Bayreuth:19-jähriger Syrer wegen IS-Videos unter Terrorverdacht

Lesezeit: 4 Min.

  • Mamdoh A. soll spätestens 2016 den Entschluss gefasst haben, in Deutschland oder Syrien einen Terroranschlag zu begehen.
  • In seiner Wohnung stellten Ermittler IS-Videos, Anleitungen zum Bombenbau und ein kinderpornografisches Video sicher.
  • Der 19-Jährige räumt vor Gericht ein, sich mit dem IS beschäftigt zu haben - mit ihm sympathisiert haben will er aber nicht.

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Mamdoh A. trägt Fußfesseln, als er den Gerichtssaal in Bayreuth betritt. Der 19-Jährige ist bleich, legt ein schüchternes Lächeln auf, winkt Bekannten zu, ehe er sich hinsetzt. Im Juni 2017 ist er im oberfränkischen Pegnitz festgenommen worden, seither befindet er sich in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft München legt dem Syrer zu Last, er habe spätestens 2016 den Entschluss gefasst, in Deutschland oder Syrien einen Terroranschlag zu begehen.

Bei der Festnahme in seiner Wohnung, in die A. kurz zuvor gezogen war, fanden Ermittler Videos, auf denen zu sehen ist, wie man Bomben baut. Sie stellten auch Filme sicher mit dem Abzeichen des sogenannten Islamischen Staats (IS) sowie Videomaterial, auf dem bestialische Mordtaten zu sehen sind. Dazu ein kinderpornografisches Video.

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A. erzählt dem Richter, wie er nach Deutschland gekommen ist. 2014 sei er über die syrische Grenze in die Türkei geflohen, dort blieb er drei Monate. Über eine griechische Insel kam er nach Athen, von dort ging es zum Teil zu Fuß weiter nach Serbien. In Belgrad habe er einen Schlepper gefunden. An der Grenze zu Deutschland sei er "einen Tag durch den Wald gelaufen", schließlich in Bad Reichenhall angekommen und nach der Registrierung als Kriegsflüchtling weiter nach Pegnitz geschickt worden. Dort wohnte er zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft für minderjährige Flüchtlinge. Fast jeden Tag, sagt er, sei er in der Zeit in Begleitung nach Bayreuth gefahren, um Deutsch zu lernen.

Das klappte offenbar passabel, A. kann sich über weite Strecken selbst zu den Vorwürfen äußeren. An der Realschule dagegen, so berichtet er, "da klappte es nicht". Er wechselte an die Mittelschule, ein erster Versuch, den Quali zu machen, scheiterte. Warum er Syrien habe verlassen wollen, will der Vorsitzende Richter Michael Eckstein wissen. In seiner Heimatstadt Raqqa habe der IS geherrscht, antwortet A. Er habe sich eine Zukunft aufbauen wollen, aber "als der Krieg kam", habe er das nicht mehr gekonnt. An die Schule habe er nicht mehr gehen können, die habe der IS dichtgemacht. Also habe er seine Eltern und sechs Geschwister in Syrien zurückgelassen.

Der Richter geht nun Punkt für Punkt der Anklage durch, schon beim Zuhören braucht man gute Nerven. Punkt eins: Der Angeklagte soll im Juni 2016, damals war er 18, über einen Messenger eine Anleitung zum Bau einer Rohrbombe geschickt bekommen haben. Die Gefährlichkeit einer solchen Bombe sei für den Attentäter gering, heißt es da, so eine Bombe könne man nämlich werfen und sich innerhalb von fünf Minuten entfernen. Der Sprengkörper sei geeignet, "etwa fünf bis zehn Soldaten" auf einer Fläche von fünf Quadratmetern zu töten.

Stimmt, erklärt A., daran könne er sich flüchtig erinnern. Er habe sich diese Anleitung, weil er die Nachricht nicht habe öffnen können, auf den eigenen Account geschickt. Dort habe er ein Spezialprogramm zum Öffnen verschlüsselter Nachrichten. Als er gesehen habe, dass es um Bombenbau geht, habe er sich das nicht weiter angesehen: "Hat mich nicht interessiert." Er bekomme bis zu 14 000 Nachrichten pro Tag über alle möglichen Kanäle aus der Heimat. Da komme er mit dem Löschen kaum nach, geschweige denn könne er sich die Nachrichten alle anschauen.

Ähnlich äußerst er sich zu einer Art Anleitung, an welcher Körperstelle man gefesselte Menschen am wirksamsten erdolcht. In dem Film wird auch detailliert geschildert, wie man aus Wundsäuberungsmittel, Substanzen einer Autobatterie und Drogerieware eine schwere Bombe baut. Zu sehen sind Sequenzen, die als Selbstmordattentat gedeutet werden könnten. Das alles habe er sich auch nicht zu Ende angeschaut, sagt der 19-Jährige. Für ihn sei so was nicht von Interesse. "Das habe ich live erlebt. Dafür brauche ich kein Video."

Der Screenshot aus einem Online-Magazin des IS, das Möglichkeiten aufzeigt, wie man in den Besitz eines Lastwagens gelangt? Sein Handy hatte er da erst etwa sechs Wochen, erklärt A., er habe damals mitunter aus Versehen Fotos gemacht. Den Namen des Online-Magazins höre er gerade zum ersten Mal. Aber ja, das gebe er zu, er habe sich auch "Informationen aus der Heimat" aus IS-Quellen besorgt, um sich auf dem Laufenden zu halten.

Stimme es, fragt der Richter, dass A. im Juni 2017 in der Fränkischen Schweiz etwa 45 Minuten lang ein Auto ohne Fahrerlaubnis gefahren habe? Das räumt A. ein. Man sei um Mitternacht aus einer Kneipe gekommen. Der Besitzer des Wagens sei sehr angetrunken gewesen. A. habe noch in Syrien beobachtet, wie man Auto fahre. Das möchte er betonen: "Ich hatte nicht vor, einen Lastwagen zu klauen oder ein Auto."

Dass er Dokumente mit IS-Logo an seinen syrischen Freund in Berlin verschickt hat, gibt er zu. Aber nur, um zu dokumentieren, was zu Hause los sei. Darunter ist auch ein Video mit bestialischen Morden an Gefangenen. Man habe sich gegenseitig mit Informationen versorgt, sagt später sein früherer Nachbar aus Raqqa. Das Video habe er nicht zu Ende geschaut: "Ich habe so was mit eigenen Augen gesehen."

Bohrt das Gericht nach, ob A. mit dem IS sympathisiert hat, werden die Antworten plötzlich schwammig. Für den Dschihad habe er sich in Syrien nie interessiert. Und in Deutschland? Sein Anwalt übernimmt jetzt: "Mein Mandant hat nicht in Abrede gestellt, dass er sich mit Gedanken des IS auseinandergesetzt hat." Er habe aber "nicht eindeutig mit dem IS sympathisiert", habe sich lediglich "Gedanken gemacht". Seit er sich in Haft befindet, sagt A., "haben sich 80 Prozent geändert in meinem Leben". Der Prozess wird fortgesetzt, unter anderem hat die Staatsanwaltschaft ein Video angekündigt, das als mögliches Bekennervideo gedeutet werden könnte.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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