CSU:Thomas Kreuzer - der Mann, der auch mal Seehofer ausbremst

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In der CSU schätzen sie Thomas Kreuzer für seine direkte Art. Grüne nennen ihn "Panzerkreuzer". (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Er gehört zu den mächtigsten Politikern in Bayern - und doch ist Kreuzer wenig bekannt. Wer der CSU-Fraktionschef ist und warum ihn seine Intimfeinde den "Panzerkreuzer" nennen.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

Ein, zwei Tage später sitzt Thomas Kreuzer im Landtag, als wäre nichts geschehen. Er liest Papiere, zeichnet sie ab. Er lacht, als Ministerpräsident Horst Seehofer ein Witzchen macht. Nichts mehr zu sehen von dem Mann, der Gesprächspartner mit hochrotem Kopf anfauchen kann, der sich vor ihnen aufbaut, als wolle er gleich auf sie losgehen. Die Grünen hatten den CSU-Fraktionschef wieder einmal zur Weißglut getrieben. Ausgerechnet die Grünen, mit denen ist das ohnehin so eine Sache. Aber dazu später mehr.

Auf diesen Ärger hätte Kreuzer gut verzichten können. Rechtsradikale hatten sich auf der Facebook-Seite der CSU-Fraktion in widerwärtiger Weise über die Grünen-Politikerin Claudia Roth ausgelassen, Kreuzer hatte das nicht im Blick gehabt, die Medien aber schon. Kreuzer sprach von einer "Bagatelle", aber als er das sagte, schlug er einem Fragesteller fast das Mikrofon aus der Hand. Nun hört er aufmerksam zu, nach einem langen Sitzungstag spricht er in seinem Büro über seine Vorstellungen von Politik, als wäre er die Ruhe selbst. Das Temperament ist nicht die einzige Widersprüchlichkeit im Politikerleben des Thomas Kreuzer.

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Der CSU-Fraktionschef zählt zu den wichtigsten Politikern des Landes, doch viele Menschen wissen kaum etwas über diesen Mann. Kreuzer redet im sympathisch weichen Dialekt seiner Allgäuer Heimat, trotzdem kann er geschliffen und verletzend scharf formulieren. Kreuzer ist ein kühler Analytiker, aber für eine bestimmte Politik-Arithmetik kann er sich nicht begeistern.

Persönliche Bündnisfragen wie "Die mit dem?" oder "Der mit mir?", nur damit man seine eigene Karriere beschleunigen kann, sind ihm fremd. Kreuzer geht es um die Sache, er ist ein Kopfmensch, doch genau deshalb fliegen ihm im Moment die Herzen der Fraktion zu, wie es keiner für möglich gehalten hätte.

Wie Kreuzer zum Fraktionschef wurde

Was einen Fraktionschef auszeichnet? Kreuzer überlegt kurz. "Es gibt ein ganz natürliches Spannungsverhältnis zwischen den Beteiligten. Doch in der Demokratie ist es so, dass man am Ende eine Sache nur gemeinsam entscheiden kann." Aber auch auf diese gemeinsamen Entscheidungen hat Kreuzer inzwischen mehr Einfluss als die meisten anderen. Mehr sogar vielleicht, als es Horst Seehofer lieb ist.

Als Kreuzer im Oktober 2013 die Fraktion übernimmt, gilt er als Seehofers Mann. Und als klassischer Spätstarter. Kreuzer arbeitete als Richter, früher hatte er im Nebenerwerb 45 Milchkühe. 1994 zieht er in den Landtag ein, er wird stellvertretender Fraktionschef, doch in Seehofers Fokus gerät er erst, als er 2010 den Vorsitz im für die CSU brisanten Untersuchungsausschuss zum Landesbank-Desaster übernimmt. Kreuzer bewährt sich, sein Aufstieg beginnt.

Nach einem Intermezzo als Kultus-Staatssekretär wird er schnell zum Staatskanzleichef befördert. Als sich nach der Landtagswahl 2013 sowohl Ilse Aigner als auch Markus Söder für die Rolle als Fraktionschef interessieren, lautet der von allen akzeptierte Kompromiss: Kreuzer.

