Donnerstag, 5.19 Uhr, über dem Nationalpark Berchtesgaden strahlt die Morgensonne. Oben in der Felsnische am Knittelhorn streckt sich Bavaria, macht ein paar kräftige Flügelschläge - und hebt ab. Am Beobachtungsstand des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) ist nur ein Praktikant. Er weiß nicht so recht, wie ihm geschieht.
Das Bartgeier-Weibchen zieht eine vielleicht hundert Meter weite Schleife in der Luft. Die Landung bekommt keiner mit - auch nicht LBV-Chef Norbert Schäffer, der inzwischen eingetroffen ist. Er entdeckt Bavaria kurz darauf wohlbehalten auf einem Felsen. Von dort hebt sie gleich wieder ab. So geht es den ganzen Vormittag. "Bavaria lässt sich von einem Vorsprung in die Luft fallen, segelt durch die Luft, setzt auf und klettert wieder den Steilhang rauf", berichtet der Leiter des Bartgeier-Projekts, Toni Wegscheider, der ebenfalls sofort herbeigeeilt ist. "Dann beginnt das Spiel von vorne."
Mit Bavarias Jungfernflug hat die Wiederansiedlung der mächtigen Greifvögel in Bayern die nächste Hürde genommen. Wally lässt sich noch Zeit. Das Bartgeier-Weibchen der SZ hat Bavarias Treiben die ganze Zeit nur neugierig beäugt.