Die Bezirke schlagen Alarm:Ausgaben für Pflege und Behindertenhilfe extrem gestiegen

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Immer mehr alte Menschen können nicht mehr alleine für einen Heimplatz aufkommen. (Foto: Imago)

Steigende Kosten und neue Hilfsansprüche: Die sieben bayerischen Bezirke rechnen damit, dass sie 2025 zusätzliche 750 Millionen Euro für Sozialkosten ausgeben werden müssen. Die Ausgaben seinen „total aus dem Ruder gelaufen“, kritisiert Verbandspräsident Löffler.

Von Nina von Hardenberg

Die Finanzlage der bayerischen Bezirke ist so angespannt wie seit Jahren nicht. Darauf hat der Präsident des Bayerischen Bezirketags, Franz Löffler, hingewiesen.  „Die Ausgaben im sozialen Bereich sind in den letzten Jahren extrem nach oben gegangen“, sagte Löffler.  Konnte man dies in Jahren sprudelnder Steuereinnahmen noch kompensieren, so sei dies nun nicht mehr möglich. Die sieben bayerischen Bezirke erwarten deshalb allein im Jahr 2025 einen Mehrbedarf von etwa 750 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Fast alle mussten deshalb zuletzt den Hebesatz erhöhen, mit dem sie sich bei den Kommunen refinanzieren.

Die sieben Bezirke bilden die dritte kommunale Ebene in Bayern. Sie sind zuständig für Aufgaben, die über die Zuständigkeit eines einzelnen Landkreises oder einer kreisfreien Stadt hinausreichen, betreiben etwa psychiatrische Krankenhäuser oder Museen. Zu ihren Aufgaben gehört außerdem die Auszahlung der Behindertenhilfe und der Hilfe zu Pflege. Letztere erhalten alte Menschen, deren Rente nicht ausreicht, um die Pflegekosten zu stemmen. Beide Hilfeleistungen machen schon immer den größten Posten im Budget der Bezirke aus, zuletzt aber seien sie „total aus dem Ruder gelaufen“, sagt Löffler, der zugleich Bezirkstagspräsident der Oberpfalz und Landrat des Landkreises Cham ist.

Grund für die Kostensteigerungen ist nicht etwa, dass heute mehr behinderte Menschen versorgt oder Senioren in Heimen gepflegt würden. Vielmehr ist die Versorgung an sich teurer geworden: Inflation, steigende Energiepreise, höhere Tarifabschlüsse für die Mitarbeiter – all das hat die Kosten im sozialen Bereich in den vergangenen Jahren in die Höhe getrieben.

In der Pflege trifft das die Bezirke gleich doppelt: Einerseits müssen sie für den einzelnen Pflegefall mehr bezahlen. Zweitens aber ist auch die Zahl derer, die den Heimplatz nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren können und für die die Bezirke einspringen müssen, nach oben geschossen. Früher konnten etwa zwei Drittel der Heimbewohner die Kosten mit der eigenen Rente plus den Leistungen der Pflegeversicherung stemmen. Inzwischen aber sei es nur noch die Hälfte, warnt Löffler. „Und wir steuern auf eine Zahl von 60 Prozent zu, die im Heim auf Sozialhilfe angewiesen sind. Das war so nie gedacht.“

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Eine zentrale Forderung der Bezirke ist deshalb eine Reform der Pflegeversicherung. Außerdem müsse die Gesellschaft „mit aller Intelligenz“ Wege finden, damit möglichst viele Menschen zu Hause alt werden könnten und der Anteil derer, die einen teuren Heimplatz benötigen, nicht steige. Im anderen Fall kämen auf die Gesellschaft in den nächsten Jahren weitere erhebliche Kosten zu, allein schon, weil die Babyboomer das Alter der Gebrechlichkeit erreichen. Die Gruppe der 80-Jährigen sei die am schnellsten wachsende Gruppe in der Gesellschaft, sagt Löffler.

Doch nicht nur die Versorgung ist zuletzt teurer geworden. Verschiedene Bundesregierungen erließen auch Sozialgesetze, die die Ausgaben der Bezirke in die Höhe treiben. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz etwa legte fest, dass Verwandte erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100 000 Euro für die Pflegekosten in die Verantwortung genommen werden sollten. Die Beweislast wurde dabei umgedreht. Der Bezirk muss nun den Angehörigen nachweisen, dass sie zahlen könnten. „De facto zahlt seither niemand mehr“, sagt Löffler. Dabei findet er, dass Kinder, denen es finanziell möglich ist, durchaus für ihre Eltern einspringen könnten.

In der Behindertenhilfe sieht Löffler ein Problem darin, dass der Bund sich schleichend aus der Finanzierung ziehe. Bei Einführung des Bundesteilhabegesetzes 2016 habe der Bund mit fünf Milliarden Euro deutschlandweit rund ein Drittel der Kosten der Behindertenhilfe gezahlt. Die restlichen Kosten trugen hälftig die Länder und die Kommunen. Dieser Betrag sei aber nie verändert worden, während die Kosten stiegen. Auch das Land Bayern, das zwar zuletzt seinen Anteil erhöht hat, trägt inzwischen weniger als das ursprüngliche Drittel. Mehr als 70 Prozent trügen die Kommunen inzwischen alleine, sagt Löffler. „Die Last, die auf den Schultern der Kommunen liegt, wird immer größer.“

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