Bayernweiter Aktionstag:50 000 Unterschriften gegen Ceta im Rekordtempo

Start Unterschriftensammlung Volksbegehren

In ganz Bayern kam es in den vergangenen Wochen zu Aktionen gegen die Handelsverträge Ceta und TTIP.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Das geplante Freihandelsabkommen Ceta zwischen Kanada und der EU ist stark umstritten.
  • Mehr als 50 000 Unterschriften kamen am Aktionstag gegen Ceta zusammen. Das sind viel mehr als nötig.
  • Nur 25 000 Unterschriften wurden gebraucht, um die erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid zu meistern.

Von Maximilian Gerl

Wer Unterschriften sammelt, ist vor allem auf eines angewiesen: gutes, aber nicht zu gutes Wetter. Regnet es, bleiben die Menschen zu Hause. Ist es zu heiß, fahren sie an den See statt in die Innenstädte, in der die Unterschriftensammler stehen. Insofern ist Simon Strohmenger sehr zufrieden, was sich da am vergangenen Samstag in ganz Bayern ereignet hat. "Wir hatten schon auf 25 000 Unterschriften gehofft", sagt er rückblickend: "Aber dass es so viele werden, hätten wir nicht gedacht." Es wurden tatsächlich mehr als 50 000 Unterschriften. An einem einzigen Tag.

Das geplante Freihandelsabkommen Ceta zwischen Kanada und der EU ist stark umstritten. Die einen erhoffen sich positive Effekte für die Wirtschaft, die anderen befürchten das Gegenteil. Zu letzteren gehört eine bayernweite Initiative gegen Ceta. Seit Mittwoch sammelt das Bündnis aus Parteien, kirchlichen Gruppen sowie Umwelt- und Verbraucherverbänden Unterschriften, um einen Volksentscheid herbeizuführen. So wollen sie die Staatsregierung dazu zwingen, sich im Bundesrat gegen Ceta auszusprechen.

Weil das Abkommen vermutlich von jedem einzelnen EU-Mitgliedsstaat ratifiziert werden muss, könnte ein bayerisches Nein eine Kettenreaktion in Gang setzen, die das Abkommen zum Scheitern brächte. So weit sind Mitorganisator Strohmenger und seine Verbündeten noch lange nicht. Aber mit Samstag sind sie ihrem Ziel ein Stück näher gekommen.

Mehr als 50 000 Unterschriften kamen am Aktionstag gegen Ceta zusammen. Das sind viel mehr als nötig. Nur 25 000 Unterschriften wurden gebraucht, um die erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid zu meistern, eine Hürde, an der schon viele Volksbegehren gescheitert sind. Die Ceta-Gegner haben es hingegen geschafft, innerhalb kürzester Zeit viele Bürger zu mobilisieren. Mehr als 500 Infostände hatten sie dazu am Samstag aufgebaut, außerdem fanden die ganze vergangene Woche über Demonstrationen statt. Am Freitag etwa zogen in Traunstein knapp 500 Ceta-Gegner vom Bahnhof zum Stadtplatz.

Hundert Seiten, viele davon gespickt mit juristischen Formulierungen

Der Samstag zeigt vor allem, wie groß die Widerstände gegen das geplante Freihandelsabkommen sind. Das Kuriose: Nur wenige Menschen wissen wohl tatsächlich, was eigentlich genau mit diesem Ceta geplant ist. Erst seit einer Woche sind die geplanten Verträge auf Deutsch einsehbar. Sie umfassen mehrere Hundert Seiten, viele davon gespickt mit juristischen Formulierungen, die für Laien schwer zu verstehen sind. Dass die meisten Bayern, die am Samstag gegen Ceta unterschrieben haben, die Vorlage auch tatsächlich gelesen und verstanden haben: das ist eher unwahrscheinlich.

Trotzdem ist die Angst vor Ceta groß, nicht nur in Bayern. Das liegt auch daran, dass Umwelt- und Sozialverbände, Verbraucherschützer und Gewerkschaften schon seit zwei Jahren lautstark gegen TTIP protestieren. TTIP ist ein geplantes Freihandelsabkommen mit den USA und ähnelt Ceta. Scheitert das eine, dürfte auch das andere scheitern.

Wie bei Ceta fürchten die TTIP-Kritiker besonders, dass die Verträge sogenannte Investorenschutzklauseln beinhalten könnten: Sie sehen darin eine Möglichkeit für Konzerne, in der EU geltende Standards einfach zu unterwandern. Das berüchtigte Chlorhühnchen gilt seitdem als Sinnbild eines ausgehöhlten Verbraucherschutzes - und vielen Freihandelsgegnern als Warnung, was auf die Menschen hierzulande alles zukommen könnte, wenn die Abkommen in Kraft treten.

Jetzt bezieht auch die bayerische SPD Stellung

Der seit zwei Jahren anhaltende Druck zeigt Wirkung. Die Grünen, die Freien Wähler, die Linke, die ÖDP und die Piratenpartei haben sich bereits gegen Ceta ausgesprochen und unterstützen auch das Volksbegehren. Jetzt bezieht auch die bayerische SPD Stellung. Dabei wollten sich die Sozialdemokraten vergangene Woche noch nicht auf eine abschließende Haltung festlegen. Dann aber kam der Samstag.

Parallel zum bayernweiten Aktionstag gegen Ceta fand in Amberg ein außerordentlicher SPD-Parteitag statt. Eine große Mehrheit der 300 Delegierten stimmte dort einem Initiativantrag gegen Ceta zu. Generalsekretärin Natascha Kohnen teilte daraufhin auf der Website der SPD mit, innerhalb der Partei herrsche seit Langem eine große Skepsis gegenüber Ceta. "Heute hat sich herausgestellt: Die Skepsis überwiegt bereits." Deshalb habe sich die SPD in Amberg nun gegen Ceta ausgesprochen. Ceta-Gegner Strohmenger sagt dazu: "Die SPD hat sich lange geziert."

Trotz des Erfolgs vom Samstag haben die Unterstützer des Volksbegehrens noch einen langen Weg vor sich. Und einen komplizierten, dafür sorgt die bayerische Verfassung. Die EU-Kommission wird vermutlich erst im September Ceta den europäischen Mitgliedsstaaten zur Abstimmung vorlegen. Solange müssen auch die Ceta-Gegner warten, um ihre Unterschriften beim Innenministerium einreichen zu können.

Danach wartet die zweite Hürde: Zehn Prozent der bayerischen Wähler müssen sich innerhalb von zwei Wochen in den Rathäusern eintragen. Wird auch diese Hürde genommen, hat der Landtag sechs Monate Zeit, sich zu beraten. Erst dann kann aus dem Volksbegehren tatsächlich ein Volksentscheid werden, bei dem alle Bayern an einem Sonntag über Ceta abstimmen. Das Ergebnis ist bindend für Landtag und Staatsregierung.

Weil diese Prozedur vom Freistaat organisiert werden muss, werden die Bayern wohl erst im Frühjahr 2017 über Ceta abstimmen können. Nicht alle wollen so lange warten. Simon Strohmenger erzählt, bei ihm riefen viele Leute an und fragten, wann sie sich endlich in den Rathäusern gegen Ceta eintragen könnten. Strohmenger sagt: "Es war wirklich ein gutes Wochenende für uns."

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