Seehofer: "Die Schlüsselfigur der bayerischen Politik"

Nun, mit 56 Jahren, ist Kreuzer so mächtig wie nie. Seehofer bezeichnet ihn als "die Schlüsselfigur der bayerischen Politik". Ein Mann, gegen dessen Willen nichts mehr geschieht. Diese Erfahrung macht der Ministerpräsident im Moment am eigenen Leib. Beim Streit um die dritte Startbahn am Münchner Flughafen war es Kreuzer, der Seehofer ausbremste. Der Ministerpräsident hatte noch vor Weihnachten entscheiden wollen, Kreuzer verschob den Zeitplan auf Februar oder sogar März.

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Der Wille der Fraktion war ihm zu kurz gekommen. 66 der 101 Abgeordneten unterschrieben einen Antrag für den Flughafen-Ausbau und damit in gewisser Weise gegen den eigenen Ministerpräsidenten. Ein Vorgang, den Seehofer im Parteivorstand als einmalig und schmerzlich bezeichnete. Kreuzer sagt dazu nur: "Die Liste war keine Unterschriftensammlung gegen irgendjemanden, sondern ein Stimmungsbild zur Sache." Nach außen hin stets loyal auftreten, intern mit offenem Visier kämpfen: Selbst Gegner schätzen diese Art der Auseinandersetzung.

Auch beim Bau des Münchner Konzertsaals fühlt sich die Fraktion überrumpelt, auch hier fordert Kreuzer für Ende Januar eine Aussprache ein. In der Fraktion wird dieses Streben nach mehr Eigenständigkeit goutiert. Zu lange habe man sich Seehofers Willen gebeugt, nölen manche, die ihn vor zwei Jahren noch für die Rückkehr zur absoluten Mehrheit gefeiert haben. Dass Kreuzer es gelingt, dem Willen seines Förderers zu widerstehen, ringt den Abgeordneten Respekt ab. Eine erstaunliche Standfestigkeit beweise Kreuzer im Umgang mit dem Ministerpräsidenten.

Die meisten sind überzeugt: Wenn sich die Frage nach dem nächsten Regierungschef stellt, wird Kreuzer mehr mitzureden haben als Seehofer. Eine Präferenz für Söder oder Aigner sei beim Fraktionschef aber nicht festzustellen. Kreuzer selbst habe keine Ambitionen auf dieses Amt, berichten Leute, die ihn gut kennen. "Ich bin Fraktionsvorsitzender und das bleibe ich in dieser Legislatur auch", sagt Kreuzer nur.

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Jeden Dienstag trifft er sich vor Kabinettssitzungen zum Frühstück mit dem Ministerpräsidenten, dann wird die gemeinsame Marschroute festgelegt. Spekulationen über die Zukunft sind ihm zuwider. Kreuzer lebt im Hier und Jetzt.

Dass die politische Gegenwart von der Flüchtlingsfrage geprägt sein wird, hat Kreuzer früher erkannt als die meisten anderen. Es ist ein Thema, das ihm Sorgen bereitet. Bei dem er das Gefühl hat, wirklich etwas bewegen zu können.

So hat Kreuzer Maßnahmen, wie man auf die steigenden Flüchtlingszahlen reagieren müsse, zu einem Zeitpunkt vorgeschlagen, als kein anderer Politiker so etwas wagte. Er regte Aufnahmezentren in Nordafrika an, spezielle Zentren in Deutschland für Balkanflüchtlinge oder auch Kontingente für Bürgerkriegsflüchtlinge. Dass er früher als andere vorpreschte und vielleicht auch zu einer Zeit, als die Umstände noch nicht reif dafür waren, hat ihm bei Kritikern den Ruf eingebracht, sich in der ohnehin rechten CSU besonders weit rechts positioniert zu haben.

Gerold Tandler

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(Foto: gh)

Er war der mächtigste Schweiger der CSU. Unter Ministerpräsident Franz Josef Strauß brachte es der wortkarge Gerold Tandler sogar zum Fraktionschef (1982 bis 1988) und Generalsekretär in Personalunion. Später stürzte er über die Zwick-Affäre. Ausgerechnet beim Steuerschuldner und Bad Füssinger Bäderkönig Zwick hatte sich Finanzminister Tandler ein Darlehen genommen. Das Leben danach: Hotelier in Altötting und Manager.

