Bayerns SPD im Wahljahr:Deprimierendes Dasein des Diaspora-Sozis

Bayerns SPD im Wahljahr: Thorsten Albig in Kiel hat schon geschafft, was auch Christian Ude schaffen möchte: vom Oberbürgermeister zum Ministerpräsidenten zu werden.

Thorsten Albig in Kiel hat schon geschafft, was auch Christian Ude schaffen möchte: vom Oberbürgermeister zum Ministerpräsidenten zu werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die CSU liefert viele Steilvorlagen, doch die Bayern-SPD kann einfach nicht davon profitieren. Immerhin hält Spitzenkandidat Christian Ude gute Reden, macht seiner Partei beim Dreikönigstreffen der Münchner SPD Mut - und hat sich noch keine Patzer à la Steinbrück erlaubt.

Von Dominik Hutter

Manchmal hilft es, das Gesetz der Serie zu bemühen. Christian Ude tut das gerne in letzter Zeit. Er erinnert dann an den Sieg des einstigen Kieler SPD-Oberbürgermeisters Torsten Albig bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, schlägt die Kurve gen Niedersachsen zum wahlkämpfenden Hannoveraner OB Stephan Weill - und kommt dann, man ahnt es schon, zum dritten Sozi im Bunde: zum Münchner OB, der ebenfalls Ministerpräsident werden will. Und es, zumindest nach Udes Logik, auch werden wird.

Die schlechten Umfragewerte derzeit? Macht nichts, sagt der Kandidat - denn auch hier gilt das Gesetz der Serie. Schon 1993, beim OB-Duell Ude versus Gauweiler, hätten die Demoskopen ein SPD-Fiasko vorausgesagt. "Zum Glück wissen wir alle, wie die Geschichte ausgegangen ist." Und hat irgendein schlaues Institut etwa den Wahlsieg des Sozialdemokraten Peter Feldmann im Frankfurter Römer vorausgesagt?

Ein Mann macht Mut - sich selbst und seiner Partei. Denn auch wenn Ude beim Dreikönigstreffen der Münchner SPD als umjubelter Superstar in den Hofbräukeller einzieht, stehenden Applaus erntet und spürbar gute Stimmung verbreitet: Es lässt sich nicht verleugnen, dass es gerade nicht recht laufen will im Wahlkampf der SPD, der doch eigentlich als monatelanges Crescendo angekündigt war. In den Umfragen dümpeln die Sozialdemokraten bei mageren 22 Prozent, während die CSU zumindest bei den Mandaten wieder in Richtung absolute Mehrheit schielen darf.

Dass Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger angekündigt hat, seinen umstrittenen Europa-Kurs auch im Bundestagswahlkampf zu pflegen, dürfte bei der SPD als Tiefschlag angekommen sein. Ohnehin wirkt die angestrebte Dreier-Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern merkwürdig blutleer. Echte Leidenschaft können die Partner füreinander nicht aufbringen.

"Niemand hat versprochen, dass wir jetzt schon am Ziel sind", ruft Ude in den vollbesetzten Saal. Allerdings muss man, um stetig voranzukommen, zumindest den Weg kennen - und den kann die SPD gerade nicht finden. Denn dafür müsste sie zunächst die Warum-Frage beantworten. Warum nur will der Funke nicht überspringen auf die Wähler? Am Kandidaten, da sind sich die Genossen einig, kann es eigentlich nicht liegen. Ude hält gute Reden, verfügt über ein breites politisches Repertoire und hat sich - anders als etwa Peer Steinbrück - noch keine größeren Patzer erlaubt.

Seit Monaten reist der Münchner OB im Trachtenjanker durch die Lande, besucht Cham oder das Rottal und schaut auch mal in einem Passauer Seniorenheim vorbei. Ude kann ein ganzes Bierzelt mitreißen. Allerdings sind dort zumeist die versammelt, die ihre Sympathie und vielleicht auch ihr SPD-Parteibuch schon zur Veranstaltung mitgebracht haben. Um eine Landtagswahl zu gewinnen, muss man aber auch die anderen überzeugen - die, die bisher CSU gewählt haben. Das fällt einer Partei schwer, die in manchen Gegenden Bayerns weniger Mitglieder hat als die örtliche Feuerwehr.

"Jetzt heißt es Ärmel aufkrempeln"

Dabei liefert die CSU derzeit so viele Steilvorlagen, dass sich Ude wie ein Elfmeterschütze fühlen müsste. Der Wackelkurs von Ministerpräsident Horst Seehofer bringt selbst Teile der CSU ins Staunen - und oftmals auch zum Grummeln. "Es gibt eine Wechselstimmung in Bayern", lästert Ude im Hofbräukeller. "Selbst der Ministerpräsident wechselt ja schon am laufenden Band seine Meinung." Studiengebühren, Donau-Ausbau, erneuerbare Energien - Ude hat sich viele Beispiele zurechtgelegt. Trotzdem kann er vom angekratzten Erscheinungsbild der Staatsregierung nicht recht profitieren.

Beispiel S-Bahn-Ausbau in München: Bei diesem Thema steht Seehofer jetzt als der große Macher da - als der, der die Finanzierung mit Tatkraft und einem Trick noch hingekriegt hat. Wen interessiert es da noch, dass es derselbe Seehofer war, der den Tunnel nur wenige Monate vorher einfach mal eben für tot erklärt hatte? Und dass es seine Staatsregierung war, die viele Jahre lang die Finanzierung des Projekts versemmelt hatte?

Gut möglich, dass Ude insgeheim am Verzweifeln ist, was er eigentlich noch tun soll, um die Wähler auf seine Seite zu ziehen. Der bislang erfolgsverwöhnte OB lernt nun das deprimierende Dasein des Diaspora-Sozis kennen, dessen Kracher einfach nicht zünden wollen - Franz Maget und Renate Schmidt können ein Lied davon singen. Anmerken lässt sich der Spitzenkandidat freilich nichts.

Lieber motiviert er die Münchner Genossen zum Mitmachen, stellt in gewohnt witziger Art sein Programm vor und zweifelt ausgiebig an den Wahlprognosen, die derzeit nicht für den Regierungswechsel sprechen. "Wir regieren ja schon", lautet eine seiner Thesen - schließlich befinde sich die CSU bei Studiengebühren und Co. längst auf SPD-Kurs. Das kann man freilich auch anders sehen: als geschickte Taktik einer Regierungspartei, die ihrem Gegner den Wind aus den Segeln nehmen will. Und das auch immer wieder schafft.

"Jetzt heißt es Ärmel aufkrempeln", sagt Ude zu seinen Münchner Genossen. Den Anfang will er selbst machen: Künftig soll an jedem Werktag ein konkretes Projekt einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung bekanntgegeben werden - Start der Aktion ist noch im Januar. Außerdem setzt Ude auf Frauen-Power und schickt dafür seine Gattin Edith von Welser-Ude auf Tournee. Einmal durch alle bayerischen Regierungsbezirke, zusammen mit Landtags-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: