Bayreuth: Kritik an Kartenvergabe:Beschränkter Zugang auf den Hügel

Wer als Normalsterblicher Bayreuther Festspiel-Karten kaufen möchte, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Pech. Denn 60 Prozent der Tickets gelangen nie in den freien Verkauf. Sie gehen an Sponsoren, Promis und andere Würdenträger. Jetzt hagelt es Kritik.

Olaf Przybilla

Am Grünen Hügel ist es auch nicht anders als sonst im Leben: Man darf sich einfach nicht erwischen lassen. Die Karten sind knapp bei den Wagner-Festspielen, und wer auf offiziellem Weg eine bekommen hat, der darf vor allem eines: sich glücklich schätzen.

Themenpaket Bayreuther Festspiele

Ob in Bayreuth "Tristan und Isolde" gezeigt wird, "Lohengrin" oder "Rheingold": Der Normalbürger bemüht sich meist vergeblich um Karten.

(Foto: dpa)

Was er nicht darf, ist klar geregelt, und das hat zuletzt ein Bayreuther Stadtrat spektakulär missachtet: Wer als Würdenträger in den Genuss einer Karte kommt, der darf diese keinesfalls zu einem höheren Preis weiterverkaufen. Besagter Bayreuther Stadtrat, ein junger Mann namens Andreas Küffner von einer ebenfalls noch jungen Wählergemeinschaft, hat dies in der vergangenen Festspielsaison nicht ganz so ernst genommen - jetzt, da man doch auf Ebay alles so kommod verhökern kann. Die Aufregung war groß in Bayreuth.

Dass Stadträte Karten für die Festspiele zugeteilt bekommen - nicht umsonst zwar, aber verlässlich -, war vor diesem Eklat nicht allen Bayreuthern bekannt. So ähnlich dürfte es nun mit den Zahlen sein, die der Bundesrechnungshof in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages rügt. Nur 40 Prozent der Karten gelangen in den freien Verkauf, über den Rest freuen sich Prominente - Stadträte zum Beispiel - oder Sponsoren. Mit den Förderzielen sei dies "nicht vereinbar", kritisiert der Rechnungshof.

Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass diese Vergabepraxis scharf gerügt wird. Wohl auch deshalb reagieren die Festspiele "weder erstaunt, noch geschockt" - auch wenn man "diese Kritik natürlich sehr ernst nehme", wie Festspielsprecher Peter Emmerich sagt. Erst im Oktober hatte der Bayerische Oberste Rechnungshof empfohlen, mehr Bayreuther Karten in den freien Verkauf zu bringen.

Reagiert, wenn auch nur in kleinen Schritten, haben die Festspiele darauf: In der kommenden Saison werden dies vor allem die Angehörigen der Solisten, Dirigenten und Chordirektoren zu spüren bekommen, die bisher großzügig mit Freikarten versorgt wurden. Auch die Kartenkontrolleure werden künftig etwas knapper gehalten. Gegen erneute Rügen der beiden Rechnungshöfe dürfte das die Festspiele aber keineswegs bewahren: Nur 350 Freikarten wurden so eingespart - bei 58.000 Festspielkarten pro Saison keine wirklich maßgebliche Größe.

14.000 Tickets für die Mäzene

Viel maßgeblicher ist da das Kontingent des großen Bayreuther Mäzenatenvereins, der "Gesellschaft der Freunde von Bayreuth". Mit 14.000 Tickets pro Saison werden die Spenden der organisierten Wagnerianer entlohnt, diese Leute zu verprellen, wäre töricht, heißt es am Hügel. Nach Schätzungen haben die Freunde die Festspiele seit 1949 mit mehr als 60 Millionen Euro unterstützt; sprudelt diese Quelle nicht mehr, müssten die Wagner-Schwestern Katharina und Eva - die Leiterinnen am Hügel - womöglich auf dringend benötigte Investitionen verzichten.

Wie sehr der Hügel vom Wohlwollen der Mäzene abhängig ist, zeigt sich, seit diese von Georg von Waldenfels, dem früheren bayerischen Finanzminister, angeführt werden. Galt am Hügel lange das Motto: Wagners bestellen, die Freunde liefern, hat sich dies unter Waldenfels geändert. Über die von Katharina Wagner geforderte neue Probebühne - vor allem für das von ihr forcierte Kindertheater - kam es unlängst zum Streit. Würde der Hügel den Freunden nun auch noch die angestammten Karten reduzieren, wäre es um die Hilfsbereitschaft womöglich schlecht bestellt.

Was also tun? Die Kontingente wurden vor Jahren fixiert. Eine Änderung könnten die Festspielleiterinnen nicht selbst beschließen, dazu ist nur der Verwaltungsrat befugt, in dem der Bund, das Land, die Stadt und eben die Gesellschaft der Freunde vertreten sind. Deren Chef Waldenfels winkt bereits ab: "Die Freunde sind der größte Mäzenatenverein in Deutschland", sagt er: "So was kann man sehr schnell kaputt machen."

Selbstverständlich, sagt der Festspielsprecher, werde man nach der Rüge des Rechnungshofes "nochmal alles prüfen". Einer solchen Prüfung zum Opfer gefallen ist im vergangenen Jahr schon eine der bis dahin zwei "Gewerkschaftsaufführungen". Dabei tritt der DGB als Veranstalter auf und ermöglicht seinen Mitgliedern einen Besuch am Hügel - Wolfgang Wagner, der frühere Herr am Hügel, hatte sich dafür stets stark gemacht.

Stichproben hatten auch bei diesen Abenden ergeben, dass beileibe nicht nur Gewerkschaftsmitglieder im Haus waren, offenbar hatten viele ihre Chance auf ein Zubrot ebenso genutzt wie besagter Bayreuther Stadtrat. Er bot seine "Lohengrin"-Karten - 400 Euro hatte er dafür bezahlt - für 1509 Euro im Internet an.

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