Alois Glück

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(Foto: gh)

Alois Glück hält den Rekord: Von 1988 bis 2003 stand er an der Spitze der CSU-Fraktion. In den 15 Jahren schaffte er das Kunststück, komplett skandalfrei zu bleiben. Einem wie ihm würde man sein Sparschwein anvertrauen. Als Führungsinstrument gegenüber Ministerpräsidenten und Fraktion setzte Glück das Wort "Obacht" ein. Dann wussten alle, was er meinte oder auch nicht. Später Landtagspräsident, Bergwachtpräsident, bis vor drei Wochen Präsident des Zentralkomitees der Katholiken. Nur Ministerpräsident ist er nie geworden.

Joachim Herrmann

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Bedächtig, moderierend, ausgleichend - so führte Joachim Herrmann von 2003 bis 2007 die Fraktion. Und durch ihre größte Krise: den Prozess der Abnabelung von Edmund Stoiber, gipfelnd in der Kreuther Klausur 2007. Dass die Stoiberianer ihn als Putschisten sahen, machte die Sache nicht einfacher. So ließ er sich 2007 zum Innenminister machen - im Hinterkopf die Hoffnung auf noch höhere Weihen.

Georg Schmid

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Georg Schmid war der Stenz unter den Fraktionschefs. Wenn der Schüttelschorsch mit seiner dicken Uhr durch den Landtag marschierte, konnte er kaum verbergen, wie gut er sich fand. Andererseits wirkte Schmid immer so, als sei er durch Zufall oder ein Missverständnis auf den Posten geraten. Politisch betrachtet war er eher eine unspektakuläre Erscheinung. Weil er seine Frau auf Staatskosten jahrelang als Scheinselbständige beschäftigt hatte, wurde er im März 2015 zu 16 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Christa Stewens

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Die Spätberufene. Christa Stewens war schon 67 und im Spätherbst ihrer Karriere, als Horst Seehofer sie nach Schmids Abgang im April 2013 für ein halbes Jahr gewissermaßen als Konkursverwalterin der CSU-Fraktion einsetzte. Stewens - Typ strenge, gütige, weise ältere Frau - war für die Bewältigung der Verwandtenaffäre genau die richtige. Bei der Landtagswahl 2013 schied sie aus. Schade, denn es hatte sich ziemlich gut angelassen mit Stewens und der Fraktion. Ihre private Fraktion besteht aus sechs Kindern und 24 Enkeln.

Kreuzer fühlt sich dann ungerecht behandelt. "Das waren keine Vorschläge am rechten Rand", sagt er verärgert. Ihm gehe es allein um Praktikabilität. "Das sind Forderungen, die mittlerweile auch von sozialdemokratischen Politikern und von vielen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft erhoben werden."

Warum die Grünen Kreuzer nicht mögen

Die Grünen zählen aus Kreuzers Sicht vermutlich nicht dazu. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Selbst CSU-Abgeordnete beschreiben Kreuzer als spröde und leicht entflammbar. Aber bei den Grünen klingt das noch einmal anders: "Teilweise wie aus der Zeit gefallen" wirke Kreuzer auf ihn, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Wo Seehofer versuche, beruhigend einzuwirken, bringe Kreuzer unnötige Schärfe hinein. Kreuzer verkörpere die alte CSU, die Arroganz der Macht.

Bei den Grünen haben sie ihm den Spitznamen "Panzerkreuzer" verpasst, da er rüpelhaft alles aus dem Weg räume. Fraktionschefin Margarete Bause, eine Art Intimfeindin Kreuzers, fällt spontan die Legende von dem Attentäter in Paris ein, der angeblich in Bayern als Flüchtling registriert worden sei. Jetzt sei es so weit, Frau Kollegin, habe Kreuzer ihr zugeraunt. Jetzt habe man einen Terroristen, der aus Bayern eingereist sei.

Bause glaubte, bei diesen Sätzen ein triumphierendes Gefühl wahrgenommen zu haben. Kreuzer möge ein guter Manager sein, aber politische Impulse, etwa wie Alois Glück sie als CSU-Fraktionschef zu setzen vermochte, könne Kreuzer nicht für sich in Anspruch nehmen.

In der CSU-Fraktion schätzen sie ihren Chef für seine Gradlinigkeit, seine Offenheit für Vorschläge, für die Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen. Als der SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher einmal im Plenum sprach, ohne aus Kreuzers Sicht konkret zu werden, watschte er ihn als "Blabla-Mann" ab. Der Applaus der CSU war ihm sicher, Gejohle und Geklatsche. Für die Opposition ist Kreuzer dann aber nicht der Mann, der früher als Richter arbeitete, sondern eher der Milchbauer.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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