Im vergangenen April drohte die Stadt Bayreuth auf eine Blamage zuzusteuern, manche sagten: Die habe man sich bereits eingehandelt. Zur Verblüffung vieler votierte der Kulturausschuss mit acht von 16 Stimmen gegen die Pläne für ein Dokumentationszentrum in Bayreuth, das sich mit der NS-Ideologiegeschichte beschäftigen soll. Das Projekt schien damit vor dem Aus zu stehen. An diesem Mittwoch nun tritt der Bayreuther Stadtrat zusammen, er entscheidet abschließend darüber, ob ein solches Dokuzentrum weiter geplant wird oder nicht. Die Fragestellung aber wird jetzt eine andere sein.
Der Stadtrat wird zunächst lediglich über einen „Grundsatzbeschluss“ abstimmen, ob das Projekt weiterverfolgt werden soll – nicht aber über konkrete Details, etwa den Ort für ein solches Zentrum. Bislang war dafür das ehemalige Wohnhaus des Rassentheoretikers Houston Stewart Chamberlain vorgesehen, ein Schwiegersohn Richard Wagners. Das Dokuzentrum wäre somit in direkter Nachbarschaft des Hauses Wahnfried entstanden, in dem das Richard-Wagner-Museum untergebracht ist. Chamberlain war ein glühender Verehrer Wagners – der ideologiehistorische Konnex wäre also auch sichtbar geworden.
Von einem speziellen Ort ist im Stadtratsantrag nun keine Rede. Stattdessen solle zunächst eine „inhaltliche Konzeption“ des Zentrums erstellt werden – und dies mithilfe eines „Kuratoriums mit externen Expertinnen und Experten“. Das Beratergremium soll aus Wissenschaftlern und Fachleuten aus anderen NS-Dokumentationszentren zusammengesetzt werden. Im SZ-Gespräch kündigt Sabine Steininger, Vorsitzende der Stadtrats-Grünen, bereits die Zustimmung ihrer Fraktion zu diesem Grundsatzbeschluss an. Die Grünen bilden die drittstärkste Fraktion im Bayreuther Stadtrat.
Im Kulturausschuss hatten die Grünen gegen den Antrag gestimmt – und dies angesichts erstaunter Resonanz in einer Erklärung eigens begründet. Gerade für Stadtratsmitglieder, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagierten, sei es den Grünen nicht leichtgefallen, das Vorhaben abzulehnen. Ihr Hauptargument gegen die bisherigen Planungen: Die Stadt habe sich bis dato keine hinreichenden Gedanken über „Konzeption und Umsetzung“ des Dokuzentrums gemacht. Die Grünen bevorzugten es, „inhaltliche Arbeit und Projekte zu fördern, anstatt Geld in Infrastruktur zu stecken und dann darauf zu hoffen, dass sich etwas entwickelt“.
Erfolg oder „goldene Brücke“?
Dieser Hauptkritikpunkt sei nach einem Treffen mit dem – demnächst scheidenden – Bayreuther Kulturreferenten Benedikt Stegmayer nun bereinigt, erklärt Steininger. Demzufolge könne die gesamte Fraktion der Grünen jetzt für das Projekt stimmen. Auch werde man sich keinem der künftigen Ratschläge eines Expertengremiums grundsätzlich verschließen – auch, was mögliche Orte für das Dokumentationszentrum betrifft.
Im Rathaus wird der Vorgang unterschiedlich gedeutet. Die einen sprechen von einem Erfolg vor allem der Grünen – Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) und der Kulturreferent der Stadt seien gezwungen worden, den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu machen. Andere werten das nun vereinbarte Prozedere als „goldene Brücke“, um den ablehnenden Fraktionen aus dem Kulturausschuss einigermaßen gesichtswahrend eine Wende samt Zustimmung zu ermöglichen.
Auch Stephan Müller, Fraktionsvorsitzender der Bayreuther Gemeinschaft, spricht von einem „völlig neuen Sachverhalt“. Gegen den jetzt vorliegenden Antrag könne man nicht sein, erklärt Müller, kritisiert aber auch, dass dieser in der aktuellen Form „viel zu spät“ auf den Weg gebracht worden sei. Er werde zustimmen. Auch die SPD, kündigt Fraktionschef Thomas Bauske an, werde dies tun. Insgesamt darf ein Votum für das Bayreuther Dokumentationszentrum zur NS-Ideologiegeschichte damit als hoch wahrscheinlich gelten.