Bedrohte Edelkrebse:Aliens im Ammersee

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Anstelle der heimischen Edelkrebse haben sich amerikanische Arten wie dieser Signalkrebs in den Seen verbreitet, doch sie sind kleiner und kaum zu vermarkten. (Foto: dpa)

In den Gewässern südlich von München tobt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb: Importierte Krebse breiten sich rapide aus und bedrohen den heimischen Edelkrebs. Starnbergs Fischer schlagen nun Alarm.

Von Armin Greune

In stehenden und fließenden Gewässern des Fünfseenlands tobt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb. Weil sie von importierten Verwandten mit der Krebspest infiziert werden, sterben immer wieder Bestände des heimischen Edelkrebses aus. An ihrer Stelle haben sich amerikanische Kamberkrebse ausgebreitet, die Fischern neue Einnahmequellen bescheren könnten. Doch nun droht die zweite Invasionswelle exotischer Krebsarten: Aus Aquarien- und Gartenteichen freigesetzte Kaliko- und Sumpfkrebse sind bis an Bayerns Westgrenze vorgedrungen.

Bei der Fortbildungstagung der Fluss- und Seenfischer in Starnberg stellte Christoph Chucholl seine Studien über neu invasive Krebse in Deutschland vor. "Aliens" aus Nordamerika wie der Rote Sumpfkrebs, als "Floridahummer" im Aquariumhandel, und der Kalikokrebs breiten sich bereits von Baden-Württemberg westwärts aus. Mit bedenklichen ökologischen Folgen: Sie drängen Süßwasserschnecken zurück und weiden Armleuchteralgen ab. Vor allem aber übertragen sie die Krebspest: Eine Pilzkrankheit, gegen die amerikanische Arten Resistenzen entwickelt haben, die aber die heimischen Verwandten an den Rand der Ausrottung gebracht hat.

Bis vor 120 Jahren waren Edelkrebse in Bayern weit verbreitet: Teichwirte und Fischer versorgten nicht nur Adel und Klerus, sondern auch das einfache Volk mit den begehrten Schalentieren. Doch dann breiteten sich Kamber- und Signalkrebse aus, auch weil Fischer Teiche und Bäche mit den nordamerikanischen Arten besetzten. Die miteingeführte Krebspest aber raffte die heimischen Edel- und Steinkrebse dahin: Ihre Bestände sind in wenigen Wochen vernichtet, weil sich die Sporen des Parasiten rasch im Wasser verbreiten.

Der Galizierkrebs könnte Wirtschaftsfaktor werden

Dennoch haben wenige Exemplare in Bachoberläufen überlebt: So finden sich noch im Maisinger Bach, in der Nähe von Andechs und in den Seitenarmen der Rott im Bayerdießener Forst heimische Stein- und Edelkrebse, weiß Erik Bohl, vormals Leiter des Referats Fischökologe in der Gewässer-Forschungsstation Wielenbach. Doch immer wieder lässt die Krebspest Bestände zusammenbrechen, so auch heuer im Uttinger Mühlbach, wie der Biologe und Fischer Bernhard Ernst beobachtet hat.

"Jede Veränderung birgt aber auch eine Chance", meint der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft Ammersee: Ernst fängt seit zwei Jahren in seinen Reusen immer mehr Kamberkrebse. Bis zu 100 Stück könnte er wöchentlich aus dem See ziehen, doch noch fehlt es ihm an Kunden: Kamberkrebse sind kleiner und weniger attraktiv als Edelkrebse. Die Fischer im Starnberger See ignorieren bislang die Schalentiere. Dabei gäbe es attraktive Beute: Bohl kennt etwa bei Ammerland "Riesenexemplare" des Galizierkrebses.

Auch diese Art wurde vor mehr als 100 Jahren aus dem Balkan eingeschleppt, sie überträgt aber die Krebspest nicht. Für Teichwirte im Berliner Raum stellten auch Kamberkrebse einen Wirtschaftsfaktor dar, sagt Ulrich Wunner, Fischereifachberater für Oberbayern. Er empfiehlt, zumindest die Invasoren in den Seen abzufischen, um die Krebspest einzudämmen und hofft, dass die heimischen Edelkrebse doch noch allmählich Resistenzen gegen den Erreger entwickeln.

Bohls Untersuchungen zeigen freilich, dass dem Kamberkrebs mit keiner Fangtechnik beizukommen ist: "Eine Ausrottung gelingt nie, stattdessen werden die Populationen durch Abfischen nur vitaler". Allerdings habe der neu eingeschleppte Kalikokrebs den Kamberkrebs in Schwaben schon teilweise verdrängt, berichtet Chucholl.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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