Süddeutsche Zeitung

Uni-Atlas:Studium in Bayreuth: Ein bisschen USA in Oberfranken

Die Universität Bayreuth ist eine der wenigen Campus-Hochschulen in Deutschland: Studenten schätzen jedoch nicht nur die kurzen Wege, sondern auch die familiäre Atmosphäre.

Von Nicolas Freund, Bayreuth

Es sieht aus wie Plastik: durchsichtig, fest und leicht biegbar. Man kann das Material auch mit anderen Eigenschaften ausstatten, erklärt Oliver Hauenstein, Doktorand der Chemie an der Universität Bayreuth. Es zum Beispiel elastischer oder wasserlöslich machen. Hauenstein forscht seit drei Jahren an "PLimC", diesem Kunststoff, der aussieht wie Plastik, aber hergestellt wird aus Kohlendioxid und Limonen (betont auf dem e), gewonnen aus Orangenschalen. Sonst nichts.

Wer sich als Student an der Uni Bayreuth für chemische Materialforschung interessiert, kann bereits im Bachelor einen entsprechenden Schwerpunkt legen. Die Arbeit mit Polymeren, auf die sich die Uni in der Chemie spezialisiert hat, ist nicht nur Spitzenforschungsbereich für Professoren, sondern beschäftigt auch die Studenten.

Das ist eine der Besonderheiten der Universität Bayreuth. Die andere ist, dass die Uni in der Wagnerstadt eine Campus-Universität ist, wie es sie sonst vor allem in den USA gibt: Vom zentralen Platz aus, auf dem in manchen Sommern ein Beachvolleyballfeld aufgeschüttet wird, führen Wege über den Campus in jede (Fach-)Richtung. Fast alle Institute liegen in Gehweite voneinander entfernt, alle Studenten und Dozenten treffen sich in derselben Mensa.

Anders als in München ist die Universität nicht über die ganze Stadt verteilt. Sie fügt sich aber auch nicht, wie zum Beispiel in Bamberg, nahtlos in eine Altstadt ein, sondern liegt etwas außerhalb. Mit dem Fahrrad und dem Auto kommt man in Bayreuth aber in wenigen Minuten vom Festspielhaus zum Bahnhof und an die Uni. Es gibt auch ein gutes, aber etwas undurchsichtiges Nahverkehrssystem. Manchen Fahrgast grüßt der Busfahrer beim Vornamen.

Viele Institute in Bayreuth haben, fast wie die Figuren in den Wagneropern, eine Art Leitmotiv, also ein charakteristisches Schwerpunktthema. Was bei der Chemie die Polymerforschung ist, ist bei den Geisteswissenschaften Afrika. Die Ethnologen beschäftigen sich besonders mit den Völkern und Kulturen Afrikas, die Philologen bieten den Studiengang "Afrikanische Sprachen, Literatur und Kunst" an.

Alle Studenten dieses Fachs lernen zwei afrikanische Sprachen wie Bambara, Hausa, Swahili oder Xhosa. Das mag angesichts von 2000 afrikanischen Sprachen nicht viel erscheinen. Aber ein zentrales Anliegen des Studiengangs ist es, erklärt Professor Dymitr Ibriszimow, den Studenten Kompetenzen zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, sich schnell in (afrikanische) Kulturen und Sprachen einzuarbeiten. Auch solche, zu denen sie im Studium keine Kurse belegt haben. Die meisten Studierenden dieser Fächer bringen bereits einige Auslandserfahrung in Afrika mit, die sie während des Studiums vertiefen. Nach dem Studium kommen sie in der Entwicklungshilfe, bei NGOs oder im Auswärtigen Amt unter.

Auch im Büro von Uni-Präsident Stefan Leible hängt afrikanische Kunst an den Wänden - die Schwerpunkte der Universität sind keine nüchtern gewählten, gerade angesagten Forschungsbereiche, sondern seit Jahrzehnten feste Bestandteile der Hochschulidentität.

Von vielen Gebäuden auf dem Campus aus kann man zwar das Richard-Wagner-Festspielhaus sehen, Präsident Leible trägt zum Anzug aber noch sein Rock-im-Park-Bändchen am Handgelenk. Das Festival im benachbarten Nürnberg besucht er jedes Jahr und auch bei Studentenfesten legt er gerne auf. Die Zukunft der Uni Bayreuth sieht er in ihren fächerübergreifenden Schwerpunkten und der internationalen Ausrichtung. "Unsere Stärke ist, dass wir sehr schnell reagieren und sehr interdisziplinär arbeiten. Auch, weil man auf dem Campus überall schnell ins Gespräch kommt."

Ein Beispiel dafür ist der sehr beliebte, englischsprachige Studiengang "Philosophy & Economics", der im Bachelor und Master angeboten wird und Fragen der Ökonomie mit philosophischen Grundlagen zusammenführt. Ein anderes ist der Doppelabschluss in Jura, den die Uni Bayreuth in Kooperation mit der Uni Sevilla anbietet. Vier Jahre dauert die Ausbildung in deutschem und spanischem Recht, zwei davon in Spanien. Wer möchte, kann in zwei weiteren Jahren bis zum deutschen Staatsexamen studieren. Auch mit chinesischen Hochschulen gibt es Kooperationen, vor allem in den Wirtschaftswissenschaften.

Das interdisziplinäre Arbeiten auf dem Campus zeigt sich an konkreten Projekten. Zum Beispiel dem gemeinsamen Bau eines Autos: Jedes Jahr entwerfen Studenten der Ingenieurswissenschaften einen elektrischen Rennwagen, mit dem sie bei Wettrennen antreten. Solche Projekte gibt es an vielen Universitäten, aber an kleinen Unis wie Bayreuth können mehr Studenten mitmachen als an größeren Hochschulen. Zwölf Studenten arbeiten in Bayreuth im Kernteam. Noch einmal etwas so viele helfen mit, wenn sie Zeit haben. Auch Studenten aus ganz anderen Fachrichtungen sind Teil des Projekts und kümmern sich beispielsweise um das Marketing.

Dass man in Bayreuth nicht nur interdisziplinärer, sondern auch zukunftsorientierter denkt als an manchen anderen Universitäten, zeigt sich an den Medienwissenschaften. Wie die meisten Studiengänge haben auch diese ein scharfes Profil. Neben Theater, Film und Fernsehen können sich die Studenten auf Computerspiele spezialisieren.

Ein Schwerpunkt, den fast keine andere Hochschule anbietet. Das Studium lässt dabei einen wissenschaftlicheren oder einen praxisbezogeneren Fokus zu: Neben der klassischen Hausarbeit ist es möglich, als Seminarabschluss ein eigenes Spielkonzept zu entwickeln. Auch Video- und Tonaufnahmen können in einem kleinen Studio gemacht werden. Und alle, die sich für die ganz klassischen Medien interessieren, haben in Bayreuth immer das Opern-Festspielhaus in Sichtweite.

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SZ vom 04.07.2016/bica
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