Befreiungshalle:Der Tempelwärter von Kelheim

Christoph Lickleder in der Befreiungshalle in Kelheim

Für Christoph Lickleder ist die Befreiungshalle ein Symbol der Freiheit, nicht des Krieges.

(Foto: Hans Kratzer/oh)

Die Befreiungshalle ist frisch saniert, zur Feier gibt es einen Festakt. Das ist auch das Verdienst von Christoph Lickleder. Er hält seit Jahren das halbe Kabinett deswegen auf Trab.

Von Hans Kratzer, Kelheim

Oben auf dem Michelsberg zu stehen und von der Befreiungshalle aus den Blick über die Stadt Kelheim schweifen zu lassen, das ist nicht nur ein visueller Genuss. Wem diese Aussicht kein erhebendes Gefühl verschafft, dem ist nicht mehr zu helfen. Strukturiert wird dieses Panorama vom Zusammenfluss von Donau und Altmühl, vom alten Ludwig-Donau-Main-Kanal und nicht zuletzt durch die gedachte Achse mit dem Regensburger Dom, der Walhalla und der Befreiungshalle. Diese Gründe überzeugten auch den Bayernkönig Ludwig I., den symbolträchtigen Bau, der an die Befreiungskriege gegen Napoleon (1813-15) erinnern soll, genau auf dieser Anhöhe zu verwirklichen.

Obwohl Christoph Lickleder, 73, die Befreiungshalle seit seiner Kindheit in- und auswendig kennt, öffnet ihm dieses Panorama nach wie vor das Herz. Dass dieses frisch renovierte Ensemble der Aufnahme ins Weltkulturerbe würdig wäre, steht für ihn außer Zweifel. Bis es so weit ist, wird aber noch viel Wasser die Donau hinunterfließen. Natürlich spricht Lickleder bei diesem Thema als Lokalpatriot. Immerhin hat der promovierte Musikwissenschaftler fast sein ganzes Leben in Kelheim verbracht, mehrere Jahrzehnte lang hat er am Donau-Gymnasium unterrichtet. Darüber hinaus erwarb er sich als Dirigent, Kulturförderer und Autor Meriten. Mit der Befreiungshalle aber ist sein Engagement untrennbar verknüpft.

Wenn an diesem Dienstag die langjährige Sanierung des Bauwerks und der 150. Todestag des Erbauers Ludwig I. bei einem Festakt mit Ministerpräsident Markus Söder gewürdigt werden, so ist das vor allem Lickleders Verdienst. "Es wäre jetzt an der Zeit", sagte er zu Söder, der ihm keinen Widerstand leistete. Dass es bei der Nennung Kelheims bei fast jedem Mitglied der Staatsregierung sofort Klick macht, liegt nicht zuletzt an Lickleders hartnäckiger Zuwendung.

Zudem hat kaum jemand so intensiv wie Lickleder darüber nachgedacht, in welchem Kontext die Befreiungshalle zu sehen ist. Begleitet man ihn durch die Halle, wie die Kelheimer ihren Ruhmestempel nennen, so erlebt man einen leidenschaftlichen Vortrag und staunt, um wie viel intensiver ein von der Musik geprägter Mensch diesen monumentalen Raum wahrnimmt als ein weit weniger versierter Gast. "Hier wird die Zeit hörbar", sagt Lickleder. Das Zusammenspiel von Licht, Architektur und einer eigenwilligen Akustik ist tatsächlich einzigartig. Vor allem in der Dämmerung ergebe das ein Gesamtkunstwerk, bei dem Raum, Klang und Hall verschmelzen, schwärmt Lickleder.

Aus Anlass des 150-jährigen Bestehens der Befreiungshalle fanden großartige Konzerte und Uraufführungen statt. Vier Jahre lang bereitete Lickleder als Projektkoordinator das Festprogramm ehrenamtlich vor. Selbstredend, dass er dabei das halbe Kabinett auf Trab hielt, mithilfe des aus Kelheim stammenden TU-Präsidenten Wolfgang Herrmann trieb er das nötige Geld auf, um namhafte Musiker und Ensembles nach Kelheim zu holen.

Zahlreiche Ehrungen für den Beharrlichen

Mancher Kelheimer hielt seine Pläne für überambitioniert, auch aus dem Rathaus blies ihm starker Widerstand entgegen, doch Lickleder gab nicht nach. Der Lohn für seine Beharrlichkeit, Kelheim auf die Bühne überregionaler Kultur zu hieven: 2013 verlieh ihm die Stadt die Ehrenbürgerwürde. Außerdem erhielt er das Bundesverdienstkreuz und den Bayerischen Verdienstorden. Provinz ist für ihn eine despektierliche Vokabel. "Auch auf dem Land entsteht mit etwas Sachverstand Gutes und Schönes."

Umso erstaunlicher ist es, dass ein umfassend gebildeter und leidenschaftlich engagierter Mensch wie Lickleder, der jeden Tag stundenlang Zeitungen studiert, sich kaum einmal aus Kelheim entfernt hat. "Ich habe das Reisen nicht gelernt", sagt er. Der Vater war blind und gehbehindert aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen, Reisen waren da kaum möglich. Das hat den Sohn aber nicht daran gehindert, die Welt von Kelheim aus zu durchdringen. Vor Kurzem veröffentlichte er ein Buch über Kunst und Verkündigung im sakralen Raum (Allitera Verlag). Klingt etwas sperrig, ist aber als Bilanz sehr lesenswert.

Den gläubigen Katholiken Lickleder erfüllt der Zustand seiner Kirche mit tiefer Besorgnis. Die Kirche leide an Lieblosigkeit und an einer Sprache, die sich oft auf Worthülsen beschränke. Man müsse miteinander reden, weniger übereinander. Deshalb betrachtet er die Befreiungshalle vor allem als ein Denkmal der Freiheit, nicht des Krieges. Dass man hier Kriegsszenen nachspielt, ist für ihn undenkbar, auch wenn das viele Menschen lieben. Ludwig I. war kein Kriegstreiber, Pulverdampf ergibt hier wirklich keinen Sinn. Er wollte die Leute für Kunst und Natur begeistern. Mehr kann Kunst nicht leisten, sagt Lickleder, leider. "Denn die Kunst rettet die Welt nicht!"

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