Bedrohung durch Neonazis:"So was verfehlt seine Wirkung nicht"

Bedrohung durch Neonazis: Werner Wolf war mal Bürgermeister von Gräfenberg und wurde in der Zeit von Neonazis bedroht.

Werner Wolf war mal Bürgermeister von Gräfenberg und wurde in der Zeit von Neonazis bedroht.

Werner Wolf wurde in seiner Zeit als Bürgermeister von Gräfenberg von Neonazis bedroht. Im SZ-Interview erzählt er, wie es ihm nach dem Anschlag ging und warum er den Rücktritt eines Bürgermeisters aus Sachsen-Anhalt als Hilferuf sieht.

Interview von Olaf Przybilla

Werner Wolf, früherer Bürgermeister in Gräfenberg, wurde 2007 Opfer eines Anschlags. Sein Haus wurde mit Farbeiern beworfen. Zuvor hatten ihm Neonazis Konsequenzen angedroht, sollte die Stadt in der Fränkischen Schweiz weiter geschlossen gegen sie auftreten und ihnen den Zugang zum Kriegerdenkmal verwehren. Gräfenberg wurde drei Jahre von braunen Marschierern heimgesucht.

SZ: Der Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist zurückgetreten, er sieht sich als Zielscheibe von Rechtsradikalen und zu wenig von Polizei und Politik geschützt. Wie war das bei Ihnen 2007?

Werner Wolf: Die Auseinandersetzungen mit den Neonazis waren damals auf dem Höhepunkt. Ich geriet ins Kreuzfeuer, aber im Gegensatz zum Kollegen in Tröglitz konnte ich auf die Unterstützung im Stadtrat und bei den Bürgern bauen. Und auf die Sicherheitsbehörden. Das hat es für mich erträglich gemacht. Und hat mir die Kraft gegeben weiterzumachen nach diesem Anschlag auf unser Wohnhaus.

Wie erinnern Sie sich an diesen Tag im April 2007?

Ich wollte ins Büro morgens und sah draußen, wie die Farbflecken an der Wand runterliefen. Das ist mir schon unter die Haut gegangen. So was verfehlt seine Wirkung nicht, das muss ich schon sagen.

Haben Sie auch über Konsequenzen für sich selbst nachgedacht?

Auseinandersetzungen ist man als Bürgermeister gewohnt, aber wenn die Familie da hineingezogen wird, dann bekommt so was eine besondere Qualität. Eine besondere Härte. Das lässt einen in schwächeren Stunden nachdenken, ob der Einsatz wirklich noch gerechtfertigt ist. Es gab in schlimmer Regelmäßigkeit Bedrohungen, Briefe ins Rathaus. Immer in dem Sinne: Diejenigen, die sich gegen uns stellen, werden das irgendwann noch bereuen. Aber solange sich das auf den öffentlichen Raum beschränkt hat, war das besser zu verdauen. Anders als nach dem Anschlag.

Markus Nierth, der Bürgermeister von Tröglitz, klagt über zu wenig Rückhalt.

Ihm gehört mein ganzes Mitgefühl. Wenn Sie von allen Seiten allein gelassen werden, von Behörden, vom Gemeinderat und dem Großteil der Bürgerschaft, dann kann man diesen Schritt absolut nachvollziehen. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie sind im Ort fast der einzige, der sich engagiert für Asylbewerber, dann kann man schon resignieren. Ich sehe das auch als Hilferuf.

Es gab auch in Gräfenberg Stimmen, die Rechtsradikale gewähren lassen wollten.

Für Gräfenberg waren diese regelmäßigen Märsche eine harte Probe. Die Geschäftswelt war über Jahre hinweg in kurzen Abständen am Wochenende immer wieder lahmgelegt. Das waren Zeiten, die man nicht erleben möchte. Und ja, es gab vereinzelte Stimmen, die gesagt haben: Lasst sie doch einfach laufen, die laufen sich schon tot. Aber das war die absolute Minderheit. Die breite Mehrheit stand dafür ein, Gesicht zu zeigen und jedes Mal wieder auf die Straße zu gehen gegen die Nazis und ihre Parolen. Diese Unterstützung im Rücken zu wissen, gibt einem Kraft.

Der Bürgermeister ist nur so stark wie die Menschen, die hinter ihm stehen?

Klar, das ist so. Alleine geht da gar nichts. Wenn die Bürger nicht mitmachen, dann stehen Sie auf verlassenem Posten. Wäre ich in Gräfenberg auch so allein gelassen worden wie jetzt offenbar der Bürgermeister in Tröglitz, hätte ich mir auch so einen Schritt überlegt. Dann hätte ich womöglich auch gesagt: Nein, dann möchte ich auch sonst nicht mehr für euch da sein.

Herr Nierth klagt auch, dass er von den Behörden zu wenig Unterstützung bekam.

Vor allem nach dem Anschlag konnte ich mich großer Unterstützung der Polizei sicher sein. Ich bekam über Wochen auch eine Art Personenschutz. Nicht 24 Stunden am Tag, aber alle paar Stunden war die Polizei präsent. Ich habe mich da schon sehr gut aufgehoben und sicher gefühlt. Aber es gab bei der Demonstrationen natürlich auch Meinungsverschiedenheiten.

Es gab Strafbefehle gegen Menschen, die einen braunen Marsch blockierten.

Ja, es gab Unschönes. Da haben Strafverfolgungsbehörden über die Stränge geschlagen, das hat uns betroffen gemacht. Aber das blieb die absolute Ausnahme.

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