Beratungsstelle für Homosexuelle:"Der Wunsch nach Kindern rückt in den Vordergrund"

Familie

Zwei Männer mit einem Säugling: Bald ein gewohntes Bild in Deutschland?

(Foto: iStockphoto)

Wie plant man sein Coming Out? Wie wehrt man sich gegen homophobe Anfeindungen? Wie kommt man zu einem Kind? Christopher Knoll vom Schwulen Kommunikationszentrum in München berät Homosexuelle in allen Lebenslagen. Ein Gespräch.

Von Beate Wild

Christopher Knoll ist Leiter der Beratungsstelle im Sub, dem "Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum" in München. Mit den Jahren und der Gesellschaft haben sich auch die Probleme von Homosexuellen geändert - und damit auch die Beratung im Sub.

SZ: Mit welchen Problemen kommen die Schwulen und Lesben zu Ihnen ins Sub?

Christopher Knoll: Es geht um alle möglichen Themen: etwa um ein geplantes Coming-Out, um eine Paarberatung oder auch um homophobe Anfeindungen. Oft werden meine Klienten zudem von Ärzten und Institutionen geschickt, denn wir sind als Beratungsstelle zunehmend integriert in die psychosoziale Versorgungslandschaft in München.

Haben sich die Beratungsbedürfnisse in den vergangenen Jahren verändert?

Auf jeden Fall, schwule Männer sind mittlerweile mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei vielen Beratungen steht gar nicht explizit eine schwule Thematik im Mittelpunkt, sondern eher eine allgemeine Konfliktsituation.

Das Sub hat gemeinsam mit der Münchner Aids-Hilfe kürzlich eine Männerakademie gegründet. Was ist das?

Dort soll es von Herbst an um männerbezogene Gesundheitsthemen gehen. Männer kümmern sich generell nicht so gut um ihre Gesundheit, wie sie es sollten - ob sie nun schwul sind oder hetero. Wichtige Themen hierbei sind zum Beispiel Gesundheitsvorsorge, Kreislauferkrankungen, Depression und Burnout, Stress und Aggressionskontrolle - Themen, die viele Männer betreffen, aber leider von zu wenigen aktiv angegangen werden.

Was erwartet schwule Männer im Alter?

Das Alleinsein im Alter ist für Schwule genau so schwierig wie für Heterosexuelle. Und natürlich haben Schwule in der Regel weniger Familie, aber das ist für Heteros oft auch nur eine Illusion, dass ihre Kinder im Alter für sie da sind. Darüber hinaus sind Männer aber oft schlecht auf das Älterwerden vorbereitet. Schauen Sie sich mal zwei 70-Jährige an: Der eine steigt auf sein Mountainbike, der andere geht am Stock. Das sind nicht nur genetische Unterschiede, das hängt auch davon ab, wie man sich aktiv und gesund hält. Wir wollen die Männer auf das Älterwerden vorbereiten. Generell gilt für alle Lebensbereiche: Was man im Alter machen will, muss man in jüngeren Jahren erlernen. Wer etwa sagt, dass er als Rentner viel reisen will, wird das nicht machen, wenn er davor auch nie weggefahren ist. Und so ist das mit anderen Themen eben auch.

Hilfe für Traumatisierte

Neu ist im Sub die Beratung für schwule Migranten.

Generell haben alle Beratungsstellen in den vergangenen Jahren eine interkulturelle Öffnung erlebt, auch bei uns war und ist das ein großes Thema. Schwule Migranten hatten bestimmt schon immer Beratungsbedarf, nur hat man sich bisher zu wenig auf sie eingestellt. Jetzt signalisieren wir ihnen, dass wir für sie da sind. Wir kümmern uns etwa auch um einen Dolmetscher.

Christopher Knoll

Christopher Knoll vom Schwulen Kommunikationszentrum (Sub) in München.

(Foto: Susie Knoll / oh)

Beraten Sie die Migranten in asylrechtlichen Fragestellungen?

Ja. Es gibt Länder, wo Homosexualität massiv verfolgt wird, bis hin zur Todesstrafe. Natürlich ist das für Schwule und Lesben aus diesen Ländern ein Asylgrund. Früher haben schwule Flüchtlinge die Wahrheit verschleiert und sind als politisch Verfolgte hier angekommen. Heute trauen sie sich eher, den echten Grund anzugeben. Und so werden wir zunehmend in den Asylprozess mit eingebunden - wir sind schließlich die einzige hauptamtlich arbeitende Beratungsstelle für schwule und bisexuelle Männer in Bayern.

Worum geht es bei den Patenprojekten des Sub?

Es war zunächst ein Projekt für schwule Senioren, nun haben wir es ausgeweitet auf Schwule mit Behinderung. Dabei kümmern sich ehrenamtliche schwule Männer um Einzelpersonen, die von Vereinsamung bedroht sind. Nicht als Pfleger, sie verbringen einfach Zeit miteinander. Sie gehen etwa zusammen ins Kino oder einen Kaffee trinken. Wir würden das gerne noch öfter anbieten, haben aber nicht genügend Ehrenamtliche.

Gibt es Patenschaften für Leute im Asylverfahren?

Noch nicht, wir würden das gerne anbieten, aber uns fehlen derzeit noch die Freiwilligen. Dabei wäre das so wichtig, gerade weil die Asylbewerber auch in den Unterkünften oft verheimlichen müssen, dass sie homosexuell sind. Gerade dort sind sie oft massiven homophoben Anfeindungen ausgesetzt. Kommt heraus, dass sie schwul sind, müssen sie mit Gewalt und Ausgrenzung rechnen. Und oftmals sind sie ja genau deswegen traumatisiert und aus ihrem Heimatland geflohen. Etwa lesbische Frauen aus Afrika sind, wenn deren Orientierung herauskommt, mit sogenannten "korrigierenden Vergewaltigungen" konfrontiert.

Beraten Sie auch ältere Homosexuelle, die sich erst in fortgeschrittenem Alter zu einem Coming-Out entschließen?

Natürlich. Sich in jungen Jahren als schwul zu outen, ist oft weniger problematisch als als reiferer Mensch. Oftmals haben ältere Schwule lange ihre Orientierung verdrängt oder verheimlicht, weil es mit ihrer Herkunftsfamilie oder ihrem Job nicht vereinbar war. Für diese Leute gibt es bei uns eine Gruppe von Männern mit Coming-Out ab 30, in der sie sich austauschen können.

Kommen denn Regenbogenväter, also Männer mit Kinderwunsch, zu Ihnen?

Immer mehr. Mit der gesellschaftlichen Gleichstellung und mit der Akzeptanz schwuler und lesbischer Beziehungen rückt auch der Wunsch nach Kindern stärker in den Vordergrund. Lesben trauen sich das schon länger. Zunehmend denken aber auch schwule Männer über eine Vaterschaft nach. Allerdings ist eine Adoption fast immer noch ein Ding der Unmöglichkeit. Wir beraten Männer mit Kinderwunsch, welche Möglichkeiten sie haben.

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