villen, sondern eher solche Zweitwohnungen, die auch gut als dauerhafte Erstwohnsitze dienen könnten für junge Familien oder für die vielen immer dringender gesuchten Menschen, die in den örtlichen Restaurants das Essen kochen und oder in den Hotels die Betten machen. Neben der Steuer versuchen einige andere Kommunen seit einer Weile, das Entstehen weiterer Zweitwohnungen praktisch zu verbieten. Ob das einen wirklich großen Effekt hat, ist offen.

Die Marktgemeinde Berchtesgaden hat sich vor drei Jahren als erste Kommune in Bayern eine Satzung gegeben, die das Umwandeln von Erstwohnsitzen oder wechselnd vermieteten Ferienwohnungen in feste Zweitwohnsitze genehmigungspflichtig macht - mit der klaren Ansage, solche Genehmigungen nicht zu erteilen. Dieses Berchtesgadener Modell, das eine Ausnahmeregel im Baurecht für Fremdenverkehrsgebiete nutzt, hat sofort ein gewisses Aufsehen erregt.

Eine ähnliche Satzung im benachbarten Schönau am Königssee trat dann sogar noch etwas eher in Kraft, und bald fanden sich Nachahmer etwa in Ruhpolding im Chiemgau oder in Kreuth am Tegernsee. Auch in Bayrischzell im Landkreis Miesbach haben die Gemeinderäte schon Ortsteile definiert, an denen keine neuen Zweitwohnungen entstehen sollen, weil zuvor nahezu alle verkauften Häuser im Ort als Zweitwohnsitze an zahlungskräftigere Auswärtige gegangen seien.

In den meisten dieser Orte fehlt es noch an Erfahrung mit dem Instrument, doch Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp (CSU) zeigt sich schon sehr zufrieden. "Besser als erwartet" lautet seine Bilanz. Erwartet hatte er nämlich unter anderem eine Klagewelle, die bisher ausgeblieben ist. Nicht erwartet hätte er dagegen nach eigenen Worten, dass der Anteil der Zweitwohnungen angesichts dieses "politischen Statements" wirklich sinken würde. "Für uns war ja wichtig, dass der Trend gebrochen wird" und wenigstens nicht noch mehr Zweitwohnungen entstünden. Doch Makler berichteten von etlichen geplatzten Verkäufen an Menschen, die sich nicht fest in Berchtesgaden niederlassen wollten.

Zugleich mag mancher, der schon da war, schlicht seinen Wohnsitz umgemeldet haben, doch auch davon profitiert die Kommune über die Einkommensteuer und staatliche Zuweisungen. Insgesamt seien die Zweitwohnsitze jedenfalls um ein Fünftel weniger geworden, sagt Rasp. Ganze Straßenzüge, an denen die Rollläden die meiste Zeit des Jahres unten bleiben, gab es in Berchtesgaden aber auch davor nicht. Fünf bis acht Prozent Zweitwohnsitze seien es vor 2019 gewesen, je nachdem ob man da Wohnungen oder Menschen gezählt habe.

In der 3700-Einwohner-Gemeinde Kreuth am Tegernsee ist der Anteil mit 450 Zweitwohnungen deutlich höher. Auch hier hat die Gemeinde laut Bürgermeister Josef Bierschneider (CSU) schon einige Anträge auf neue Zweitwohnungen abgelehnt - und sich auch schon zwei Klagen von Bauträgern eingehandelt. Die Satzung als Ganze sei zwar bisher bestätigt worden, sagt Bierschneider, doch für eine kleinere Fläche habe man die Definition als Fremdenverkehrsgebiet nicht halten können und doch neue Zweitwohnungen zulassen müssen. Im zweiten Fall, der ein viel größeres Gebiet betrifft, habe man zwar bisher gewonnen, doch noch sei der Rechtsstreit nicht ganz zu Ende.

Der Ausgang dürfte auch Matthias Simon interessieren, der beim Bayerischen Gemeindetag das Referat für Baurecht leitet. "Der Gesetzgeber könnte es uns ein bisschen einfacher machen, wenn er wollte", sagt Simon und meint damit sowohl den Bund, der im Baugesetz nachschärfen könnte, als auch den Freistaat, von dem er sich unter anderem mehr Entscheidungsfreiheit für die einzelnen Kommunen wünscht. Denn das Berchtesgadener Modell lässt sich bisher nur in touristisch geprägten Regionen anwenden, wo es neben einigen Universitätsstädten auch das größte Problem mit den Zweitwohnungen gibt. Das zeigt sich schon an der Zweitwohnungssteuer, die laut Gemeindetags-Sprecher Wilfried Schober nicht einmal ein Zehntel aller 2056 Städte und Gemeinden im Freistaat verlangen. Denn abgesehen von einer gewissen Signalwirkung sei der Aufwand oft größer als die Einnahmen. "Die große Masse der bayerischen Kommunen hat eh nichts davon."

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